Kogni­ti­ve Dis­so­nanz: Wie Grup­pen unse­re Über­zeu­gun­gen zementieren

Zwi­schen Wahn und Wirk­lich­keit liegt ein schma­ler Grad. Beson­ders sicht­bar wird die­ser bei Über­zeu­gun­gen. Die­se sind in Orga­ni­sa­tio­nen nicht min­der ver­brei­tet als anders­wo. Kogni­ti­ve Dis­so­nanz hält Grup­pen und ihre Mit­glie­der davon ab, eige­ne Grund­an­nah­men anzu­pas­sen. Was kön­nen wir tun?


Wir schrei­ben das Jahr 1954. Doro­thy Mar­tin glaubt, Kon­takt mit Außer­ir­di­schen gehabt zu haben. Eine gro­ße Flut­wel­le wür­de die Welt am 21. Dezem­ber 1954 zer­stö­ren. Sie schar­te eine Grup­pe von Anhän­gern um sich, die bereit waren, im sodann ein­tref­fen­den UFO mit ihr von der Erde zu flie­hen, um der bevor­ste­hen­den Kata­stro­phe zu entkommen.

Ihr  Fall ist in Leon Fest­in­gers Buch “When Pro­phe­cy Fails” beschrie­ben. Dar­in präg­te er auch den Begriff der kogni­ti­ven Dis­so­nanz. Die­se lässt Men­schen selbst dann noch an ihren Über­zeu­gun­gen fest­hal­ten, wenn die Fak­ten­ba­sis immer dün­ner wird.

Was ist kogni­ti­ve Dissonanz?

Kogni­ti­ve Dis­so­nanz beschreibt den psy­cho­lo­gi­schen Zustand, der ent­steht, wenn eine Per­son wider­sprüch­li­che Gedan­ken, Über­zeu­gun­gen oder Hand­lun­gen erlebt.

Men­schen haben ein Bedürf­nis, kon­sis­ten­te Gedan­ken und Über­zeu­gun­gen zu haben. Dabei spielt die Grup­pe eine zen­tra­le Rol­le. Sie fes­tigt Über­zeu­gun­gen. In der von uns gewähl­ten In-Grup­­pe  füh­len wir uns sicher. Das Gefühl von Zuge­hö­rig­keit über­la­gert jeden Zwei­fel. Die Her­de, oder die Bla­se und Mikro­bla­se, hat die Wahr­heit gepach­tet. Fak­ten spie­len da kei­ne Rol­le mehr, wie wir an der irr­sin­ni­gen Theo­rie der Fla­chen-Erde-Anhän­­ger sehen… Aber Arro­ganz ver­bie­tet sich, denn das Phä­no­men ist über­all zu beob­ach­ten. Nur viel­leicht nicht über­all so plakativ.

Wider­sprü­che stres­sen uns

Wider­sprüch­li­che Infor­ma­tio­nen oder Hand­lun­gen erzeu­gen ein Gefühl von Unbe­ha­gen, Unzu­frie­den­heit oder Stress. Um die­se kogni­ti­ve Dis­so­nanz zu redu­zie­ren oder zu besei­ti­gen, ver­su­chen wir Über­zeu­gun­gen oder Hand­lun­gen an die wider­sprüch­li­chen Infor­ma­tio­nen anzu­pas­sen. Wir zie­hen alter­na­ti­ve Erklä­run­gen für die wider­sprüch­li­chen Infor­ma­tio­nen her­an. So glaub­ten die Anhän­ger von Mar­tins zunächst, dass sich die UFOs ver­spä­te­ten. Spä­ter war ihnen etwas dazwi­schen gekommen…

Wir erzäh­len uns was…

Erin­nert euch das an etwas, das ihr kürz­lich selbst erlebt habt? Ja, wir fin­den mas­sen­haft Bei­spie­le. Jemand, der sich für das 1,5‑Grad-Ziel „erwärmt“, fliegt den­noch nach Bali. Die kogni­ti­ve Dis­so­nanz lässt das an die Über­zeu­gun­gen anpas­sen. Es war halt nicht anders mög­lich, und geschah im Sin­ne des Guten. Außer­dem nur ein­mal…  Man­che nen­nen das “Nar­ra­tiv“. Oder Framing.

Epis­te­misch ratio­nal oder nicht?

Wir kön­nen Über­zeu­gun­gen zumin­dest ein wenig abklop­fen hin­sicht­lich ihrer epis­te­mi­schen Ratio­na­li­tät oder Irra­tio­na­li­tät. Epis­te­misch ratio­na­le Argu­men­ta­tio­nen haben Hand und Fuß und beru­hen auf schlüs­si­gen Gedan­ken­ge­bäu­den, die auch ande­ren ein­sich­tig und nach­voll­zieh­bar sind.

Doch die Gren­zen sind flie­ßend. Falls jemand aktu­ell glaubt, es wür­de bald einen CO2-Stau­b­­sau­er geben, der das Kli­ma­pro­blem ver­schwin­den lässt, wür­de die­ser wohl für wahn­sin­nig erklärt. Man wür­de mit Inno­va­ti­ons­zy­klen argu­men­tie­ren. Damit, dass das noch nie vor­kom­men sei. Und so wei­ter. Und dabei einen wei­te­ren mensch­li­chen Bias über­se­hen: Die Zukunfts­blind­heit. Wir lie­gen fast immer falsch was unse­re Pro­gno­sen betrifft.. Was irgend­wo auch beru­hi­gend ist. Je mehr Exper­ten­wis­sen, des­to schlech­ter sind Vor­her­sa­gen. Was wir aber gern aus­blen­den. Denn Exper­ten geben uns Sicherheit.

Was folgt dar­aus für die Praxis?

Men­schen pas­sen ihre Über­zeu­gun­gen ihren Bezugs­grup­pen an. Die Über­zeu­gung wird damit zum Kitt, der zusam­men­hält. Los­las­sen ist wie Lie­bes­ent­zugs, wie Tren­nung. Die Grup­pen sind dann weni­ger oder gar nicht mehr offen für alter­na­ti­ve Sicht­wei­sen. Das Wich­tigs­te sind offe­ne Gren­zen. Je mehr gegen­tei­li­ge Über­zeu­gung und Aus­ge­wo­gen­heit von außen rein­kom­men darf, des­to locke­rer sit­zen Über­zeu­gun­gen. Zwei­fel kann und soll­te ganz bewusst gesät werden.

Hat die Grup­pe viel Kon­takt nach außen, lässt sie eher neue Gedan­ken rein, kann dem zumin­dest etwas ent­ge­gen gewirkt wer­den. Doch die Nei­gung besteht, kri­ti­sche Über­le­gun­gen und Mei­nun­gen zu unter­drü­cken, um die Ein­heit und Kohä­si­on zu erhal­ten. Teil­wei­se hat das auch mit Macht­spie­len zu tun. Ver­schie­de­ne Phä­no­me­ne wir­ken zusam­men. Poten­zi­el­le Feh­ler in der Argu­men­ta­ti­on wer­den dann des­halb nicht ange­spro­chen, weil es die eige­ne Macht­ba­sis schwächt. Gut und immer wie­der zu sehen in der Politik.

Grup­pen soll­ten sich des­halb aktiv um Kon­trol­le bemü­hen. Sie soll­ten bewusst alter­na­ti­ve Sicht­wei­sen ein­be­zie­hen und kri­ti­sche Mei­nun­gen hören, um ihre Über­zeu­gun­gen zu ver­bes­sern und kogni­ti­ve Ver­zer­run­gen zu mini­mie­ren. Kon­troll­me­cha­nis­men, die die Offen­heit sozia­ler Sys­te­me för­dern sind wich­tig. Zu viel Macht kann gefähr­lich sein, wenn etwa eine Per­son in der Lage ist, alle Pos­ten nach ihrem Geschmack zu beset­zen. Somit ist auch die Begren­zung indi­vi­du­el­ler Macht ein wich­ti­ges Thema.

Lese dazu:

Bei­­trags-Foto von Pora­pak Apich­o­di­lok: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-die-world-globe-facing-mountain-halt-346885/

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