Der schwie­ri­ge Weg zurück ins Büro

und war­um Home Office kei­nes­wegs die Lösung ist

Man­che Fir­men instal­lie­ren Abstands­pie­per, ande­re ver­su­chen ihre Mit­ar­bei­ter zurück­zu­kla­gen. Denn eini­gen Men­schen gefällt es zu gut im Home Office. Das ist auch eine gro­ße Gefahr für die Bin­dung an Unter­neh­men. Der vor­über­ge­hen­de Pro­duk­ti­vi­täts­ge­winn, der für eini­ge über­ra­schend kam, könn­te uner­wünsch­te Neben­wir­kun­gen haben.

Das Büro ist unse­re sozia­le Spiel­flä­che. Hier erpro­ben wir uns als inter­agie­ren­de Wesen. Wir ler­nen mit “unlieb­sa­men” Kol­le­gen zu leben — wobei unlieb­sam höchst rela­tiv ist. Wir tra­gen Kon­flik­te aus oder ver­mei­den sie. Wenn wir ler­nen, mit Men­schen umzu­ge­hen, die wir per­sön­lich schwie­rig fin­den, för­dert das unse­re sozia­le Intel­li­genz. Wir wei­ten unse­re Per­spek­ti­ven. Und nein, die­ser Pro­zess ist kei­nes­wegs mit 18 Jah­ren abge­schlos­sen. Das fällt eini­gen sehr schwer.

Eine Ten­denz scheint es zu geben: Je grö­ßer die Ängst­lich­keit in Rich­tung Sozi­al­pho­bie chan­giert, des­to fro­her stimmt man­che nun, dass sie nicht mehr in die „Spiel­höl­le“ müssen.

Das Büro als Spielhölle

The­ra­peu­ten erzäh­len mir davon, wie erleich­tert manch einer ist, zu Hau­se blei­ben zu kön­nen. Ich lese es auch in Social Posts. Für vie­le ist Home Office nicht ein­fach bequem, son­dern wie eine Erlö­sung. „End­lich muss ich mich all den inne­ren und äuße­ren Kon­flik­ten nicht mehr stel­len“, so drückt es nie­mand aus, doch teil­wei­se ist es genau so. „Ich bin froh, dass ich nicht mehr ins Büro muss“, lau­tet die offi­zi­el­le Aus­sa­ge. Mar­tin Wer­les eins­ti­ger Best­sel­ler „Ich arbei­te in einem Irren­haus“ ist da Pro­gramm — er mein­te damit das “Irren­haus” Büro.

Ent­wick­lung ist Perspektivenerweiterung

Aber: Wenn man Ent­wick­lung ver­steht, ver­steht man auch, dass die­se über Per­spek­ti­ve­n­er­wei­te­rung läuft. Wei­ter­hin ver­steht man, dass Bin­dung an Unter­neh­men die Bin­dung an die Men­schen im Unter­neh­men ist, auch wenn man die­se für unan­ge­nehm, ner­vig, gar toxisch hält. “Erlern­te Hilf­lo­sig­keit”, also die Unfä­hig­keit, sich aus krank­ma­chen­den Umge­bun­gen zu lösen, ist für HR auch eine Bin­dungs­mög­lich­keit, was ungern aus­ge­spro­chen wird, wie­wohl fast jedem klar ist.

Man braucht vor allem die, die sich auch des­halb rein­hän­gen, weil sie nicht aus­rei­chend gelernt haben, sich  abzu­gren­zen. Aber auch die völ­lig Pro­blem­lo­sen, die weder sozi­al­pho­bi­sche Anflü­ge noch „Schat­ten“ haben (um einen Jung­schen Begriff für abge­spal­te­ne Antei­le zu ver­wen­den) sind im Home Office weni­ger erreich­bar. Das ist wie mit dem Gelieb­ten, den man nicht oft genug sieht. Irgend­wann ver­gisst man auch sei­ne größ­te Liebe.

(Un-)Geregelter Rück­zug, der auf wenig Gegen­lie­be stößt

Das ist ein Rie­sen­pro­blem für Unter­neh­men, die jetzt zum oft weni­ger gere­gel­ten Rück­zug auf­ru­fen und selbst rat­los sind. Denn ein­fach ist eine ein­deu­ti­ge Ansa­ge wie “alle ins Home Office”. Schwie­rig ist jed­we­de Dif­fe­ren­zie­rung, zumal und auch in der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Sol­len sie es anord­nen? Set­zen sie auf Frei­wil­lig­keit? Schon häu­fen sich Kla­gen: Zu gefähr­lich sei es da in der Schu­le, der Ver­wal­tung, im Büro. Man sei ja Risi­ko­pa­ti­ent. Okay, aber hat eine Fir­ma Risi­ko­fak­to­ren zu ver­ant­wor­ten? Man­che, wie Über­ge­wicht etwa, sind oft – sicher nicht immer – haus­ge­macht. Und über­haupt: Las­sen sich alle Lebens­ri­si­ken ver­mei­den? Und ist das Job des Arbeit­ge­bers in einer kapi­ta­lis­ti­schen Welt?

Abstands­hal­ter beein­flus­sen auch die Psyche

Ist ein Unter­neh­men auch wie ein Erzie­hungs­be­rech­tig­ter befugt in die Pri­vat­phä­re ein­zu­grei­fen? Wenn Abstands­hal­ter vor­ge­schrie­ben sind, die pie­pen, sobald Nähe ent­steht, ist das dann Gesund­heits­vor­sor­ge oder schlicht über­grif­fig? Wel­che Ein­fluss haben sol­che Instru­men­te auf die Psyche?

Das ist nicht unter­sucht, aber mei­ne Hypo­the­se ist, dass die psy­chi­schen Erkran­kun­gen damit stei­gen – und auch die so wich­ti­ge Kon­flikt­fä­hig­keit sinkt. Denn das größ­te Bin­de­glied, die Nähe, auch Kör­per­nä­he, fällt weg.

Es gibt neben den Abstands­pie­per, die läu­ten, wenn man näher als zwei Meter kommt, der­zeit vie­le Über­schrei­tun­gen auto­no­mer per­sön­li­cher Grenz­ge­bie­te, die gera­de Groß­un­ter­neh­men vor­neh­men. Darf ein Unter­neh­men etwa Urlaubs­rei­sen in Risi­ko­ge­bie­te sank­tio­nie­ren? Oder über­haupt Urlaub?

Sor­ry, es gibt kei­ne all­ge­mein­gül­ti­gen Antworten

Vie­le Fra­gen, es gibt kei­ne all­ge­mein­gül­ti­gen Ant­wor­ten. Wir erle­ben der­zeit eine gro­ße Ver­un­si­che­rung, vor allem auch bei den Füh­rungs­kräf­ten, die den Weg zurück ins Büro ebnen müs­sen. Für sie ist es wich­tig abzu­wä­gen, damit sie die Ori­en­tie­rung geben kön­nen, die Mit­ar­bei­te­rin­nen brauchen.

Es ist nicht ein­deu­tig, ob Home Office oder Büro die Lösung ist. Es hängt sehr davon ab, was es für eine Arbeit ist, wie die Men­schen sind, wel­che sons­ti­gen sozia­len Kon­tak­te sie haben… Kom­plex, also vor­wärts betrach­tet nicht ana­ly­sier­bar. Und auch nicht zu verallgemeinern.

Füh­rung muss jetzt klar sein

Denn bei aller Kom­ple­xi­tät: Die Füh­rung muss jetzt viel kla­rer sein. Sie muss Rich­tung geben. Ser­vant Lea­der­ship wird hier nicht funk­tio­nie­ren. Viel­leicht hel­fen eini­ge Abschluss­fra­gen, die Sie sich stel­len könn­ten, um Klar­heit zu gewinnen:

  • Wie­so haben Ihre Mit­ar­bei­te­rIn­nen die­sen Job oder Beruf gewählt? Waren sie inhalt­lich begeis­ter­te Nerds oder doch eher Men­schen, die ande­re Men­schen brau­chen? Mei­ne The­se: Je weni­ger „nerdig“, des­to wahr­schein­li­cher, dass Home Office nicht die ein­zi­ge Wahl ist.
  • Wie stark ist die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit The­ma, Unter­neh­mens­in­halt oder Füh­rung? Mei­ne The­se: Je mehr Men­schen sich mit einem The­ma iden­ti­fi­zie­ren, des­to weni­ger wich­tig sind am Ende, also bei Job­ent­schei­dun­gen, das Unter­neh­men oder die Per­so­nen in der Füh­rung. Im Home Office trägt das The­ma und mit Ein­schrän­kun­gen auch die Füh­rungs­per­so­nen. Das Unter­neh­men selbst jedoch schwin­det nach und nach aus dem Bewusstsein…
  • Wie team­er­fah­ren und kon­fliktreif sind die Mit­ar­bei­te­rin­nen? Je stär­ker die Bin­dung an Kol­le­gen, des­to unwich­ti­ger ist es, ob man online oder off­line kom­mu­ni­ziert. Mei­ne The­se: Bei hoher Team­bin­dung und Team­rei­fe — die sich in ers­ter Linie an Kon­flikt­fä­hig­keit zeigt — fin­den sich Wege immer und überall.
  • Wie stark ist die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Erfol­gen vor Ort, beim Kun­den, bei den ande­ren Kol­le­gen. Defi­nie­ren sich Men­schen dar­über? Sind sie sozi­al ein­ge­bun­den und ist die Fir­ma auch Hei­mat? Mei­ne The­se: Je wich­ti­ger die Vor-Ort-Bin­­dung, aus wel­chen Grün­den auch immer, des­to schlech­ter Home Office. Ich könn­te mir auch vor­stel­len, dass das auch ganz beson­ders für nar­ziss­tisch gepräg­te Men­schen gilt, also sol­che die sich sehr stark über ande­re „auf­la­den“, was nicht nega­tiv sein muss und durch­aus ein Pro­duk­ti­vi­täts­fak­tor sein kann…

Zu die­sem The­ma “Unser Weg ins Home Office”.

Foto: Pixels.com

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