Von Agil bis Theorie U: 5 sichere Anzeichen für eine Managementmode
Von Svenja Hofert für Teamworks GTQ GmbH

Besser geht es immer. Fast in jedem Umfeld klagen Menschen über schlechte Führung, fehlende Strategien und Widersprüche. Manager stoßen an eigene und systembedingte Grenzen und suchen nach dem Wunderkonzept, das alle Probleme löst. Selbst verunsichert, gieren sie nach Orientierung und finden sie in neuen Konzepten und Methoden. Doch allzu leicht wird so eine Methode als ultimative Wahrheit dargestellt, Allheilmittel dargeboten und unreflektiert angenommen. Wiie unterscheidet man Managementmethode von einem sinnvollen Ansatz? Was sollte misstrauisch machen?
In der Zeitschrift „Systeme“ kritisierte Stefan Kühl — renommierter Soziologe und Autor vieler Bücher zu Organisation und Management — die von einigen Beratern gehypte Theorie U von Claus Otto Scharmer. Ich erlaube mir, das Thema hier aufzugreifen, aber andere Aspekte einzubringen.
Fünf Anzeichen, dass es sich um eine Managementmode handelt oder das ein Berater etwas so verkauft. Lesen Sie jetzt, worauf Sie achten sollten:
1. Der absolute Ansatz: Die Methode hat sich von der Haltung gelöst
Alles wird gut! Wenn wir nur… Das Anliegen der Theorie U ist individuelles und Silo-Denken zu überwinden und zum Wohle des Ganzen zu fördern. Kühl nennt das die „Wir-retten-die-Welt-Haltung“. Die Theorie U richtet sich also an Individuen, Unternehmen, Politik und auch die Gesellschaft. Sie möchte den Raubbau an unseren natürlichen Lebensgrundlagen sowie das Well-Being von Wenigen auf Kosten der Vielen entgegenwirken. Das ist erst einmal eine Haltung und keine Theorie. Als Kenner von Spiral Dynamics könnte man diese auf Stufe “türkis” orten, im Ich-Entwicklungsmodell von Loevinger auf Stufe 8 (systemisch) und bei Torbert und Rooke bei dem Alechemisten (entspricht der Loevinger-Stufe 8). Gerade mal 4% aller westlichen Manager können eine solche Haltung einnehmen. Und das ist für mich ein Haken, vor allem wenn die Haltung zu Theorie-Ableitungen und diese zu Methoden führen. Die Haltung der meisten Manager bietet keinen Boden für diese Methode. Man könnte sie entwickeln, etwa durch Reflexion und Metareflexion, also Reflexion der Reflexion. Einige Führungskräfte haben mir berichtet, dieses Reflektieren auf Basis der Theorie U habe unheimlich viel bei ihnen ausgelöst — und ihre Haltung verändert, allerdings keineswegs Richtung absoluter Ansatz, sondern hin zu mehr Offenheit.
Die Gefahr besteht jedoch, dass die Haltung zur Methode umfunktioniert und dann zum absoluten Ansatz deklariert wird. Scharmer gibt Beratern viele schön designte und detailliert beschriebene Modelle an die Hand. Es entsteht der Eindruck von “so ist es richtig.” Modelle ziehen auch Menschen an, die den pauschalen Ansatz und die Schritt-für-Schritt-Anweisung lieben, die Haltung dahinter aber in ein Extrem umdeuten. Modelle werden dann mit einer anderen als der beabsichtigten Haltung genutzt, mit einer eingeimpften Überzeugung ad absurdum geführt. Wenn Inhalte sich dann weiterverbreiten, wird aus einer Haltung eben genau das, was Kühl aus einem ganz anderen Blickwinkel bemängelt — eine Mode im Sinne von etwas wenig Nachhaltigem. Wer die Methode ohne Haltung verkauft, lässt zu, dass beides auseinander driftet und zum absoluten Ansatz wird. Daraus wieder können sich sektiererische Tendenzen entwickeln, Menschen werden zu unterwürfigen “Jüngern”.
Soziale Systeme funktionieren unterschiedlich. Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur, seine eigene Reife – ebenso wie die in ihm arbeitenden Menschen. Der absolute Ansatz verkauft eine von der Haltung losgelöste Methode an jeden und alles. Das war vom Urheber nie so gedacht. Ein Beispiel dafür ist nicht nur die Theorie U, sondern auch die Theorie X von Douglas McGregor, die aus den 1960er Jahren stammt. Diese wird oft so interpretiert: „Ihr alle müsst eine Y‑Haltung haben, also von einem engagierten Menschen ausgehen, sonst liegt das Nicht-Funktionieren an euch, eurer Haltung, eurem Denken. Ändert euer Denken, dann ändert ihr die Menschen.“ Das ist Unsinn. Eine Y‑Haltung allein produziert keine X‑Menschen. Das hat McGregor auch nie behauptet.
Vorsicht also, wenn Ihnen jemand eine Haltung als Methode verkauft, die zudem alle Probleme auf gleiche Art und Weise zu lösen vorgibt. Überhaupt ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten, wenn Berater sich auf eine einzige Methode festlegen, es sei denn im reinen Fachbereich.
2. Entweder-oder-Haltung: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns
Agil oder nicht agil, ganz oder gar nicht, X oder Y, rot oder blau: Oft gibt es da, wo vermeintliche Vordenker neue Methoden in die Welt tragen, eine Haltung, die starrer gar nicht sein könnte. Die Veränderungen in der Arbeitswelt, neudeutsch VUKA – Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität – fordern ein konstruktivistisches Grundverständnis, das entweder-oder in ein sowohl-als-auch wandeln sollte. Wer aber absolute Wahrheiten mit der Brechstange einbringen möchte, denkt entweder-oder. Systemisch betrachtet unsinnig: Unternehmen sind so unterschiedlich, dass es gar nicht sein kann, dass die gleiche „Pille“ allen hilft. Da ändern auch die Digitalisierung und Industrie 4.0 nichts.
Vorsicht, wenn Ihnen jemand „nur das eine“ empfiehlt, weil „das andere“ nicht funktioniert. Fragen Sie mal, wie viele Gründe der Berater hat, dass das andere vielleicht doch gut wäre…oder beides und gar nichts davon?
3. Der wissenschaftlich fundierte Ansatz: Die Methode ist nachweislich erfolgreich
Ja, auch wir bei Teamworks haben Studien durchgeführt, etwa für mein Buch „Agiler führen“. Und nein, wir glauben nicht, dass diese den ultimativen Beweis erbringen. Das tun aber auch wissenschaftliche Studien nicht, denen man eher wissenschaftliche Neutralität zutrauen könnte, aber auch nicht zwingend muss. Wissenschaftler haben auch Prägungen, unterliegen Selbstbestätigungstendenzen und sind keineswegs immer frei von kommerziellem Interesse. Studienergebnisse verkaufen sich gut. Und so findet sich für fast jede These eine Gegenthese. Sie müssen schon viel lesen und sich wirklich gut in wissenschaftlichen Methoden und Statistik auskennen, um Tendenzen zu erkennen, die mehr als den Wert einer Headline haben. Aber auch diese sind keine Beweise – erst recht nicht für die Wirksamkeit von Methoden in Unternehmen.
Vorsicht: Es ist sicher nicht schlecht, wenn ein Anbieter eine Studie vorlegen kann, aber das allein sollte Sie nicht beeindrucken. Mitunter sind Erfahrungen wie sie Praktiker machen, am Ende aussagekräftiger.
4. Die Best Practice-Falle: Die Methode ist praktisch erprobt
Wer mit der Wissenschaft nicht weiterkommt, der nimmt halt die Praxis, aber besser nicht seine eigene. Und so werden von Vordenkern immer die gleichen Unternehmen genannt, die durch den Einsatz einer Managementmethode den Durchbruch erzielt haben. Nehmen wir die „Holakratie“, die von Brian Robertson entwickelt wurde — ähnlich wie hinter der Theorie U steckt auch hier eine (Wert-)Haltung, die in eine Theorie umgemünzt und eine Methode gesteckt wurde. Wie Holakratie “wirkt”, dazu gibt es keinerlei wissenschaftliche Studien. Das Unternehmen Zappos, eine Amazon, Tochter, dessen CEO Tony Tsieh mit zwei Lamas in einem Wohnwagenpark lebt, hat sie dennoch eingeführt – und seitdem geht es laut einigen Insidern bergab. In der New York Times war die Rede von 18% Mitarbeitern, die das Unternehmen seit der Einführung verlassen haben. Was das mit der Unternehmenskultur gemacht hat, ist unklar. Und ob es “richtig” war in dem Sinne das das gewünschte Ergebnis erzielt wurde, ebenso. Weil es oft sowieso unklar ist, was genau das Ergebnis eigentlich sein soll, außer sehr allgemein Zielorientierung, Wendigkeit, Flexibilität und Transparenz — auch von “glücklichen” Mitarbeitern ist die Rede.
Vorsicht, wenn Ihnen klangvolle Namen als Vorreiter-Unternehmen präsentiert werde. Googeln Sie die Firmen, recherchieren Sie Hintergrundinformationen. Wirklich relevant ist, was ein, zwei, drei Jahre nach der Einführung einer Managementmethode geschieht…
5. Der revolutionäre Ansatz: Wenn alles neu soll
Haus renovieren? Nein, bitte gleich abreißen. Ausprobieren sei etwas für Feiglinge und Leute, die sich nicht trauen, Weichen zu stellen. So verkaufen es viele Vordenker und Berater. Und das können sie auch, wenn sie nach dem Beratungsauftrag wieder weg sind oder mit einer neuen Methode im Angebotskoffer nach zwei Jahren erneut Umsatz machen können. Es gibt Häuser, die man abreißen kann, einige lassen sich sanieren und eine Menge benötigen nur Renovierung. Oder anders ausgedrückt: Manchmal braucht es Revolutionen, oft aber auch nur eine Evolution. Die Frage ist zudem, was genau die Revolution beinhalten soll. Einige Unternehmen sind in offenen Umgestaltungsprozessen, auch im Zusammenhang mit mehr Agilität. Dabei werden alle Ebenen in einen Dialog eingebunden. Das ist keine Managementmode, sondern eine unternehmensstrategische Vorgehensweise verbunden mit einer Haltung, die den offenen Ausgang zu zulässt.
Vorsicht vor Ansätzen, die Revolutionen fordern und Top-down durchregieren und zudem ein konkretes Ergebnis versprechen, etwa engagierte Mitarbeiter, Flow oder die Einbindung der doch so anders denkenden Generation Y…
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