“Minimalinvasive” Maßnahmen für den Kulturwandel
Corporate Culture Nudging

Was bringt Menschen dazu, etwas zu tun? Wie schaffen wir es beispielsweise, dass sie lernen, mutiger zu sein oder neue Dinge ausprobieren und zu lernen? Appelle verhallen schnell, manche sind gar kontraproduktiv. Eine noch selten genutzte Methode aus der Verhaltensökonomie bietet das Corporate Culture Nudging. Was das ist, Beispiele und Herangehensweisen.
Verbotsschilder? Bewirken oft das Gegenteil. Gebotshinweise verhallen ebenso.
Ein „Bitte die Toilette sauberhalten“ mit einem Smiley zu versehen, wird bestenfalls übersehen. Allzuoft oft regt es aber auch an, das Gegenteil zu tun. Das Beispiel lässt sich auf vieles andere übertragen. Stärke als jedes Gebot oder Verbot wirken Anreize für das Verhalten.
Wir sind keine Maschinen
Es geht also um die bewusste und gezielte Gestaltung mit Nudges, kleinen Anstupsern für ein bestimmtes, gewünschtes Verhalten. Auf uns Menschen stürmen Milliarden Bit an Reizen ein. Sie können nur einen Bruchteil davon aufnehmen. Doch welchen? Je mehr Auswahl, desto schwieriger – dieses Wissen machen sich Marken zu eigen. Sie reduzieren die Komplexität so, indem sie die Auswahl auf ein “Musthave” begrenzen.
Nudge: Alles, was minimalinvasiv auf ein Verhalten einzahlt
Den Begriff Nudging prägten Richard Thaler und Cass R. Sundstein. Seitdem macht er Karriere, vor allem im Marketing. Ein Nudge kann alles sein, was ein gewünschtes Verhalten auf freiwilliger Basis auslöst. Es ist also minimalinvasiv. Man arbeitet sich nicht ab, an der menschlichen Psyche. Nein, vielmehr geht es darum ein Grundgesetz zu nutzen: In manchen Aspekten sind alle Menschen gleich. Sie lesen beispielsweise keine 10 Seiten-Papier und reagieren eher auf Zusammenfassungen. Sie können sich maximal die magische 4 merken, also 4 Ziffern hintereinander.
Nudgy: Alles was etwas auslöst oder verhindert
Nudgy kann ein Postit sein oder ein Bild, ein Geruch oder Musik. Selbst eine E‑Mail: „Heute schon eine Idee gehabt? Schreib Sie und teile Sie jetzt.“ Ein Nudge ist allerdings nur ein Nudge, wenn er auch wirkt. Deshalb ist Nudging immer auch Experimentieren. Nudge kann bedeutet, dass ein Verhalten ausgelöst wird, zum Beispiel der Spieltrieb beim Pinkeln. Oder das etwas eben nicht ausgelöst wird, etwa der Automatenmodus bei der Meinungsfindung.
Hier sind Nudges oft auch Verknüpfungen von System 1- und System-2-Denken. Geht es um Entscheidungen macht es Sinn erstmal die intuitive Einschätzung abzufragen, um danach zu diskutieren. Der Abgleich mit der danach meist vergessenen ersten Einschätzung erinnert daran “was hat dich eigentlich zu dem Meinungswechsel gebracht?” (falls es einer war).
Wissen über die Funktionsweise von Psycho- und Gruppendynamiken gehört dazu. Wenn im Meeting eingangs von einer Software abgefragt wird, welche intuitive Meinung man zu einer Fragestellung hat und dann darüber diskutiert, sinkt die Wahrscheinlichkeit des Gruppendenkens.
Auf die richtige Default-Einstellung kommt es an
Beim Nudging setzt man sozial optimale Defaults, also „Standardeinstellungen“. Die Frage ist dabei: Was ist das gewünschte Verhalten und was löst es aus?
Nudges sollen dabei aber nicht manipulativ sein, nur beeinflussen und begünstigen. Beeinflussen lässt anders als manpulieren immer auch persönliche Freiheit.
Jeder von uns kennt die Bewertungsterminals mit Smileys, die inzwischen in vielen Flughäfen, Toiletten oder bei Autovermietern stehen. Die sind meist so gestaltet, dass der positive Smiley rechts ist, worauf wahrscheinlicher gedrückt wird. Das ist grenzwertig, denn die Frage ist, welche verwertbare Aussage erzeugt wird. Oft scheint es als sei die Default-Einstellung in Wahrheit „gut bewerten“?
Beispiel:
Eine Universität in New Jersey stellte den Drucker als standardmäßig auf „doppelseitig“. Für die Nutzer war es zu umständlich, den Drucker auf „einseitiges Drucken“ umzustellen. Daher wurde automatisch doppelseitig gedruckt. In dieser Universität wurden im Vergleich der letzten vier Jahre 55 Mio. Blatt Papier gespart bzw. weniger gedruckt. Dies entspricht einer Verringerung von 44 %.
Im Kulturwandel können Nudges Verhaltensanreize für neue Werte bieten.
Einige Beispiele für Nudges im Kulturwandel
- Lernen von Digitalkompetenzen soll gefördert werden: Mit Microlearning werden kleine Lerneinheiten für die Angestellten geschnürt. Wer diese nicht öffnet, wird erinnert.
- Mitarbeiter sollen sich besser vernetzen: Es werden automatisch immer neue Tandems für 20-Minuten-Kennenlerngespräche ausgelost, die unter einem Motto stehen, etwa „was kann ich von dir und du von mir lernen“
- Chefs sollen ihre Mitarbeiter persönlicher ansprechen: Tipps per Mail oder App geben Impulse, Reminder erinnern daran. Dabei kann auch KI helfen, die ermittelt, mit wem man schon wieviel gesprochen hat.
- Mitarbeiter sollen mutiger sein: Bilder oder Karten machen an den richtigen Stellen Mut, etwa „heute schon widersprochen?“
- Meetings sollen lebendiger und beweglicher werden: Arbeitsspaziergänge („Walking Meeting“) als offizielle Besprechungsart und eine Karte mit schönen Laufrouten unterschiedlicher Dauer im Büro aufhängen. Auch nudgy: Besprechungen an Stehtischen sind produktiver als jene im Sitzen. Dauer kürzen, z.B. auf 30 Minuten, denn danach entsteht ohnehin „mental fatigue“.
Bei allen Nudge-Maßnahmen gelten sechs Grundprinzipien
- Mach es sinnvoll für alle: Nudges sollen für Menschen und Organisation nützlich und hilfreich sein.
- Lass die Wahl! Nudges sind nur dann Nudges, wenn sie Wahlfreiheit lassen.
- Make it easy!Menschen mögen alles, was wenig Aufwand erzeugt und mit einfachen Botschaften versehen ist. Einfachheit ist geboten!
- Mach es schön!Farben, Bilder und persönliche Ansprache erhöhen die Aufmerksamkeit.
- Mach es menschlich! Unser Verhalten wird vor allem durch das beeinflusst, was andere tun
- Mach es zeitnah! Der Nudge sollte direkt umgesetzt werden können — ob es nun um mitgehen, aussprechen, ankreuzen, ja-sagen, draufdrücken, sehen, hören, riechen oder etwas anderes geht.
Nudges erfordern viel kreativen Mut, Dinge auszuprobieren. Und vor allem: Lernbereitschaft und dauernde Anpassung. Durchaus möglich, ja wahrscheinlich, dass sich die Wirkung auch im Zeitverlauf ändert. Dann braucht es Anpassung – oder einen neuen Nudge.
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Beitragsfoto: New Africa — Shutterstock.com
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