Agiles Chaos: Wo ist da der Unterschied zwischen einem agilen Coach, Moderator und Scrum Master?

Unter einem Friseur kann sich jeder etwas vorstellen. Was ein Ingenieur macht, ist weitgehend klar. Aber ein Coach? Erst recht ein agiler Coach? Neue Berufsbilder sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass Kommunikation im Zentrum steht. Sie sind weiterhin als Rolle definiert, die einen Verantwortungsbereich umfasst, der innerhalb einer Rollenschreibung selbst interpretiert werden kann. Dieser Beitrag stellt die Anforderungen vor und gibt Tipps für den Umgang mit den verschiedenen Rollen.
Jeder Job hat Anforderungen an Mindset, Skillset und Toolset. Er braucht also eine bestimmte Einstellung des Denkens, Fähigkeiten und Fertigkeiten und Tools. Doch die Gewichtung ist unterschiedlich. Je mehr Tools keine physischen, sondern Kommunikationswerkzeuge sind, desto schwerer fassbar sind sie. Ein und dasselbe Tool kann sehr unterschiedlich angewendet werden. Mehr dazu in Mindset, Skillset, Toolset.
Je komplexer ein Umfeld, desto mehr braucht es Mindset
Dabei bestehen die Unterschiede nicht nur im Können, sondern auch in dem dahinterstehenden Mindset. Die boomende agile Arbeitswelt macht das ganz besonders deutlich. Ein Friseur kann kompetent sein oder nicht, Mehrwert durch seine Persönlichkeit generieren oder nicht. Sein Mindset ist weniger wichtig, sind Arbeitsfeld einfach bis kompliziert, aber nicht komplex.
Und hier liegt der Unterschied: Je komplexer ein Umfeld ist, desto mehr verlangt es ein Verhalten, dass dies berücksichtigen kann. Und kaum etwas ist derart komplex wie eine Gruppendynamik (die Kompliziertheit wandelt sich in Komplexität, wenn Friseure Teams leiten). Aber solche Teams sind meist überschaubar, die Organisation umfasst selten mehr also Personen. Dadurch gibt es weniger Kontexte, was einiges leichter und anderes schwieriger macht.
Das Zusammenspiel mit unterschiedlichen Kontexten der Organisation und gesellschaftlichen Dynamiken macht kommunikationsorientierte Tätigkeiten wie Coaching und Moderation zu einem äußerst anspruchsvollen Feld, das nicht mit dem Kommunikationsquadrat von Schultz von Thun zu beherrschen ist (um ein beispielhaftes Tool zu nennen).
Je mehr wir also in den komplexen Bereich gehen – hier verweise ich auf die abgebildete Stacey-Matrix -, desto wichtiger wird Mindset. Die Schere eines Friseurs kann Gold wert sein, seine Anwendung lässt sich üben. Das Tool eines Coaches ist dagegen viel weniger wichtig als seine Haltung, die aus dem Mindset kommt.
Es gilt, die neuen Berufsbilder mit einer anderen Brille zu betrachten. Darüber habe ich im eigenen Blog aus persönlicherer Perspektive geschrieben.
Eine Zusammenfassung der neuen Berufsbilder und die weite Spanne an Interpretationsmöglichkeiten, die sich dahinter verbirgt:
Der Scrum Master
Er kennt die Regeln des Scrums, die nicht sehr umfangreich sind. Zertifikate von der Scrum Alliance oder Scrum.org sind schnell erworben. Doch das macht keinen guten Scrum Master aus und befähigt ihn nicht zu seiner Arbeit. Seine Hauptaufgabe ist es, dem Team den Rücken freizuhalten, damit es seinen Sprint ungestört und selbstorganisiert durchführen kann. Das ist an sich schon eine sehr große Herausforderung, die aber selten aus diesem Blickwinkel betrachtet wird. Vielfach wird der Scrum Master eher auf dem Niveau eines Teamleiters behandelt. Kann ein Teamleiter, eingebunden in hierarchische Strukturen, wirksam helfen, organisationale Hindernisse auszuräumen? Wohl kaum. Die Rolle braucht also sehr viel mehr. So gibt es Interpretationen, die dem Scrum Master eine viel zentralere Bedeutung zuschreiben und sie als umfassender sehen als agile Coaching. In einem aktuellen Beitrag für Scrum.org schreibt Joshua Partogi: „We believe that coaching the Development Team only leads to sub-optimal result. Scrum Master also need to go beyond coaching, he/she must master other stances like facilitation, mentoring, teaching and servant-leadership too.” (mehr hier). Sieht man das so, ist der Scrum Master auch nicht “weniger” als der Product Owner, dem in vielen Kontexten mehr “Macht” zugesprochen wird. Überhaupt halte ich die Frage von mehr oder weniger Macht (Status, Einfluss) für schädlich. Es muss immer um Führen und Folgen gehen. Folgen ist nicht leichter als Führen.
Der agile Coach
Der agile Coach wird öfter als dem Scrum Master „überlegen“ dargestellt. Vielfach ist es aber ein und dieselbe Person. Dafür spricht die Zahl der Stelleninserate, die „Scrum Master/agile Coach“ suchen. Nur in größeren Organisationen wird die Position aus dem Stab besetzt. Aus unserer Sicht braucht der agile Coach ebenso wie der Scrum Master ein Mindset, das flexibles Denken beinhaltet. Das ist nicht selbstverständlich, denn man findet in der Szene viele Richtig-Denker (hierzu verweise ich auf meinen Podcast bei Manager Seminare). Wer aber im Richtig-Modus verhaftet ist, kann kaum wirksam an Schnittstellen kommunizieren. Dazu gehört es nämlich, andere Perspektiven zu erkennen und anzunehmen (anstatt diese angleichen zu wollen), das Denken der anderen zu öffnen, Gruppendynamiken zu verstehen und Konflikte zu lösen.
Moderatoren
Moderatoren werden normalerweise als noch „weniger“ wahrgenommen. Ihnen wird keine Führung zugesprochen. Was Unsinn ist und einer einseitigen Definition von Führung entspringt: Es gibt nichts Anspruchsvolleres, als Gruppen zu leiten und die Dynamiken aufzufangen. Dafür hilft ein Blick in das, was Führung eigentlich ist: Das Bestimmen der Richtung von Bewegung und erfolgreiche Intervenieren in kritischen Situationen. Ein guter Moderator ist kein Hampelmann für die Gruppe, sondern bringt sie dazu sich auch selbst in der Verantwortung für die Gestaltung des Meetings zu sehen.
Teamentwickler
So auch der Teamentwickler. Teamentwicklung beinhaltet Moderation und (Team-) Coaching, es ist der Prozess, eine Gruppe zur Performance zu führen. Insofern ist es ein Skill, den auch jeder Scrum Master und agile Coach braucht. Teamentwicklung kann auch nie ohne Blick auf die Organisationsentwicklung betrachtet werden, sie ist immer Teil davon. Der Unterschied von Teamentwicklung zu agile Coaching oder der Tätigkeit eines Scrum Master liegt in Herkunft und damit dem Anforderungsprofil. Teamentwickler kommen typischerweise aus der HR. Sie brauchen vor allem Erfahrung, systemisches Denken und psychologische Kenntnisse. Sie müssen nicht im früheren Leben Entwickler gewesen sein, was für agile Coaches und Scrum Master ein Vorteil ist. Aber es schadet auch nicht.
Fazit: Agile Coaching muss jede Organisation für sich definieren
Coaching wird oft als absichtslos definiert. Im Teamkontext kann es das nicht sein, hier muss es um Ermöglichung und Verbesserung der Zusammenarbeit geben. Deshalb ist Teamcoaching grundlegend anders gelagert als Einzelcoaching. Ein agile Coach ist in der Regel Teamcoach und situativ Einzelcoach. Er sollte dann zwischen den Hüten wechseln können.
Absichtslosigkeit ist in einem Kontext, der auf Abhängigkeit (Geld gegen Einsatz) beruht, ohnehin schwierig zu bewahren. Deshalb ist es für Führungskräfte auch so herausfordernd, wirklich zu coachen. Absichtslose Führung ist nicht möglich, wenn Führung das Bestimmen der Richtung von Bewegung ist. Sie funktioniert auch nicht aus einem System heraus.
So ist absichtsloses Coaching im Unternehmenskontext nahezu unmöglich, wenn man – z.B. wie der Scrum Master – selbst Teil des Systems ist. Das spricht dafür, die Rolle außerhalb der Linie zu besetzen – oder extern (wobei auch Externe schnell Teil eines Systems werden können).
Gerade boomt der agile Coaching-Markt. Unternehmen sollten analysieren, wo ihre Druckpunkte sind, was und wen sie wirklich brauchen — und vor allem auf das Mindset achten. Das unternehmensinterne Wording sollte dazu passen und vom Umfeld angenommen werden können. In diesem Sinne ist es völlig egal, ob eine Rolle Agile Coach, Trainer, Moderator oder Scrum Master heißt. Oder ein ganz neuer Begriff erfunden wird.
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