5 Prinzipien für agile Führungskräfteentwicklung und agiles Lernen

Wie sieht Führungskräfteentwicklung in agilen Unternehmen aus? Und gibt es sie etwas wie agile Führungskräfteentwicklung, also eine Führungskräfteentwicklung, die sich agiler Ansätze bedient? Ja! In diesem Beitrag zeigen wir, was möglich ist und worauf Sie achten sollten
Wenn wir in Unternehmen schauen, wird unter Führungskräfteentwicklung normalerweise ein Training oder eine Trainingsreihe verstanden, in der Kompetenzen vermittelt werden (sollen). Nach dem Training oder der Trainingsreihe geht die Führungskraft zurück in ihr gewohntes Umfeld und macht (meist) alles wieder wie zuvor. In unserer Definition ist Führungskräfteentwicklung mehr. Sie bedeutet, Führungskräfte für agil/er) arbeitende Unternehmen fit zu machen und sich dabei auch agiler Ansätze zu bedienen. Wir haben 5 Prinzipien formuliert. Dabei ist zu bedenken, dass Führung nicht mehr formal an Funktion oder Position gebunden sein muss. In manchen Unternehmen muss jeder Führung übernehmen können.
5 Prinzipien für agile Führungskräfteentwicklung:
Warum Prinzipien? Ein Prinzip leitet sich aus einem Wert ab, der auf einer Grundannahme basiert. Grundannahmen sind nach Edgar E. Scheins unbewusste Annahmen über das Wahre und Richtige. Werden Sie bewusst, gehen sie in die gelebte Unternehmenskultur ein, also die Ebene der Werte. In der Reflexion über Grundannahmen liegt das Potenzial zur bewussten Gestaltung der Unternehmenskultur mit aus Werten abgeleiteten Prinzipien. Ein Prinzip ist keine Regel und kann etwas ausschließen. Wenn die Personalentwicklung sich also entschließt, Führungskräfte nach dem Prinzip Reflexivität zu fördern, gibt das keine Regeln vor, schließt aber das klassische Training im Frontalstil aus. Prinzipien sind agil und helfen Unternehmen und Personalabteilungen einen offenen und zugleich klaren Rahmen zu gestalten.
1. Wir fördern Formate, die Reflexivität fördern
Was gute Führung ausmacht ist empirisch untersucht: Eine gute Führungskraft hat Charakter, ist u.a. ehrlich, integer und entwickelt sich selbst weiter. Dies ist jedenfalls ein Ergebnis der Kompetenzforscher John H. Zenger und Joseph R. Folkman, das auf der Auswertung von einer Million Feedbacks zu 50.000 Führungskräften weltweit beruht (mehr Info).
Wenn die Führungskraft im agilen Kontext ohne Positions- und Funktionsmacht operiert – und „nur“ aus einer Rolle Moderator, Coach und/ oder Sparringspartner heraus -, sind solche Regeln natürlich immer noch gültig. Es besteht auch die Hoffnung, dass sich gute Führungskräfte so leichter etablieren. Schließlich haben Funktion und Position viele menschliche Schwächen kompensiert.
Menschen mit Charakter sind immer solche, die auch viel über sich reflektieren und sich beständig weiterentwickeln. Die Bereitschaft zu tiefer Reflexion ist also die Basis für Führungskräfteentwicklung. Formate die die Reflexion fördern, sind offen und darauf ausgerichtet, Annahmen in Frage zu stellen und sich Anregungen von außen zu holen. Das können Learning Journeys sein, aber auch Jobtausch. Gruppenformate und Coaching gehen Hand in Hand. Ganz entscheidend sind die extern eingekauften oder intern eingesetzten Trainer und Coachs. Diese müssen in ihrer Ich-Entwicklung so weit sein, solche Prozesse unterstützen zu können. Sie müssen im Zweifel also etwas weiter denken und mehr Aspekte sehen können als die Führungskraft.
Übrigens: Eine wichtige statistische Erkenntnis aus diesen Untersuchungen war, dass der Unterschied zwischen Top-Führungskräften und guten Führungskräften genauso groß ist wie zwischen guten und schlechten. Es spricht also einiges dafür, Spitzenleute besser zu machen, also an Stärken zu arbeiten.
2. Wir fördern das Lernen und die Anbindung an die Praxis
Was nützt das schönste Training, wenn die Lerneffekte im Alltag verpuffen? Wenn beispielsweise “Scrum” gelernt wird, aber im Unternehmen nicht in der gelernten Form angewendet werden kann, weil die Führungsebene das blockiert. Diese Gefahr besteht grundsätzlich ganz besonders bei Katalogtrainings.
Der Transfer muss gesichert, die Anbindung an den Arbeitsalltag immer mitgedacht sein. Action Learning und Training on the Job sind zwar keine neuen Konzepte, dennoch werden sie noch wenig genutzt – möglicherweise weil sie aufwändiger zu implementieren sind und ein Denken und Handeln über den Tellerrand des eigenen Bereichs erfordern. Dies ist auf eine Frage der Positionierung von Personalentwicklung als Partner und Berater — oder Analysator und Implementator. Agil wäre die Variante als Partner und, vielleicht auch Lernbegleiter oder Beseitigt von “Lernhindernissen”. Denn: Lernen gehört nicht zum Berufsalltag, viele Menschen haben keine Lernkultur. Das ist eine Riesenbaustelle. Gerade Menschen, die im traditionellen Bildungssystem und Unternehmen großgeworden sind, sind gar nicht gewohnt ihr Lernen selbst zu steuern. Das wäre eine Zukunftsaufgabe für Personaler, die für ein agiles Zeitalter passend ist.
3. Wir nutzen Selbstorganisation in einem Framework
Im Zusammenhang mit Agilität kommt schnell die Frage auf, ob nicht auch das Lernen selbstorganisiert sein kann. Tatsächlich gibt es immer mehr Konzepte dazu. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie neben der Selbstorganisation auch den Netzwerkgedanken zugrunde legen und auf die “Intelligenz der Vielen” setzen. Eines der bekanntesten Konzepte ist das Working out louds (WOL) nach John Stepper. WOL bietet eine offene Struktur (Framework), die einen Kreis (Circle) bilden. Es startet mit dem Warum – warum will ich lernen? Anschließend stellen sich Fragen wie „Was versuche ich, zu erreichen?“ und „Wer könnte mit meinem Ziel irgendwie in Verbindung stehen?“ Dabei verlassen die Lernenden den Kontext des Unternehmens. Sie vernetzen sich mit Experten im Thema, es kommen hochwertige Beziehungen zustande, die einen Wissenstransfer ermöglichen. Mehr Info hier im Video mit John Stepper.
Selbstorganisiertes Lernen ist eine tolle Idee für alle, die eine hohe Reflexivität haben. In traditionellen Unternehmen gibt es jedoch eine Menge Mitarbeiter auf Führungsebene, die sich selbst als „fertig“ betrachten. Unserer Erfahrung nach müssen diese erst mal überhaupt für ihre eigene Veränderung und den Gedanken sich auch selbst als Prozess zu sehen und nich als Fertigprodukt sensibilisiert werden.
4. Wir verlassen das gewohnte Umfeld
Die meisten Anregungen erhalten Mitarbeiter, wenn sie ihr gewohntes Umfeld verlassen. Die Innovationstätigkeit in Teams korreliert statistisch am meisten mit Anregung von außen. Learning Journeys sind jedoch nicht das einzige.
Ein modernes Lernformat sind die Communities of Practice. Das ist eine von Etienne Wenger geprägte organisationale Lernform, bei der Mitglieder der Organisation selbstorganisiert eines Themas annehmen und sich dieses gemeinsam erschließen. Dieses Lernen wird moderiert und reflektiert. Formelle und informelle Lernformen fließen zusammen. Dabei können auch externe Partner eingebunden werden.
Hackathons – eine Zusammensetzung aus „Hacking“ und „Marathon“ — etwa haben längst die IT-Nische verlassen. In 24 bis 48 Stunden finden Menschen Lösung für ein Problem in entspannter Athmosphäre. Ein FedEx-Day ist ein 24-stündiges Event-Format, unterbrochen durch Nachtruhe, in dem die Teilnehmer — etwa Führungskräfte oder Fachexperten — an einem bestimmten Thema wie der Unternehmensvision, Strategie oder an Innovationen arbeiten. Diese Arbeit ist ungestört, fern von der regulären Arbeit und konzentriert auf die jeweilige Fragestellung.
Brown bag meetings leiten sich von den braunen Speisetüten amerikanischer Studenten ab. Es sind Veranstaltungen die während der Mittagszeit stattfinden. Hier werden z.B. Forschungsprojekte oder Schwerpunktthemen vorgestellt. Sie können z.B. ein Puzzleteil eines Thinktanks sein, der sich einem Thema annimmt, etwa Agilität.
5. Wir fördern Entwicklung und Lernen
Die Unterscheidung von Lernen und Entwicklung ist ein sehr zentraler, aber selten beachteter Punkt in einem Personalentwicklungsansatz. Lernen bedeutet etwas mit dem vorhandenen Denk- und Handlungsschema aufzunehmen. Wer lernt, assimiliert neue Informationen und stellt sie zu den vorhandene. Bei einer Excelschulung reicht Assimilieren völlig aus. Geht es aber darum, die Denk- und Handlungslogik zu verändern – was bei Führungskräfteentwicklung der Fall ist – braucht es „Double Loops“. Das heißt, wir müssen uns auch unbewusste Grundannahmen in Frage stellen. Das ist dann Akkommodation. Diese braucht immer einen längeren Prozess und verschiedene Bausteine.
Buchempfehlung “Agiles Lernen”

Agiles Lernen
Zum Thema passt „Agiles Lernen“ aus dem Haufe-Verlag (erschienen 2017). Dieses Buch ist ein guter Rundumschlag für alle, die mit Didaktik und Personalentwicklung betraut sind. Die Autoren Nele Graf, Denise Gramß und Frank Edeltraut beschreiben detailliert und kenntnisreich, wie sich im Zuge des veränderten Lernens auch die Rolle der Personalentwicklung wandelt. In ihrem Bild konzeptioniert die Personalentwicklung in Zukunft keine Inhalte mehr, sondern versteht sich als Berater und Lernbegleiter. Das ist ein ähnlicher Wandel wie jeder, der sich auch in anderen Zentralbereichen von Unternehmen beobachten lässt. Es werden viele Ansätze und Modelle sowie Studienergebnisse vorgestellt.
Was die Autoren nicht thematisieren, ist der mit agilem Lernen verbundene Wandel und die Ausdifferenzierung des Führungsverständnisses in Verbindung mit verschiedenen Führungsrollen. Führung scheint in ihren Augen ein einheitliches Konstrukt zu sein, Der “agile” Gedanke, dass jeder Mitarbeiter auch führen kann, ist nicht aufgegriffen.
Pro und Contra des Konzepts selbstorganisierten Lernens hätten wir auch gern kritischer beleuchtet gesehen. Die Autoren gehen wie in der „nicht-agilen“ Literatur davon aus, dass sich Kompetenzen nachschulen lassen, differenzieren dabei auch nicht zwischen Lernen und Entwicklung. Generell findet wenig kritische Auseinandersetzung statt. Der Schreibstil ist traditionell, die Skizzen hätten von einer grafischen Überarbeitung sicher profitiert.
Alles in allem bietet das Buch jedoch einen guten Überblick über moderne Lernformate. Dass man diese wieder einmal „agil“ nennt, ist fraglos der Zugkraft des Wortes geschuldet.
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