Studie: Was macht eine agile Führungskraft wirklich aus?

Immer mehr Forschungsprojekte beziehen sich auf Agilität und die Digitale Transformation. Auch die Führungsforschung erneuert sich gerade mit den aktuellen Themen. Nun hat ein Forschungsbericht von Meta Beratung, IMD Lausanne und Cisco ermittelt, was agile von nicht-agilen Führungskräften unterscheidet. Was ist es?
Agile Führungskräfte haben nach der Studie “Redefining Leadership” ein allgemeines und soziales Hyperbewusstsein. Das bedeutet: Sie scannen interne und externe Kontexte und suchen dabei nach Chancen und Risiken. „Hyperawareness: Constant scanning of internal and external environments for opportunities and threats”, nennen das die Autoren.
Das ist das, was wir mit unserem Hyperwürfel zu vermitteln suchen: Je größer das Bewusstsein für Kontexte ist, je selbstverständlicher Führungskräfte sich daran orientieren und darin ohne Angst vor Widersprüchen bewegen, desto “agiler” sind sie. Für uns das Interessante an diesem Ergebnis ist die Einteilung in eine allgemeine und eine soziale Dimension des Hyperbewusstseins. Denn agile Führungskräfte sind neugierige und lernfreudige Personen — das hört beim Zwischenmenschlichen nicht auf.
Diese Orientierung am Kontext bedeutet, dass diese Führungskräfte sich aktiv auch eigenen Grundannahmen widersprechende Informationen vom Markt, den Kunden, Partnern, Mitarbeitern einholen. Es bedeutet, dass sie diese Informationen nicht mit dem Selbstbestätigungsbias zermalmen, sondern bewerten und integrieren können. Sie sind damit im psychologischen Sinn reife Persönlichkeiten, die auch keinerlei Probleme mit eigenen Richtungswechseln haben.
Wesentliche Ergebnisse der Studie
Agile Führungskräfte unterscheiden sich auf drei Dimensionen von klassischen:
- Hyperbewusstsein: Durch ständiges Beschaffen von Informationen und Trends erspüren sie intuitiver, was Bedürfnisse und Themen sind. Sie sind informierter und verstehen deshalb auch eher, welche Bedürfnisse Kunden morgen haben könnten. Sie sind damit auch stets up-to-date in Technologie, kennen Tools und suchen neue Lösungen. Das bezieht sich auf viele Felder und nicht nur das eigene Fachgebiet. Widersprüche sind für sie normal. Somit gehen sie souverän mit Ambiguität, Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten um.
- Informierte Entscheidungsfindung: Wie wird mit Informationen umgegangen? Grundlage der Entscheidung ist bei klassischen Führungskräften eher die Intuition. Das ist bei agilen Leadern anders; sie sind weniger von Bauchgefühlen gesteuert. Statt dessen sammeln agile Leader weitere Daten, insbesondere auch unbequeme Informationen. Sie wissen: Intuition beruht auf Erfahrungen aus der Vergangenheit sind somit nicht repräsentativ.
- Umsetzung. In dieser Dimension waren die Unterschiede am deutlichsten sichtbar. Nicht auf Planung und Dokumentation oder Testen und Optimieren kommt es an. Nein, es geht darum, schnell als erster den Fuß in die Tür zu bekommen, optimieren lässt sich später immer noch.
Doch was sind die genauen Verhaltensweisen, die agile Führungskräfte zeigen? Das lässt sich auf die Formel HAVE reduzieren (und ist dadurch gut merkbar).
- Bescheidenheit, humbleness: Gemeint ist intellektuelle Bescheidenheit, das bedeutet z.B. es wertschätzen, wenn andere bessere Ideen haben. 85% unterstützen ihr Team, 50% sind auf hohem Level lernbegierig.
- Anpassungsfähigkeit, adaptibility: Agile Führungskräfte arbeiten iterativ, suchen nicht nach vollständigen Lösungen, streben nicht dem Perfekten und folgen keinem starrer Plan. Sie zerlegen komplexes Vorhaben in Teilziele, experimentieren, holen Feedback ein und nehmen Richtungswechsel vor, weil sie immer wieder neu bewerten.
- Visionsorientiert, visionary: Agile Führungskräfte tragen ihre Vision vor sich her, machen sie zu ihrer Marke. Sie sind wie Kleber für andere, schaffen ein gemeinsames Zielbild.
- Engagiert, engaged: Agile Leader sind im Austausch mit Kollegen, Kunden und Externen. Diese Verhaltensweisen zeigen die soziale Ader des Hyperbewusstseins. Sie bauen interne und externe Netzwerk und den eigenen Einfluss aus, investieren mehr Zeit in Kommunikation als klassische Führungskräfte, 85% häufiger im Austausch, ermutigen zu hinterfragen, sind „ver-rückt“ von der Norm.
Die Studie “Redefining Leadership”. beinhaltet eine quantitative und qualitative Komponente: „The quantitative component of the research involved an online self-reported questionnaire completed by 1,042 respondents between October and December, 2016. (…) Respondents were mid to senior executives from 17 industries (or “other”) in 78 countries.” Die qualitative Seite bestand aus halbstrukturierten Interviews per Telefon oder einer Videokonferenz mit 19 Führungskräften aus 10 Ländern, die 2016/2017 durchgeführt wurden.
Kritik:
Es ist unklar, wie überhaupt definiert wurde, was ein agiler Leader im Unterschied zu einem klassischen ist. Dies wird auch unter „Methoden“ nicht explizit gesagt. Wie wurde ausgewählt? Offenbar wurden Personen gezielt angesprochen, da von einer Rücklaufquote von 7,5% die Rede ist.
Wir können nur vermuten, dass die agilen Leader aus Startups stammen, die klassischen aus anderen Branchen. Das lässt aber die Frage offen, warum z.B. Matthias Döpfner als „agile Leader“ zitiert wird. Unklar oder unveröffentlicht auch weitere soziodemografische Daten, der Frauenanteil und die Altersverteilung.
So werbewirksam also die Ergebnisse, so unklar ist ihr Entstehen. Schaut man sich die Initiatoren an, so fällt neben der IMD Lausanne die Firma Meta-Beratung auf, die vor allem auf Hogan-Assessments spezialisiert ist. Have. Verhaltensweisen zu messen, könnte durchaus in ihrem Interesse liegen.
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In der immer komplexeren Welt brauchen alle Führungskräfte die Fähigkeit, intuitiv zu entscheiden… kongnitiv lassen Sie die Kontexte überhaupt nicht mehr erfassen.
ja, genau.Das sagt die Studie ja auch aus, wenn man die psychologischen Hintergründe mitdenkt. Je komplexer das Denken, desto mehr muss auch die emotionale Entwicklung fortgeschritten sein.