Studie: Home Office senkt Produktivität
Weniger Effizienz, Innovation und soziale Beziehungen, mehr Arbeit

Wir sind effizienter im Home Office? Möglicherweise beruht diese Wahrnehmung auf einer Wunschvorstellung seitens der Arbeitnehmerinnen. Denn eine Studie deutet darauf, dass Home Office zu Produktivitätsverlusten führt. Offenbar vor allem dort, wo hochqualifizierte Mitarbeiter tätig sind — und der Koordinationsaufwand steigt. Die Mitarbeitenden im Home Office mussten 30% mehr arbeiten, um auf die bisherige Effizienz zu kommen. Schuld daran ist vor allem… der erhöhte Kommunikationsaufwand.
Die Studie “Work from Home & Productivity: Evidence from Personnel & Analytics Data on IT Professionals” von Michael Gibbs Friederike Mengel und Christoph Siemroth ist im Mai 2021 veröffentlicht worden. Bei den untersuchten Mitarbeitern handelt es sich um ausgebildete Fachkräfte, die eine Arbeit mit erheblichen kognitiven, innovativen und zwischenmenschlichen Aufgaben ausüben. Das steht im Gegensatz zu den wenigen früheren Studien über die Produktivitätseffekte, die vor allem den Bereich niedrig qualifizierter Arbeit (Telearbeit) untersuchten oder/und sich auf die allererste Lockdown-Phase bezogen.
Studiendesign
Die Daten zur Studie stammen von einem der größten IT-Dienstleistungsunternehmen der Welt, mit über 150.000 Mitarbeitern, die mit Kunden auf der ganzen Welt zusammenarbeiten. Die meisten arbeiten im Heimatland, einem sich schnell entwickelnden asiatischen Land. Ein Teil des Geschäfts umfasst das Business-Process-Outsourcing, also ausgelagerte Produkt- und Prozessverbesserungen sowie Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen.
Dabei wurden verschiedene Variablen betrachtet, u.a. auch Frauen im Vergleich zu Männern und die Rolle von Kindern im Haushalt.
“Our research setting is notable, because it involves a type of employee and job which are important for innovation and growth, yet may face significant obstacles to fully remote work. The subjected are skilled professionals. Their jobs are complex, with multiple tasks, high cognitive demands, involve innovation, and require significant collaboration. This study is one of the first to study WFH for such professionals.”
Die Ergebnisse
Frauen leiden mehr
Frauen waren mehr von den negativen Effekten v on Home Office betroffen als Männer. Dieser Geschlechterunterschied war nicht auf die Anwesenheit von Kindern im Haushalt zurückzuführen. Vielmehr scheint es an anderen Anforderungen zu liegen, die an Frauen i gestellt werden, etwa die zusätzlichen häuslichen Aufgaben. Beschäftigte mit Kindern zu Hause erhöhten ihre Arbeitszeit signifikant stärker als diejenigen, die keine Kinder zu Hause hatten. Zudem sank ihre Produktivität deutlicher als bei denjenigen ohne Kinder.
Leichtere Anpassung für langgediente Mitarbeiter
Eine weitere Frage war, ob Mitarbeiter, die mit dem Unternehmen und seinen Prozessen besser vertraut sind, leichter mit Home Office umgehen können. Die Autoren fanden Hinweise, dass Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit ihren Output leicht erhöhen, Mitarbeiter mit geringerer Betriebszugehörigkeit hingegen nicht. Dies geschah unabhängig von Alters- oder Erfahrungseffekten. Dies deutet darauf hin, dass Mitarbeiter, die mehr an die Unternehmenskultur und ‑prozesse angepasst sind, sich besser an Home Office anpassen können, wenn kein Kollege am Nachbartisch für schnelle Hilfe oder Ratschläge zur Verfügung steht.
Mehr Arbeit für gleiche Produktivität
Der Produktivitätsrückgang wurde durch Mehrarbeit kompensiert, führte also nicht zu einem Rückgang des durchschnittlichen Outputs, da die geleistete Arbeitszeit dies kompensierte. Es wäre interessant zu sehen, ob diese Veränderung über einen längeren Zeitraum nachhaltig war, vor allem angesichts der Belege für die negativen Auswirkungen langer Arbeitszeiten auf das Wohlbefinden, die geistige und körperliche Gesundheit der Mitarbeiter.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Vorhersagen für den Erfolg auf der Grundlage von Berufsbeschreibungen zu optimistisch gewesen sein könnten, vielleicht weil Fachkräfte viele Aufgaben ausführen, die Zusammenarbeit, Kommunikation und Innovation erfordern. All dies ist bei virtuellen, geplanten Interaktionen schwieriger zu erreichen.
Erhöhte Koordinationskosten können bedeuten, dass Teams und andere Arbeitsbeziehungen gelitten haben. Mitarbeiter verbrachten weniger Zeit damit, sich untereinander und mit Personen außerhalb des Unternehmens zu vernetzen.
Die Autoren folgern, dass das zu einem Verlust an sozialem Kapital führen könnte. Wenn Menschen am selben Ort arbeiten, erleben sie ungeplante Interaktionen. Das kann zu neuen Arbeitsbeziehungen und “produktiven Unfällen” führen, die Innovationen anregen. Die Mitarbeiter hatten weniger Gelegenheit hatten, sich von Mentoren coachen zu lassen und sich direkt mit Vorgesetzten zu treffen. Dadurch, so Gibt & Co. sei es zu einem Verlust an Humankapital gekommen.
Wir meinen
Home Office ist herausfordernd, erst recht auf Dauer. Es erfordert unserer Erfahrung nach sehr viel Know-how — auch und gerade bei der Führung. Um ungeplante Interaktionen bei Videokonferenzen zu erzeugen, braucht es eine ganz besondere Atmosphäre und viel Vertrauen. Dies fällt nicht vom Himmel, sondern wird typischerweise langsam aufgebaut — und leichter, wenn man Zeit hatte, sich kennenzulernen.
Die gesamte Studie finden Sie hier.
Mehr Teamworks-Studien hier.
Video von Svenja zu Home Office hier.
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So ein Schwachsinn kann doch nur von einer bezahlten Studie kommen, deren Auftraggeber unbedingt Argumente gegen Work from Home haben wollte. Seit 2011 arbeite ich mobil, zu 90% von zu Hause aus — und ich bin weder vereinsamt, noch fehlt mir: entschuldigung stör ich… noch die aufgeblasenen Selbstdarsteller noch wurde ich bei Beförderung oder Gehaltserhöhung “übergangen” — schlussendlich sind sowohl der AN als auch der AG mit Work from Home zufrieden. Wer hier mit solchen fadenscheinigen Aussagen daherkommt hat einfach kein Vertrauen in seine Mitarbeiter und wird am Ende des Tages Probleme bekommen adäquate und qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
Hallo Torsten, danke für die individuelle Sichtweise. Es freut uns, dass sie Dinge, die andere erleben, selbst nicht erlebt haben. Zu ihrer generellen Studienkritik: Studien sollten zu einem offenen Diskurs beitragen, sie haben nie den Anspruch, Wirklichkeit abzubilden oder Wahrheit zu belegen. Es ist wichtig, ihre Herkunft zu betrachten und natürlich auch das Studiendesign.
Ihr Teamworks-Team
Es hinterlässt den Eindruck, dass diese Studie von Menschen (Chefs?) ins Leben gerufen wurde, die sich gegen das Home Office aussprechen wollen, womöglich aus Angst vor Kontrollverlust? Es gibt inzwischen genügend Studien die das Gegenteil beweisen und auch aus persönlicher Erfahrung und aus dem Bekanntenkreis kann bestätigt werden, das Home Office die Produktivität und Effizienz dank der Flexibilität steigert und dem Arbeitgeber Ressourcen ohne Ende einspart. Und sollte man merken dass HO nichts für einen ist, oder einem die Decke auf den Kopf fällt, kann man ja immer noch ins Büro gehen.