50 typi­sche Feh­ler bei der Ein­füh­rung von mehr Agi­li­tät, agi­ler Füh­rung und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on in Unternehmen

Hil­fe — wir wol­len oder viel­mehr sol­len agi­ler wer­den. Wir ken­nen inzwi­schen eini­ge Unter­neh­men, in denen sich die Mit­ar­bei­ter „ducken“, wenn sie das hören. Aber einer muss ja mal anfan­gen – und die­se Per­son ist idea­ler­wei­se über­haupt gar kei­ne Per­son, son­dern eine Per­so­nen­grup­pe. Die­sen Arti­kel schrei­be ich, weil mir die Fra­ge nach typi­schen Feh­lern in mei­nem Semi­nar „Agi­ler Füh­ren“ öfter begeg­net ist.

Feh­ler sind wich­tig, manch­mal müs­sen sie sein, da sie tie­fes Ler­nen, Tri­al and Error und damit Inno­va­ti­on erst mög­lich machen. Feh­ler ist aber nicht gleich Feh­ler. Eini­ge wären­ver­meid­bar. Wel­che Feh­ler machen Unter­neh­men, die Agi­li­tät ein­füh­ren? Unse­re „Feh­ler­lis­te“ –  Worst Prac­ti­ce —  betrach­te ich als offe­ne Lis­te. Wir freu­en uns über Ergän­zun­gen! Team­works ist spe­zia­li­siert auf die Bera­tung von Unter­neh­men zu zeit­ge­mä­ßen Füh­rungs­fra­gen und die Aus­bil­dung von Füh­rungs­kräf­ten und Team­ent­wick­ler bzw. Team­coachs. So ist die fol­gen­de Lis­te zu ver­ste­hen. Unse­re Erfah­rung bezieht sich weni­ger auf die Ein­füh­rung von Scrum oder ande­ren Frame­works in der IT, son­dern vor allem auf den orga­ni­sa­tio­na­len Rah­men, Füh­rung und Team bzw. Abteilung.

Fokus­the­ma: Ver­ständ­nis von Agilität

  1. Es gibt kein gemein­sa­mes Agi­li­täts­ver­ständ­nis. Jeder meint etwas Ande­res. Der eine ver­steht Agi­li­tät als Phi­lo­so­phie, der nächs­te als Manage­ment­me­tho­de und ein drit­ter als Projektmanagementtool.
  2. Es wird nicht zwi­schen den „agi­len“ Ebe­nen unter­schie­den: Unter­neh­mens­steue­rung, Manage­ment, Per­so­nal­füh­rung und Projektmanagement.
  3. Die Begrif­fe wer­den bewusst schwam­mig gehal­ten und bekom­men dadurch den Cha­rak­ter eines Glaubensbekenntnisses.
  4. Auch die ande­ren Begrif­fe sind unklar, etwa was Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on ist oder wie Füh­rung ver­stan­den wird.
  5. Der Begriff Agi­li­tät ist sta­tisch und wird nicht (wei­ter) entwickelt.
  6. Agi­li­tät wird als Hei­lig­tum ver­klärt, das nie­mand hin­ter­fra­gen darf.
  7. Es gibt kein Zukunfts­bild von dyna­mi­scher Agilität.
  8. Agi­li­tät wird als Ziel­lo­sig­keit missverstanden.
  9. Agi­li­tät wird mit unsin­ni­gen KPIs gemessen.
  10. Das Bild ist vage und bezieht nur bestimm­te Unter­neh­mens­teil­be­rei­che ein. Berei­che wie Finan­ce, Recht etc. wer­den aus­ge­klam­mert, Schnitt­stel­len übersehen.
  11. Die Geschäfts­füh­rung klam­mert sich aus. Sie macht die Vor­ga­ben, arbei­tet aber nicht an eige­ner Agilität.
  12. Die Kon­zep­te sind nicht voll­stän­dig ver­stan­den. Stel­len­be­schrei­bun­gen wer­den z.B. jetzt ein­fach Rol­len genannt.

Fokus­the­ma: Das Unter­neh­men ist nicht reif für Agilität

  1. Es fehlt die Visi­on (und zwar die geleb­te, nicht nur die auf Papier).
  2. Es feh­len Ziele.
  3. Es fehlt an Füh­rung (es ist also die Rich­tung der Bewe­gung unklar).
  4. Es fehlt an Klar­heit, bei Kon­flik­ten wird nicht interveniert.
  5. Die Geschäfts­füh­rung spricht nicht eine Sprache.
  6. Der Inha­ber und die Geschäfts­füh­rung sind nicht einer Mei­nung. Die Beleg­schaft ist nicht ein­ge­bun­den, Füh­rung von unten (durch Ideen der Mit­ar­bei­ter) kul­tu­rell gar nicht denkbar.
  7. Es gibt kei­ne Feedbackkultur.
  8. Es gibt kei­ne Fehlerkultur.
  9. Den Mit­ar­bei­tern fehlt es an Kön­nen und Wissen.
  10. Die Mit­ar­bei­ter kön­nen sich nicht selbst führen.
  11. Die Teams sind dysfunktional.
  12. Die Mit­ar­bei­ter sind weit über­wie­gend nicht intrin­sisch moti­viert. (Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on ver­langt intrin­si­sche Motivation).
  13. Die kom­mu­ni­ka­ti­ven Kom­pe­ten­zen und Kennt­nis­se der Mit­ar­bei­ter ent­spre­chen nicht den Her­aus­for­de­run­gen der Selbstorganisation.

Fokus­the­ma: Feh­ler in der Umsetzung

  1. Agi­li­tät wird als All­heil­mit­tel betrach­tet. Es wird gar nicht hin­ter­fragt, ob man sie braucht oder wozu eigentlich.
  2. Man hält Insel­lö­sun­gen für mög­lich, ohne die Schnitt­stel­len zu beach­ten (Recht, Finan­ce, Ein­kauf etc.)
  3. Die Schnitt­stel­len wer­den unzu­rei­chend bedacht und nicht/wenig eingebunden.
  4. Es wird ein Ziel­zu­stand aus­ge­ru­fen, aber der Pro­zess nicht gesehen.
  5. Es wird Agi­li­tät „ein­ge­führt“, aber ohne Kulturwandel.
  6. Es soll „flä­chen­de­ckend“ ein­ge­führt wer­den, aber nicht von der Ebe­ne der Unter­ne­he­men­s­steue­rung à la Zet­sche, son­dern aus dem Pro­jekt­ma­nage­ment oder ande­ren Abteilungen.
  7. Agi­li­tät wird ein­fach „ein­ge­han­gen“ in bestehen­de Strukturen,
  8. Die geleb­ten Wer­te wider­spre­chen den ausgerufenen.
  9. Es gibt kei­ne Prin­zi­pi­en und kon­kre­ten Ver­an­ke­run­gen, nur Wer­te als „Wort­hül­sen“.
  10. Es fin­det kei­ne Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on über die Ver­än­de­rung statt.
  11. Kom­mu­ni­ka­ti­on wird als Mar­ke­ting im 1980-Style miss­ver­stan­den, d.h. sie ist schöngefärbt/abgestimmt und nicht authentisch.
  12. (Neue) Ent­schei­dungs­prä­mis­sen wer­den nicht transparent.
  13. (Neue) Ent­schei­dungs­prä­mis­sen wer­den in der Pra­xis unterlaufen.
  14. Nie­mand weiß genau, was „da oben“ pas­siert und was die wirk­lich wollen.
  15. Es wird nicht über para­do­xe Anfor­de­run­gen und Situa­tio­nen gesprochen.
  16. Nur eine Per­son wird mit dem The­ma betraut. … damit man im Zwei­fel einen Schul­di­gen findet.
  17. Kern­ele­men­te von Agi­li­tät wer­den ein­fach weg­ge­las­sen, zum Bei­spiel schmeißt man Retro­spek­ti­ven raus.
  18. Kern­ele­men­te wer­den nicht pro­fes­sio­nell aus­ge­übt, der durch­füh­ren­de Mode­ra­tor hat z.B. kei­ne (wirk­li­che) Moderationskompetenz.
  19. Die Phi­lo­so­phie hin­ter der Agi­li­tät wird fehl­in­ter­pre­tiert, z.B. hält sich ein Scrum Mas­ter skla­visch an Regelwerke.
  20. Die Regeln wer­den nicht ans Unter­neh­men angepasst.
  21. Der Bera­ter soll Teil­be­rei­che „bear­bei­ten“, ohne in den gesam­ten Pro­zess ein­ge­bun­den zu werden.
  22. Man betraut Leu­te mit Bera­tung, die Teil des alten Sys­tems waren.
  23. Man sucht sich die 2. oder 3. Liga.
  24. Man sucht Men­schen mit Metho­den­er­fah­rung, aber nicht sol­che, die sich von Metho­den lösen kön­nen (was durch­aus die grö­ße­re Kunst ist).
  25. Beim gerings­ten Wider­stand wird zurückgerudert.

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4 Comments 

  1. Doris E. Kröll 16. Sep­tem­ber 2017 at 9:17 — Reply

    Vie­len Dank für die­se sehr inter­es­san­ten 50 Feh­ler! Ich erlau­be mir noch eine per­sön­li­che Erfah­rung hin­zu­zu­fü­gen: Ein wei­te­rer Feh­ler ist aus mei­ner Sicht, wenn sich die Mit­ar­bei­ter nicht dem­entspre­chend selbst wei­ter ent­wick­len. Mit Mit­ar­bei­tern, die nicht kon­flikt­fä­hig sind, die even­tu­ell den Selbst­wert im Außen suchen und ihre Arbeits­wei­se als ‘uner­setz­bar’ gilt, wird die Ein­füh­rung der Agi­li­tät nicht oder nur schwie­rig funktionieren.

    • Sven­ja Hofert 16. Sep­tem­ber 2017 at 11:02 — Reply

      Dan­ke­schön. Sie haben Recht. Für mich ist das ein Aspekt von Rei­fe und Mind­set, der oft über­se­hen wird. bes­te Grüße!

      • Sven­ja Hofert 20. Sep­tem­ber 2017 at 14:54 — Reply

        Dan­ke!

  2. Alex­an­der Schaaf 20. Sep­tem­ber 2017 at 13:25 — Reply

    Groß­ar­tig — vol­le Zustimmung!
    Wobei man viel­leicht fai­rer­wei­se noch erwäh­nen soll­te, daß jeder ein­zel­ne der hier auf­ge­führ­ten The­men Bestand­teil eines Ver­än­de­rungs­pro­zes­ses und einer Ent­wick­lung die indi­vi­du­ell für jedes Unter­neh­men anders aussieht.
    Der Rei­fe­grad der Orga­ni­sa­ti­on ist hier ent­schei­dend aber auch Bran­che und die geleb­te bis­he­ri­ge Kul­tur sind zu beachten.

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