Von Erziehung zu Entwicklung: Die Kraft von gutem Feedback mit dem Feedbackfächer nutzen
Erziehen Sie Ihre Mitarbeiter? Oder entwickeln Sie sie? Das ist ein entscheidender Unterschied, wenn Sie Feedback geben. Ihr Feedbackverhalten zeigt, wo Sie stehen. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied für alle, die denken, konstruktiv zu sein.
Viele Führungskräfte und Personalabteilungen haben, ohne es zu wissen und wollen, Erziehungsaufgaben übernommen. Da gibt es ein Ziel und Menschen, die daraufhin „entwickelt“ werden sollen. Ein wichtiges Instrument dazu ist Feedback. Das soll möglichst objektiv und konstruktiv gegeben werden. Leider ist das nicht möglich, denn objektives Feedback gibt es nicht. Auch nicht in 360-Grad-Form.
Bevor ich loslege, lassen Sie mich die hier relevanten Begriffe mit Inhalt füllen, denn alle abstrakten Begriffe sind irreführend, solange sie nicht mit einer Definition unterlegt sind. Diese Definitionen sind natürlich auch subjektiv und durch Disziplinen und auch Trends und gesellschaftliche Meme beeinflusst. Nichtsdestotrotz ist es immer sinnvoll, sich darüber zu verständigen, was man meint.
Verstehen Sie diese Definitionen also bitte als Vorschlag:
- Erziehung ist die Anpassung von jungen und erwachsenen Menschen an die jeweilige Kultur einer Gesellschaft oder/und eines gesellschaftlichen und kulturellen Subsystems.
- Entwicklung ist die Förderung der Autonomie und Entscheidungsfähigkeit eines Individuums. Sie hat viel mit Bildung zu tun — wenn es vielleicht nicht sogar dasselbe ist.
- Feedback ist jede Form von verbaler und nonverbaler Rückmeldung, ob diese mit oder ohne Erlaubnis gegeben wird.
Es gibt somit unbeabsichtigt gegebenes und absichtliches Feedback. Hier wollen wir von absichtlichem Feedback sprechen, das mit und ohne Erlaubnis erfolgen sowie informell oder formell verankert sein kann.
Feedback kann Erziehung und Entwicklung betreffen
Feedback kann Erziehung und Entwicklung betreffen, in unserer Gesellschaft betrifft es derzeit noch häufiger Erziehung. Schauen wir unterschiedliche Bildungsinstitutionen an, so treffen wir wahlweise auf einen erziehungs- oder einen entwicklungs- bzw. bildungsgeprägten Feedbackbegriff. In den meisten Organisationen herrscht der erziehungsgeprägte Feedbackbegriff vor. Es gibt gar kein Bewusstsein für den anderen.
Ein neues Feedbackverständnis
Nun wünschen wir uns in unserer neuen Arbeitswelt fundamentale Veränderungen und damit einhergehen muss, so finde ich, ein neues Feedbackverständnis. Wir alle wissen, welche Wirkung Rückmeldungen haben können. Positive und negative, wobei manchmal gar nicht klar ist, was eigentlich positiv in seiner Wirkung ist. Und so gibt es durchaus negatives Feedback, das radikalen (positiven) Wandel auslösen kann, wenn es zur Haltung „denen zeig ich es jetzt aber“ führt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn ich an meine maximalwirksamen Feedbacks geht, so kamen die in jüngeren Jahren ganz überwiegend aus dieser Haltung.
Denen zeig ich es jetzt aber — unberechenbare Feedbackresonanz
Solche Feedbacks sind sehr wichtig für die Lebensweggestaltung, normalerweise jedoch nicht das, was wir Mitarbeitern in Unternehmen mitgeben wollen. Hinzu kommt, dass das lebenskraftfördernde „denen zeig ich es jetzt aber“ aus Unternehmenssicht kontraproduktiv wirken kann.
Es gibt so nette Regeln wie „drei Mal positiv, einmal konstruktiv“, die für Einsteiger sehr hilfreich sind, doch irgendwann an Grenzen geraten und von sicheren Persönlichkeiten als Wischiwaschi empfunden werden können. Positives Feedback kann nämlich auch eine Falle sein. Es mag dazu führen, dass sich jemand in die Hängematte legt und zu schnell mit sich zufrieden ist. Beim Thema Feedback muss man nämlich Kontext, Situation und Person zusammendenken. Positives Feedback ist deshalb besonders wichtig, um unsichere Persönlichkeiten zu stabilisieren und zu ermutigen. Sichere Persönlichkeiten bringt es dagegen weniger voran.
Fazit: Konstruktives Feedback braucht ein Konstrukt
Dann doch bitte konstruktives Feedback könnte die geneigte Leserin nun denken. Und da hakt es leider. Konstruktives Feedback lässt sich nur in Zusammenhängen geben, die wirklich beurteilt werden können, weil eindeutig und klar ist, was zum Erfolg führt. Das ist in komplizierten Zusammenhängen möglich, aber durch jemanden, der wirklich tiefe Expertise hat. Ein erfahrener Cellist kann seinem Schüler Feedback geben, eine Führungskraft seinem Mitarbeiter in aller Regel maximal im fachlichen Kontext, sofern dieser kompliziert ist – und deshalb heutzutage immer weniger. In Sachen Verhalten sollte er sich zurückhalten, sofern er nicht erziehen möchte und damit die unerledigten Aufgaben von Papa und Mama fortführen oder „überschreiben“ will.
Standards werden zu oft blind als gegeben angenommen
Feedback sagt immer mehr über den Feedbackgeber aus als über den Feedbackgebenden, wenn wir einen konstruktivistischen Blickwinkel einnehmen. Zum Beispiel ist das Feedback „du solltet mehr mit Flipcharts arbeiten“ aus einer individuellen Brille, beispielsweise der Bikablo-geprägten Welt formuliert. Hier wird ein Standard vorausgesetzt, nämlich Bikablo-Flipcharts. Das ist auch der Fall, wenn man das netter formuliert und „mir würde es sehr gefallen, wenn du mehr mit Flipcharts arbeitest“ daraus macht. „Ich wünsche mir konkretere Anleitungen“ orientiert sich ebenso an einem Standard, ist aber so formuliert, dass es ohne große emotionale Verrenkungen angenommen oder abgelehnt werden kann.
Perspektivenfeedback ist wunderbar, wenn man sich dessen bewusst ist
Ich würde es individuelles Perspektivenfeedback nennen und weniger „konstruktiv“. Konstruktiv setzt eben dieses Konstrukt als Standard voraus. Deshalb ist konstruktiv gedachtes Feedback deshalb oft eher Perspektivenfeedback – es spiegelt einen individuellen Blickwinkel, der durch Kontexterfahrung geprägt ist. Konstruktives Feedback dagegen braucht einen Standard, der von Feedbackgeber und Feedbacknehmer geteilt wird.
Ist es sinnvoll, dass ein Standard von einer Personengruppe geteilt wird? Ja, wenn wir im erzieherischen Kontext bleiben. Dann erzieht der Standard hin zum gemeinsam geteilten Konstrukt. Wer etwas neu lernt, muss so arbeiten, bis er etwas gut kann. Wenn es darum geht, Standards zu durchbrechen — nachdem die Erziehung (oder auch das Lernen) abgeschlossen ist – ist konstruktives Feedback allerdings nicht mehr so sinnvoll.
Dann geht es mehr darum, beobachtendes Feedback zu geben. Ein Feedback also, das sich selbst bewusst ist, dass es aus der Perspektive eines Beobachters erfolgt. „Alles, was gesagt wird, wir von einem Beobachter gesagt“, schrieb der Systemiker Maturana. Und im fortgeschrittenen Konstruktivismus beobachtet der Beobachter eben auch selbst, wohlwissend, dass er das gar nicht kann und auf andere angewiesene ist, Stichwort Johari-Fenster.
Feedback neu denken
In einem solchen, fortgeschrittenen Zusammenhang empfehlen wir, Feedback neu zu denken. Wir haben dafür unseren Feedbackfächer entwickelt. Dieser spiegelt wie immer keine Wahrheit, aber eine Vorgehensweise, die hilft uns zu reflektieren, bevor wir unsere Feedbackgedanken rausschießen. Wir arbeiten bei Teamworks viel mit „Feedback des Feedbacks“, wir feedbacken also das gegebene Feedback. Es wird dadurch vielschichtiger. Es verknüpft sozusagen Mindset mit Methode. Wer mit Menschen arbeitet und diese nicht erziehen, sondern entwickeln will, sollte sich unbedingt darin schulen, beobachtendes Feedback zu geben.
Feedbackfächer
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Danke für den Beitrag. Gefällt mir super!
Gerade im Kontext von Vielfalt und Chancengleichheit begegnet es mir extrem oft, dass Menschen im Prinzip gesagt wird, sie sollen doch bitte einfach so sein, wie die anderen. Da ist der Feedbackfächer ein extrem hilfreiches Instrument.