Was sind sys­te­mi­sche Kon­zep­te der Unternehmenskultur?

Buch­re­zen­si­on Chris­ti­na Gru­ben­dor­fer (Carl-Auer-Ver­lag 2016)

Wie ver­än­dert man Unter­neh­men, führt einen Kul­tur­wan­del durch? Sie den­ken, for­ma­le Regeln zu ver­än­dern, das rei­che aus? Wenn Sie ein­mal als Bera­ter oder Team­ent­wick­ler erlebt haben, wie mäch­tig Unter­neh­mens­kul­tur ist, dann soll­ten sie das nicht mehr glau­ben… Ein klei­nes Büch­lein hilft dabei, zu ver­ste­hen, wann und wie Ver­än­de­rung mög­lich ist.

War­um Unter­neh­mens­kul­tur ein­fach nur “da” ist

Unter­neh­mens­kul­tur ist ein­fach da. Sie ist irgend­wie ent­stan­den, exis­tiert und erhält sich selbst – allen Regeln und Ver­ord­nun­gen zum Trotz. Volks­wa­gen ist nur ein Bei­spiel von vie­len. „Betrü­ge den Kun­den“, stand sicher nir­gend­wo geschrie­ben. Eben­so wenig wie „erlaubt ist alles, was hilft das Ziel zu errei­chen.“ Und den­noch gal­ten genau sol­che Maxi­men, deren Wir­kung sich erst in der Inter­ak­ti­on ent­fal­te­te. Unter­neh­mens­kul­tur ist die Art wie man sich ver­hält, aber auch wie man sich klei­det, der Blick, mit dem man Erfolg bewer­tet (z.B. als Ziel­er­rei­chung, indi­vi­dua­lis­ti­sche Durch­set­zung, koope­ra­ti­ve Gemein­schafts­leis­tung) oder auch sein per­sön­li­ches Enga­ge­ment (8 oder 12-Stun­­den-Tageß) steu­ert. Eigent­lich ist Unter­neh­mens­kul­tur Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur, doch schon der Begriff „Orga­ni­sa­ti­on“ führt zu Ver­dau­ungs­pro­ble­men beim Lai­en. Ist das gemei­ne Ver­ständ­nis von “Orga­ni­sa­ti­on” doch ein ande­res als das sys­te­mi­sche. Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­ter ist des­halb ein viel­fach miss­ver­stan­de­ner Beruf. Des­halb wird hier der Begriff Unter­neh­mens­kul­tur ver­wen­det; er ist weni­ger miss­ver­ständ­lich. So argu­men­tiert Chris­ti­na Gru­ben­dör­fer, Autorin von “Sys­te­mi­sche Kon­zep­te der Unter­neh­mens­kul­tur”, kürz­lich erschie­nen im Carl-Auer-Verlag.

Sys­te­mi­sche Kon­zep­te = schwer verdaulich?

Orga­ni­sa­ti­on, Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung, Auto­poie­se.… Sys­te­mi­sche Kon­zep­te sind auf­grund zahl­rei­cher Fach­be­grif­fe oft schwer ver­dau­li­che Kost; zudem sehr abs­trakt und für Pra­xis­ler­ner eher schwer fass­bar. Niklas Luh­mann ist sicher kei­ne Gute-Nacht-Bet­t­­lek­­tü­­re. Als Pri­mär­quel­le dürf­te er sel­ten kon­su­miert sein, außer von Sozio­­lo­­gie-Stu­­den­­ten. So bleibt die brei­te Mas­se Rezi­pi­ent auf Zita­te­ebe­nen. Auch ich habe eini­ge sys­te­mi­sche Grund­la­gen­bü­cher in mei­nem Regal ste­hen und, zuge­ge­ben, das meis­te nur ange­le­sen. Neben Fritz Simon ist es in mei­nen Augen kaum jemand gelun­gen, die­se Theo­rie fass­bar, ver­ständ­lich und vor allem prak­tisch nutz­bar zu machen. So hat sich “sys­te­misch” als ein Begriff für alles und jedes eta­bliert und weit vom “sys­tem­theo­re­tisch” ent­fernt — über das sys­tem­ti­sche Wort­un­ge­heu­er habe ich bereits vor eini­gen Jah­ren hier geschrieben.

Ent­schei­dungs­prä­mis­sen sind ent­scheid­bar und unentscheidbar

Pra­xis­bei­spie­le füh­ren nah an die rea­le Arbeits­welt her­an, etwa die Welt der Vor­stands­vor­la­gen, die zusam­men mit Pro­gram­men, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­gen und Per­so­nen die so wich­ti­gen Ent­schei­dungs­prä­mis­sen bil­den. Es sind so genann­te ent­scheid­ba­re Ent­schei­dungs­prä­mis­sen – im Unter­schied zu unent­scheid­ba­ren, die letzt­end­lich die Kul­tur bil­den. Und so haben wir dann auch eine sys­te­mi­sche Defi­ni­ti­on der Unter­neh­mens­kul­tur: Es sind unent­scheid­ba­re Ent­schei­dungs­prä­mis­sen. Die Defi­ni­ti­on wird prak­tisch ori­en­tier­te Men­schen ver­grau­len, die Arte­fak­te von Schein sind dann doch greif­ba­rer (hier zum Kul­tur­wan­del nach Schein), aber gut: Was hier vor­liegt ist ein kom­pak­tes Lehr­buch und kein Rat­ge­ber. Doch auch die Sys­te­mi­ker beherr­schen nicht nur abs­trak­te, son­dern auch bild­li­che Spra­che: Gru­ben­dör­fer erin­nert z.B. auch dar­an, dass Luh­mann Kul­tur als “Gedächt­nis der Gesell­schaft” bezeichnet.

Wer­te sind nicht zu beob­ach­ten, aber sie leben

So wie per­sön­li­che Eigen­schaf­ten las­sen sich auch Wer­te nicht beob­ach­ten. Sie bestim­men jedoch die Hand­lungs­lo­gi­ken (das ist jetzt mein Begriff) und die Wahr­neh­mung von rich­tig und falsch, pas­send und unpas­send. So las­sen sich Wer­te nur in den Inter­ak­tio­nen erken­nen. Sie zei­gen sich dar­an, wie ein Unter­neh­men auf Ver­än­de­rung reagiert. Wer­te lie­ßen sich auch nicht ein­fach so fest­le­gen, etwa in Leit­bil­dern, mahnt Gru­ben­dör­fer. Es lässt sich nicht dar­über ent­schei­den, wel­che Wer­te in Unter­neh­men hat — es hat sie ein­fach. Also Schluss mit der gan­zen Leitbild-Zauberei?

Stell­schrau­ben des Beraters

Die Stell­schrau­ben des Bera­ters sind die ent­scheid­ba­ren Ent­schei­dungs­prä­mis­sen. Er kann sich fragen:
- Wird in der Inter­ak­ti­on etwas getan, was bes­ser unter­las­sen wer­den sollte?
— Oder wird etwas nicht getan, was bes­ser getan wer­den sollte?
Im Metho­den­kof­fer das sys­te­mi­schen Bera­ters liegt auch die Fähig­keit zur Mus­ter­er­ken­nung: Gibt es Har­mo­nie­mus­ter, Split­ting­mus­ter, Cha­os­mus­ter? Und wie las­sen sich die­se Mus­ter genau­er beschrei­ben? Danach kann der Bera­ter nur eins tun: Über Ban­de spie­len. Durch Ver­än­de­rung der For­mal­struk­tur, also Ein­fluss­nah­me auf ent­scheid­ba­ren Ent­schei­dungs­prä­mis­sen, kann er gestalten.

Fazit:

Chris­ti­na Gru­ben­dor­fer gelingt in “Sys­te­mi­sche Kon­zep­te der Unter­neh­mens­kul­tur”, erschie­nen im Carl Auer-Ver­­lag, eine Umwand­lung schwer ver­dau­li­cher Abs­trak­tio­nen in leicht kon­su­mier­ba­re, teil­wei­se sogar prak­tisch ver­wert­ba­re Kost. Sie lie­fert eine ange­nehm gut leser­li­che Reduk­ti­on von sys­te­mi­scher Kom­ple­xi­tät. Gru­ben­dor­fer zeigt sich kennt­nis­reich. Nur so ist es mög­lich, die ver­schie­de­nen Ansät­ze sys­te­mi­scher Autoren der­art behend über­ein­an­der zu legen und Gemein­sam­kei­ten her­aus­zu­fil­tern, aber auch eini­ge Unge­reimt­hei­ten auf­zu­de­cken, die bei sys­te­mi­schen Autoren auftauchen.
Das Buch bekommt von mir, Sven­ja, 4,5 Ster­ne von 5. Den Punk­te­ab­zug kann ich mir nicht ver­knei­fen. Er ist für das unin­spi­rier­te, pas­si­ve Vor­wort, das so gar nicht zum Wei­ter­le­sen einlädt.

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2 Comments 

  1. Chris­ti­na Grubendorfer 27. Okto­ber 2016 at 7:37 — Reply

    Lie­be Frau Hofert,

    ich gelo­be Bes­se­rung beim nächs­ten Vorwort 🙂

    Wären Sie noch so freund­lich, das Ö in mei­nem Namen in ein O zu ver­wan­deln? Dann freue ich mich sogar noch mehr über Ihre wun­der­ba­re Rezension.

    Herz­lichst
    Chris­ti­na Grubendorfer

    • Sven­ja Hofert 27. Okto­ber 2016 at 8:41 — Reply

      Lie­be Frau Gru­ben­dor­fer, ö eli­mi­niert und gegen ein o getauscht. Alles erwischt? LG SH

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