Eine Frage des Prinzips! Klatsch und Tratsch in Unternehmen
Interview über Unternehmenskultur und Small Talk mit Svenja Hofert

Das Tuscheln hinter vorgehaltener Hand gibt es sicher in jedem Unternehmen. Irgendwie ist es doch das Salz in der Suppe im täglichen Miteinander. Und hilft es nicht auch zum Frustabbau über den Chef, einfach mal dem Ärger über Geschehnisse oder KollegInnen Luft machen? Eigentlich ist es halb so schlimm mit dem Klatsch und Tratsch! In den meisten Fällen jedoch können die beiden großen Schaden anrichten, denn die Grenze zu Mobbing ist fließend. Das KM Magazin Kultur und Management im Dialog hat sich mit Teamworks-Geschäftsführerin Svenja Hofert unterhalten. Was sind die Gefahren von Klatsch und Tratsch?
Das Gespräch führte Veronika Schuster, Chefredakteurin von KM Magazin Kultur und Management. Das Interview erschien hier in Ausgabe 118.
KM Magazin: Liebe Frau Hofert, wann sprechen Sie von Klatsch und Tratsch?
Svenja Hofert: Klatsch und Tratsch kann man dem Small Talk zurechnen. Es ist aber ein Austausch mit der Tendenz in das Abwertende und Negative. Hinter allem was wir tun stehen Emotionen wie Wut, Ärger, Frustration, aber auch Freude oder Begeisterung. Und Klatsch und Tratsch sind eine Mischung davon. Es kann etwa die positive Begeisterung über etwas Neues sein, das an die KollegInnen weitergetragen wird, weil man es als erstes erfahren hat. Oder der Antrieb ist der Ärger über bestimmte Geschehnisse, der sich durch Lästern negativ Bahn bricht. Klatsch und Tratsch sind eine sehr emotionale Sache.
KM: Wann werden Klatsch und Tratsch innerhalb von Teams problematisch?
SH: Ein Problem entsteht, wenn Klatsch und Tratsch vom „Nebenbei erwähnen“ ins Lästern, Abwerten, Schlechtmachen anderer abdriften. In der Arbeitswelt sind Klatsch und Tratsch immer ein Thema der Führungskraft und der Unternehmenskultur. Sie sind es, die Klatsch und Tratsch entweder zulassen und somit Raum für negative Emotionen bieten. Oder aber sie unterbinden es, indem sie klare und verbindliche Regeln aufstellen, danach leben und insgesamt ein Vorbild sind. Dabei muss eine Kultur der gegenseitigen Akzeptanz und vor allem des Respekts herrschen. Sehr oft ist das nicht der Fall, und das ist natürlich ein fruchtbarer Boden für Klatsch und Tratsch.
KM: Sind also Klatsch und Tratsch auch Symptom dafür, dass es innerhalb einer Firma organisationale und personelle Probleme gibt?
SH: Es ist ein klares Symptom, und es zeigt zu allererst die Schwäche der Führungskraft. Meist herrscht dahingehend eine Laissez-faire-Haltung. Klatsch und Tratsch können auch Zeichen für ein falsch verstandenes, kooperatives Führungsverständnis sein. Das Wichtigste ist aber, dass es zeigt, dass in dem Unternehmen Strukturen vorliegen, die Klatsch und Tratsch begünstigen, etwa Cliquenbildung: Ein Beispiel wäre, wenn Untergruppen von Menschen entstehen, die sich „gut verstehen“ und eine Front gehen die anderen bilden. Arbeiten diese Menschen zu lange, zu eng zusammen, entstehen ganz natürlich Verbündungen, in der Mittagspause, bei der Zigarette vor der Tür, die dann durchaus Ausgrenzung von anderen und negative Entwicklungen in Hinblick auf Klatsch und Tratsch nehmen können. Es gibt hierzu Untersuchungen zur Diversity, die aufzeigen, dass es wichtig und sinnvoll ist, Teams vielfältig zusammenzusetzen und Unterschiedlichkeit zu fördern, nicht Gleichheit.
KM: Oft finden ja Klatsch und Tratsch nicht in der Sphäre der Führungskraft statt, sondern in der Teeküche oder bei der von Ihnen erwähnten Zigarette vor der Tür. Was kann eine Führungskraft tun, um solche negativen Entwicklungen aufzudecken?
SH: Die wichtigste Regel ist, dass die Führungskraft die Werte, die es dazu benötigt, selber vorlebt. Es beginnt damit, dass die Führungskraft selbst nicht lästert, klatscht und tratscht. Das heißt, der leitende Mitarbeiter schimpft nicht über den eigenen Chef, äußert sich nicht abwertend über die andere Abteilung usw., und sie lässt so etwas auch nicht zu. Damit wäre bereits sehr viel getan und es müsste auch erst gar nichts aufgedeckt werden. Es hängt immer, wirklich immer an der Führungskraft und der gewachsenen Unternehmenskultur, die so etwas fördern oder unterbinden.
KM: Das ganz klassische „Der Fisch stinkt vom Kopf her“?
SH: Ja, richtig.
KM: Können Klatsch und Tratsch positive Effekte haben? Notorische Meckerziegen wird es ja immer geben. Lässt sich daraus für die Leitung irgendeinen Nutzen ziehen?
SH: Die Meckerziege ist im positiven Sinn die Kritikerin. Menschen, die eine eher negative Grundhaltung haben, sehen oft eher Fehler und Unstimmigkeiten. Das ist wichtig, so lange es nicht unproduktiv ist. Argumentierte Kritik ja, Meckern nein. Solche MitarbeiterInnen haben ein relativ gutes Gespür für Probleme, die bei bestimmten Abläufen entstehen. Das ist ein Talent, das natürlich genutzt werden kann.
KM: Wie kann man sich nun einen Prozess vorstellen, der eingefahrenes Klatsch-und-Tratsch-Verhalten beenden soll?
SH: Wenn Klatsch und Tratsch eine eindeutig negative Richtung nehmen, ist der erste Weg, das konkret in Meetings anzusprechen. Sinnvoll ist es im Anschluss, die eigenen Regeln im Unternehmen nochmals zu prüfen und intensiv zu besprechen. Sicher sind Klatsch und Tratsch etwas Normales und tatsächlich nie ganz auszumerzen. Aber man muss als Unternehmen klare Werte formulieren, die aufzeigen, wo dabei die Grenzen liegen. Und natürlich müssen diese aktiv gelebt werden. Das heißt, den aufgestellten Regeln müssen auch Prinzipien folgen, die konkrete Maßnahmen und Verhaltensweisen nach sich ziehen. Ein Beispiel: Wenn das Unternehmen den Wert respektvolles Miteinander leben will, dann sind die Prinzipien die folgen, wertschätzend miteinander umzugehen, offen und tolerant anderen Gedanken gegenüber zu sein oder ein positiver Umgang mit Fehlern usw. Die Prinzipien sind zwar immer individuell zu gestalten, aber sie sind die Grundlage, um die Werte auch leben zu können. Denn daraus lassen sich dann die konkreten Handlungsweisen ableiten, die dafür nötig sind. Dieses Verfahren sollte ein gemeinsamer Prozess sein. Leider wird es in den meisten Fällen zu einem von oben bestimmten Reglement.
KM: Spontan hat man oft den Eindruck, Klatsch und Tratsch sind nicht allzu schädlich, ist ja alles nicht böse gemeint. Wann kann Klatsch und Tratsch aber zu übler Nachrede werden? Wo liegt die Grenze zu Mobbing?
SH: Das Problem ist, dass diese Übergänge fließend sind. Mobbing ist auch eine subjektive Wahrnehmung von Grenzüberschreitung. Das bedeutet, jemand erkennt vielleicht gar nicht, dass sie mobbt. Aber das Entscheidende ist, dass der Empfänger es als Mobbing wahrnimmt. Er ist es, der zuhause keinen Schlaf findet, sich in den Pausen die Augen ausweint, einen Therapeuten aufsuchen muss, da er damit nicht fertig wird.
KM: Aber oftmals tragen gemobbte Menschen das Thema eben nicht ins Büro, verschließen sich, sprechen es nicht direkt an. Was kann eine Führungskraft hier tun? Wie kann sie diese Dynamiken aufdecken?
SH: Es ist eine Frage sowohl der Beobachtungsgabe als auch des Wertes, der vermittelt werden muss: Dieser ist, eine generelle Offenheit gegenüber allen MitarbeiterInnen und deren Sorgen zu haben. Es muss von der Führungskraft eindeutige Signale geben, dass man sie jederzeit ansprechen kann, egal, um welches Problem es sich handelt. In manchen Unternehmen gibt es etwa extra Stellen, bei denen man solche Dinge anonym ansprechen kann, weil dieses Vertrauen eben oft nicht da ist – und bisweilen ist es ja auch die Führungskraft, die mobbt.
KM: Oft sehen Führungskräfte solche Probleme der zwischenmenschlichen Kommunikation nicht und dann bricht der Vulkan aus. Kann eine regelmäßige externe Beratung ein Mittel sein, neue Wege im „gesunden“ Miteinander zu finden?
SH: Externe BeraterInnen können hier sicher eine Möglichkeit sein. Allerdings benötigt es dafür einige Voraussetzungen: Zuerst ist es eine Frage des Vertrauens. Denn können BeraterInnen zu der Führungskraft und den MitarbeiterInnen keine vertrauensvolle Beziehung aufbauen, entsteht ein künstliches Verhalten. Ein häufiges Problem ist auch, dass sich leitende ManagerInnen nicht als Teil eines Teams sehen, also die problematischen Strukturen nicht als solche erkennen. Aber auch drei GeschäftsführerInnen sind ein Team, sie haben also nie nur ein Team. Allem voran muss der Wille zur Veränderung von Innen kommen, sonst wird es keinen nachhaltigen Wandel geben können. Und das muss auf allen Ebenen bis hin zur Spitze passieren. Kritisch muss man dabei viele kurzfristige Teambuildingmaßnahmen und Verhaltenstrainings sehen. Wenn es keine übergeordnete Strategie gibt, helfen Schulungen nichts. Sie werden keine nachhaltigen Veränderungen ermöglichen. Der Workshop ist dann sicher nett, legt einige Probleme offen, gibt auch hilfreiche Maßnahmen an die Hand. Doch im Endeffekt verpuffen die Erkenntnisse bei der Rückkehr in den Alltag. Da kann man noch so oft Respekt geübt haben, wenn das Umfeld nicht respektvoll ist, ist Lernen nicht nachhaltig. Daraus folgt wiederum der Frust unter den MitarbeiterInnen und es wird weiter viel negativen Klatsch und Tratsch geben.¶
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