Mehr als nur agil: Wie Sie mit ambi­dex­trer Füh­rung Her­aus­for­de­run­gen der Zukunft begegnen

Las­sen sich wider­sprüch­li­che Zie­le zugleich ver­fol­gen? Ist es mög­lich, meh­re­re Unter­neh­mens­kul­tu­ren par­al­lel zu haben? Lässt sich Füh­rung kon­tex­tu­ell in ein und dem­sel­ben Unter­neh­men ganz unter­schied­lich leben? Seit eini­ger Zeit macht ein Begriff die Run­de, der auf die Viel­falt von Stra­te­gie und Füh­rungs­ver­hal­ten hin­aus­läuft: Ambi­dex­trie und ambi­dext­re Füh­rung. Was steckt dahinter?

Ambi­dex­trie? Schon wie­der so ein buz­zword? Wohl eher ein Fremd­wort. Es bedeu­tet Zwei­hän­dig­keit, genau­ge­nom­men “mit zwei rech­ten Hän­den”. Im orga­ni­sa­tio­na­len Kon­text heißt das, dass die Unter­neh­mens­für­hung schein­ba­re wider­sprüch­li­che Bestre­bun­gen zugleich vor­an­treibt. Wenn Mode­wör­ter geeig­net sind, Phä­no­me­ne zu erklä­ren und neue Epi­so­den des Dis­kur­ses ein­zu­lei­ten, dann haben sie einen Zweck. So lang­sam däm­mert es immer mehr Unter­neh­men: Agi­les Arbei­ten und Füh­ren ist eine Mög­lich­keit von vie­len, aber sicher kein All­heil­mit­tel. So wie es die Wun­der­pil­le gar nicht gibt, denn meist füh­ren die indi­vi­du­el­len Wege nach Rom. Blau­pau­sen sind schwie­rig. Doch vie­le suchen zu ver­ein­heit­li­chen, was sich gar nicht ver­ein­heit­li­chen lässt. Grö­ße­re Unter­neh­men sind eben kei­ne Start­ups: In ihnen wir­ken ganz ande­re Kräf­te. Und so liegt die Kunst der Unter­neh­mens­füh­rung nicht dar­in, alles zu agi­li­sie­ren, son­dern vie­les zu fle­xi­bi­li­sie­ren. Und das bedeu­tet eben nicht, alles agil zu machen, son­dern das eine so und das ande­re so zu gestal­ten. Beid­hän­dig eben, mit Ambidextrie.

Es beginnt mit der Hal­tung, Wider­sprüch­lich­keit als Freund anzu­neh­men und die­se nicht als Feind zu bekämp­fen. Kei­ne Ver­ein­heit­li­chung, Diversifizierung.

Ambi­dex­trie ist der insti­tu­tio­na­li­sier­te Widerspruch

Wir fin­den zudem, dass Ambi­dex­trie die wirk­li­chen Her­aus­for­de­run­gen um eini­ges kla­rer stellt als „Agi­li­tät“ — weil ihre Aus­ge­stal­tung indi­vi­du­ell und die eigent­li­che Füh­rungs­auf­ga­be ist. Es beinhal­tet kein „Scrum“, „Kan­ban“ oder „Manage­ment 3.0“, das ein­fa­che Lösun­gen ver­spricht. Ambi­dex­trie for­dert ein Mind­set, das den insti­tu­tio­na­li­sier­ten (und nicht etwa auf­ge­lös­ten) Wider­spruch als Nor­mal­zu­stand begreift. Zwar könn­te der Hau­­fe-Qua­­drant, der als Matrix Orga­ni­sa­ti­ons­de­sign und Mit­ar­bei­ter­rol­le in Bezie­hung setzt, als eine Art ambi­dext­re Stand­ort­ana­ly­se begrif­fen wer­den, jedoch lei­tet sich dar­aus kein Lösungs­ver­spre­chen ab, wie es teil­wei­se im agi­len Kon­text geschieht. Struk­tu­ren und Arbeits­wei­sen müs­sen den The­men viel­mehr ange­mes­sen sein. Nach wie vor gibt es Unter­neh­men und Unter­neh­mens­be­rei­che, in denen Arbeit als “ein­fach” kate­go­ri­siert wer­den kann — Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on ist da fehl am Platz. Stu­di­en, die die situa­ti­ven Ansät­ze zu vali­die­ren such­ten, bele­gen, dass bei ein­fa­chen Jobs eine auf­ga­ben­ori­en­tier­te Füh­rung von oben wirk­sam ist, kein kol­le­gia­les “Team­ein­an­der”.

Ambi­dex­t­res Den­ken ersetzt ein­sei­ti­ge Stärkenkonzentration

Kon­tex­tu­el­le Ambi­dex­trie beruht auf einem dia­lek­ti­schen Ansatz – es gilt stets zwei Sei­ten im Blick zu hal­ten. Das ist eine Fra­ge der Auf­merk­sam­keit von Füh­rung. Sie kön­nen sich auf die eine Sache oder die eine Stär­ke kon­zen­trie­ren oder aber auf zwei gegen­sätz­li­che und deren Balan­ce oder auch zeit­wei­se Domi­nanz des einen oder ande­ren im glei­chen Unter­neh­men im Blick hal­ten. Die Dia­lek­tik als Leh­re von den Gegen­sät­zen im Hegel­schen Sinn hat genau die­sen Ansatz. Es geht zeit­wei­se um ent­­we­­der-oder und manch­mal um sowohl-als-auch. Agi­li­tät auf der einen Sei­te braucht bei­spiels­wei­se Sta­bi­li­tät auf der ande­ren (wenn alles in Bewe­gung ist, gibt es weder Halt noch Orientierung).

Die ambi­dext­re Denk­wei­se setzt auf „ver­teil­te Ener­gie“ statt „alle Kraft voraus“ 

Ambi­dext­re Orga­ni­sa­tio­nen ver­fol­gen also das eine UND das ande­re Ziel. Es geht einer­seits um Explo­ra­ti­on und and­rer­seits um Explo­ita­ti­on, das heißt das Märk­te müs­sen erkun­det, aber auch aus­ge­schöpft wer­den. Dar­un­ter erge­ben sich eine Rei­he auf den ers­ten Blick wider­sprüch­li­cher Themen:

  • Inno­vie­ren und bewahren
  • Pla­nen und experimentieren
  • Ver­än­dern und beibehalten
  • usw.

Zwei Sei­ten zugleich vor­an­trei­ben? Stu­di­en haben immer wie­der gezeigt, wie sinn­voll es ist, sich auf eine Sache zu kon­zen­trie­ren. So waren Men­schen erfolg­rei­cher, wenn sie nur ein Ziel A vor­an­trie­ben und kei­nen Alter­na­tiv­plan B in der Tasche hat­ten. Die Ziel­set­zungs­theo­rie von Lat­ham und Locke bewies, dass kla­re Zie­le Leis­tung bedin­gen. Danach steigt die Wahr­schein­lich­keit des Erfolgs durch eben­die­se. Aller­dings: Die genann­ten Unter­su­chun­gen bezie­hen sich auf die indi­vi­du­el­le Sicht. Die ist in Orga­ni­sa­tio­nen aus sys­te­mi­scher Sicht außer Kraft gesetzt.

Den­noch macht Ambi­dex­trie die Ziel­fin­dung kom­ple­xer. Eine prak­ti­sche Lösung könn­te dar­in lie­gen, die mit den ver­schie­de­nen Ziel­rich­tun­gen ver­bun­de­nen Auf­ga­ben auf unter­schied­li­che Schul­tern zu ver­tei­len. Wer das Geschäft am Lau­fen hält, muss nicht zugleich auch Inno­va­tio­nen im Blick haben. Dafür könn­ten dann spe­zi­el­le Berei­che zustän­dig sein. Die müs­sen so ein­ge­bet­tet (embedded) sein, dass sie im eige­nen Schutz­raum ihre Zie­le rea­li­sie­ren kön­nen.  Aber auch kom­bi­nier­te Lösunk­gen schei­nen mög­lich. Das Goo­g­­le-Modell der 80/20-Arbeits­­zeit (80% für die eigent­li­che Tätig­keit, 20% für eige­ne Pro­jek­te) ist ein ambi­dex­trer Ansatz, der seit lan­gem erfolg­reich ist.

Ambi­dext­re Füh­rung ver­sam­melt alle Füh­rungs­kon­zep­te unter einem Dach

Kaum spricht man von Ambi­dex­trie macht auch schon der Begriff ambi­dext­re Füh­rung die Run­de. Das ist kein Stil, son­dern die Ant­wort auf die ambi­dext­re Unter­neh­mens­füh­rung. Wer­den Inno­va­ti­on und Effi­zi­enz­ori­en­tie­rung par­al­lel betrie­ben, so for­dert das eine Per­so­nen­füh­rung, die dar­auf aus­ge­rich­tet ist. Im inno­va­ti­ven Kon­text ist eine coa­chen­de Füh­rung erfolg­rei­cher, geht es um Effi­zi­enz ist kein Füh­rungs­stil ein­deu­tig über­le­gen. Frü­he­re Kon­zep­te situa­ti­ver Füh­rung (so genann­te Kon­tin­genz­theo­rien) sind vor allem dar­auf aus­ge­rich­tet die Rei­fe des jewei­li­gen Mit­ar­bei­ters in den Mit­tel­punkt zu stel­len — was das Ver­hält­nis zr Rei­fe des Unter­neh­mens betrifft gibt es unse­res Wis­sens kei­ne Untersuchungen.

Mit dem Blick auf die ver­schie­de­nen Sei­ten aller Phä­no­me­ne, muss es Ziel sein, auf die Bedürf­nis­se der Märk­te, aber auch der Men­schen ange­mes­sen zu reagie­ren. Das ver­langt ein hohes Maß an Rol­len­fle­xi­bi­li­tät und eine aus­ge­spro­che­ne Rei­fe der Mit­ar­bei­ter. Sind die­se nicht in der Lage, bei­de Sei­ten gleich­zei­tig zu den­ken und inner­lich zu ver­tre­ten, so wer­den sie ein rol­len­fle­xi­bles Ver­hal­ten all­zu­leicht als belie­big wahr­neh­men. Dies kann aber auch Teil der Stra­te­gie sein. Silo­den­ken wur­de bis­her oft als nega­tiv gese­hen. Die Wahr­heit aber ist, dass das Stre­ben nach Grup­pen­iden­ti­tät auch zu einem gewis­sen Wett­be­werb führt, der auch pro­duk­tiv sein kann. In die­sem Span­nun­sg­feld gelas­sen und klar zu agie­ren, ist die wah­re Her­aus­for­de­rung. Nicht ein bestimm­ter Stil.

Foto: hui-buh / Photocase.com

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