“Du selbst bist die wichtigste Intervention”
Was heißt das eigentlich in der Praxis?

Intervenierst du schon — oder bist du selbst die Intervention? Wer mit Gruppen arbeitet, muss Mitschwingen. Und sich bewusst sein, dass es in der Arbeit als Teamgestalter nur vordergründig um Methoden geht. Entscheidender für die Dynamik ist, der sie auswählt und schließlich anwendet.
In unseren Ausbildungen arbeiten wir gründlich an der Haltung. Wir möchten vermitteln, dass jeder Teamgestalter, jede Teamgestalterin eine Gruppe allein schon dadurch beeinflusst, dass sie anwesend ist, Projektionsfläche ist und Hypothesen stellt.
Was ist dabei besonders relevant? 5 für die Selbstkenntnis wichtige Aspekte – und was das für die Praxis bedeutet.
1. Wer beobachtet ist Teil der Beobachtung
Coaches und Berater, wir nennen sie im Teamzusammenhang Teamgestalter, können sich selbst nicht im Zusammenhang mit der Gruppe beobachten. Sie sind deshalb immer auf vielen Augen blind. Alles, was sie wahrnehmen sind selbst gewählte Ausschnitte.
Womit resoniere ich? Und womit nicht? Was greife ich aus der Komplexität einer Situation heraus – und welchen Aspekten schenke ich keine Beachtung? Oft ist letzteres der weitaus interessante Punkt.
- Selbstcoaching: Schärfen Sie Ihre Wahrnehmung, geißeln Sie sich nicht für Bewertungen wie „dieser Mensch ist mir unsympathisch“. Sie können solche Gedanken auch einfach wieder loslassen.
- Hilfreiche Fragen: Was beobachte ich nicht? Was würde jemand mit 10 Jahren Erfahrung sehen? Und was ein Außerirdischer? Was davon ist relevant für meinen Auftrag?
2. Wir sind (allzu gerne) Helden
Übertragungen finden immer statt. Teilnehmende übertragen Liebe, Zorn, Abhängigkeit oder idealisierende Vorstellungen. Da ist der Berater dann der Held, der den heiligen Gral in Form der Lösung serviert. Das nehmen viele allzu gern an: Als Held mit der Lösung übernimmt man dann flugs Verantwortung für die Lösung – und nicht etwa für den Prozess. Denn wer will nicht helfen… Nur dass das keinem hilft.
- Selbstcoaching: Schärfen Sie Ihre Wahrnehmung für die Gefühle, die die Erwartung der anderen in Ihnen auslöst. Welche Botschaften an Sie schwingen unausgesprochen mit?
- Hilfreiche Fragen: Welche Heldenrolle spiele ich gern? Wann ist sie hilfreich — und wann schädlich für das, was erreicht werden soll?
3. Erkenne die Bewertungen
Immer wieder habe ich mit Coaches zu tun, die behaupten, sie würden nicht bewerten. Das ist Unsinn. Allein die Tatsache, dass ich das Bewerten bewerte ist ja schon eine Bewertung, sogar eine mit strafendem Charakter. Es geht nicht darum, nicht zu bewerten, sondern darum die eigenen Bewertungen zu erkennen und zu reflektieren.
- Selbstcoaching: Schärfen Sie Ihre Wahrnehmung, geißeln Sie sich aber nicht für Bewertungen wie „dieser Mensch ist mir unsympathisch“. Sie können solche Gedanken auch einfach wieder loslassen.
- Eine hilfreiche Frage: Welche meiner Beobachtungen könnte hilfreich sein, welche dient meinem Auftrag derzeit gar nicht? Für was könnte meine Bewertung ein Symptom sein? Übernehme ich vielleicht unbewusst die Bewertung anderer?
4. Struktur über Inhalt
Berater und Coaches müssen Hypothesen bilden. Wir lernen unseren Blick zu schärfen, indem wir andere Aspekte einbeziehen, die bisher keine Bedeutung für uns hatten.
Mit sehr viel Erfahrung kann man irgendwann phänomenologisch arbeiten. Am Anfang braucht es theoretisch fundierte Modelle, die Beobachtungsstrukturen liefern — aber keine oder kaum Inhalte. Inhalte sind immer normativ, sie verstellen den Blick und die neutrale Haltung.
- Selbstcoaching: Wenn Sie lernen wollen, Inhalte von Struktur zu unterscheiden, konzentrieren Sie sich auf das, was für alle sichtbar ist, auf Verhalten wie „er gibt ihr die Hand“. Und nicht auf Interpretationen („freundliche Geste“).
- Eine hilfreiche Frage: Was von dem, was ich beobachte, ist für alle objektiv da? Was sehe nur ich, zum Beispiel den rosa Elefanten. Und welche Funktion hat es, dass es kein anderer sieht?
5. Ein Modell ist nicht die Wirklichkeit
Schon die Hypothesenbildung ist eine Intervention. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Teamentwickler ist stark durch ein Modell beeinflusst, etwa durch das Teamphasenmodell nach Bruce Tuckman, wonach es in der Gruppenentwicklung ein Forming, Norming, Storming und Performing gibt. Das Modell geht über die reine Struktur hinaus, denn es liefert auch Inhalte. Besonders normativ kommt es als „Teamuhr“ daher. Die Intervention kann also schon darin liegen, wie man etwas versteht und anwendet.
Für eine fluide Sicht ist es wichtig, sich zu fragen, was denn die Bedeutung von etwas wie „Performing“ in diesem Kontext ist oder sein soll?
- Selbstcoaching: Ob das hilfreich ist, entscheidet der Abgleich mit der Frage „warum bin ich hier, was ist mein Auftrag“?
- Hilfreiche Fragen: Was ist konkret, was ist subtil? Und welches Verständnis herrscht über das Subtile? Macht ein gemeinsames Verständnis Sinn?
Was ist eine Intervention?
Nun noch zum Begriff der “Intervention”. Er hat sowohl in der psychologischen als auch in der systemischen Perspektive eine Tradition. Die Intervention bezieht sich auf eine bewusste Handlung oder einen Eingriff, der darauf abzielt, eine Veränderung herbeizuführen oder ein Problem zu lösen.
Systemiker wissen dabei, dass alles, was gesagt wird von einem Beobachter gesagt wird. Dabei gibt es verschiedene Beobachterperspektiven. Jemand ist im oder außerhalb des Systems – oder es ist unscharf.
Systemische Interventionen beinhalten Hypothesen, die dann getestet und gegebenenfalls bestätigt oder verworfen werden. Psychologische Interventionen sind etwa Achtsamkeitsübungen oder Entspannungstechniken. Beides geht gut Hand in Hand.
In der systemischen Beratung gehen wir davon aus, dass Probleme und Schwierigkeiten nicht isoliert betrachtet werden können, sondern immer nur als Teil des Kontextes. Konflikte sind ganz normale Erscheinungen – und ihrerseits Systeme -, die vielfach schlicht durch unterschiedliche Systemlogiken bedingt sind.
Systemische Intervention zielt darauf ab, die Dynamiken innerhalb des Systems in eine gewünschte Richtung zu verändern. Dabei ist der Gedanke, dass die Berater und Coaches die Dynamik durch sich selbst und ihre Herangehensweisen beeinflussen zentral.
Die Mentalisierung dieser Selbstwahrnehmung ist ein wichtiger Lernprozess und essentiell zur Ausbildung einer Haltung in der Arbeit mit Gruppen, die immer durch eine hohe Komplexität geprägt sind.
Foto: Shutterstock — Olga Maksimova
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