Was Agi­li­tät am meis­ten bremst

5 Agi­li­täts-Hin­der­nis­se

Agi­li­tät ist der Ren­ner. Doch als Hoff­nungs­trä­ger für alle taugt das Kon­zept nicht. Die Ein­füh­rung schei­tert immer an ähn­li­chen Hür­den und Hin­der­nis­sen. Und nach­her ist es oft schlim­mer als es vor­her war…

Als ich 2012 mein Buch „Agi­ler füh­ren“ kon­zep­tio­nier­te, ahn­te ich wohl, dass Agi­li­tät die Pro­jekt­ma­nage­mente­cke ver­las­sen wür­de. Doch der der­zei­ti­ge Hype toppt alle Erwar­tun­gen. Inzwi­schen sehen wir vie­le geschei­ter­te Pro­jek­te und jede Men­ge ent­täusch­te Erwartungen.

Dar­aus haben wir unse­re inof­fi­zi­el­le Hit­lis­te der bes­ten Agi­li­täts­kil­ler erstellt, und ver­mit­teln en pas­sent auch, was man tun kann. Wir gehen hier ganz bewusst nicht auf die Klas­si­ker Hier­ar­chien und Büro­kra­tie ein, son­dern auf Aspek­te, die im All­ge­mei­nen weni­ger gese­hen werden:

Agi­­li­­täts-Hin­­der­­nis 1: Sta­ti­sche Mindsets

“Der Mensch ist, wie er ist.“ Wer das von sich selbst denkt, denkt es auch von ande­ren. Ein solch sta­ti­sches Den­ken ist für Ver­än­de­rungs­pro­zes­se hin­der­lich – aber aus­ge­spro­chen ver­brei­tet. Die meis­ten Füh­rungs­kräf­te glau­ben immer noch, dass wir Men­schen uns nicht wesent­lich ver­än­dern kön­nen. Dabei ver­wech­seln sie die natür­li­che Ver­­har­rungs- und Selbst­be­stä­ti­gungs­ten­denz in einem bestehen­den Umfeld mit gene­rel­len Ver­än­de­rungs­mög­lich­kei­ten. Die Unter­schei­dung von Carol Dweck zwi­schen Growth und fixed mind­set gibt hier eine gro­be Ori­en­tie­rung. Men­schen mit wachs­tums­ori­en­tier­ten Mind­set glau­ben dar­an, dass sie sich selbst ändern kön­nen – und dem­entspre­chend ande­re auch. In mei­nem Huf­­fin­g­­ton-Post-Blog kön­nen Sie unter dem Stich­wort agi­les Mind­set mehr dazu lesen. Oder im Video hier.

Agi­­li­­täts-Hin­­der­­nis 2: KPI-Orientierung

Aber wir brau­chen doch KPIs! Die­se Dis­kus­si­on habe ich jedes Mal auf Vor­trä­gen. Klar, sage ich dann. Aber wel­che? Und kön­nen KPIs wirk­lich das mes­sen, was wir mes­sen wol­len – näm­lich eine schnel­le­re Reak­ti­on auf Märk­te? Was sind die Ver­gleichs­grö­ßen? Agi­li­tät bedeu­tet kei­nen Ver­zicht auf KPIs, nur müs­sen die Metri­ken wesent­lich fle­xi­bler sein. Im agi­len Pro­jekt­ma­nage­ment kennt man bei­spiels­wei­se die Velo­ci­ty, die Schnel­lig­keit pro Sprint, die das Team schätzt und durch ite­ra­ti­ves Vor­ge­hen der tat­säch­li­chen Geschwin­dig­keit anpasst. Das ist eine Ori­en­tie­rungs­grö­ße, die aber nicht zum Ver­glei­chen von Teams taugt — was tra­di­tio­nel­le Mana­ger immer ger­ne möchten.

So sucht man oft ver­geb­lich nach den ulti­ma­ti­ven Agil-KPIs. Fin­det man sie im Bereich der Inno­va­ti­on? Eini­ge suchen dort. Ich glau­be aber nicht, dass die Zahl ein­ge­reich­ter Ideen eine gro­ße Aus­sa­ge­kraft hat, denn die Quan­ti­tät sagt zum Bei­spiel nur, dass Mit­ar­bei­ter zum Bei­spiel im lang­fris­ti­gen Ver­gleich sich mehr ein­zu­rei­chen trau­ten. Auch das Ver­hält­nis ein­ge­reich­ter Ideen zu rea­li­sier­ten sagt allein wenig über ech­te Inno­va­ti­ons­tä­tig­keit. Ideen, die rea­li­siert wur­den und dann ent­spre­chen­de Umsät­ze brach­ten? Schon bes­ser. Am Ende braucht man vie­le Grö­ßen und die müs­sen auch immer noch inter­pre­tiert wer­den. Man braucht zudem eine kurz‑, mit­­tel- und lang­fris­ti­ge Sicht. Wei­ter­hin hilft es anzu­er­ken­nen, dass nicht alles mess­bar ist. Wich­tig ist auch KPIs selbst als flie­ßend und in lau­fen­der Ver­än­de­rung befind­lich zu begrei­fen… das fällt vie­len schwer, denn es ist ein anstren­gen­der Pro­zess. Hier möch­te ich auf Niels Pflä­gings “Füh­ren mit fle­xi­blen Zie­len” ver­wei­sen. Das ist ein Ansatz.

Agi­­li­­täts-Hin­­der­­nis 3: Silo-Denken

Silos sind für mich die Kana­li­sie­rung von Schwarz-Weiß-Den­ken, gesteu­ert von Grup­pen­dy­na­mik und gefüt­tert von Emo­tio­nen und Moti­va­tio­nen. Genau da liegt eine erheb­li­che Ein­fluss­mög­lich­keit. Es gibt die frucht­ba­re Abgren­zung des zeit­wei­li­gen Bes­­ser-Seins und die nega­­tiv-destruk­­ti­­ve des Abwer­tens von ande­ren. Im Silo domi­niert die Angst vorm “Frem­den”, im Wett­be­werb die Freu­de des Gewin­nens, der Spaß am Spiel. Das sind grund­le­gend ande­re emo­tio­na­le Qua­li­tä­ten. Dazu habe ich gera­de in mei­nem Haus-Blog geschrie­ben.

Agi­­li­­täts-Hin­­der­­nis 4: Spieltrieb

Vie­le füh­ren Spiel­kram ein und bedie­nen damit vor allem den Spiel­trieb. Da wer­den ein paar agi­le Spie­le gemacht (nicht falsch, aber als Ein­zel­maß­nah­me nur bedingt hilf­reich) und ein wenig mit Stat­tys, Open Space und Kan­­ban-Boards expe­ri­men­tiert. Das alles hat kein Kon­zept und wird mal so eben in den Fir­men­all­tag hin­ein­ge­wor­fen. Natür­lich ist das nicht nach­hal­tig. Agi­li­tät braucht Impul­se (Spie­le und Vor­trä­ge zum Bei­spiel) zum Warm­ma­chen, aber auch ein Kon­zept, das neu­ro­bio­lo­gi­sche Grund­la­gen des Ler­nens berücksichtigt.

Aus die­ser Sicht nüt­zen  kei­ne so genann­ten „AMPA-Maß­­nah­­men“, bei denen nur akti­viert wird, was ohne­hin da ist. Viel­leicht macht etwas Spaß, aber es bleibt nicht haf­ten. Was nach­hal­tig ist und was nicht, kann man sehr gut ein hal­bes Jahr spä­ter unter­schei­den, aber nie in der direk­ten Eva­lu­ie­rung von Maßnahmen.

Damit etwas wirk­lich ver­an­kert wer­den kann, müs­sen so genann­te NMDA-Rezep­­to­­ren ent­ste­hen. Das geschieht nur durch inten­si­ve und dau­er­haf­te emo­tio­na­le Akti­vie­rung. In 4–6 Wochen ent­ste­hen neue Ver­bin­dun­gen, doch wenn die­se nicht wei­ter trai­niert wer­den, blei­ben sie schwach und brü­chig. Was da im Kopf pas­siert zeigt die­ses Video. Für die Ein­füh­rung von Agi­li­tät heißt das ers­tens: Vor­sicht, wenn alle zufrie­den waren “wir haben doch gut dis­ku­tiert”. Ver­än­de­rung beginnt nicht bei Zustim­mung, son­dern Irri­ta­ti­on. Zwei­tens: ein Kon­zept muss aus ver­schie­de­nen Bau­stei­nen bestehen. Drit­tens: Es muss über einen län­ge­ren Zeit­raum geübt wer­den, min­des­tens sechs Mona­te für ers­te Veränderungen.

Agi­­li­­täts-Hin­­der­­nis: Dog­ma­ti­sche Agilisten

Agi­li­tät wird oft­mals von Bera­tern und Trai­nern ein­ge­führt, die die­ses als Wahr­heit inter­pre­tie­ren und leben – also dog­ma­tisch. Im Sin­ne der Ich-Ent­­wick­­lung ist dies ein Den­ken auf Stu­fe 5 (die­se nen­ne ich „Rich­­tig-Pha­­se“) oder 6 (mei­ne „Effek­­tiv-Pha­­se“) nach Loe­vin­g­er bzw. ein kon­ven­tio­nel­les Den­ken nach Law­rence Kohl­berg. Nötig ist aber post­kon­ven­tio­nel­les Den­ken. Oft wird jedoch Kon­ven­tio­na­li­tät mit Tra­di­tio­na­lis­mus ver­wech­selt. Das ist falsch: Auch agi­le Ver­tre­ter kön­nen in der Art wie sie Agi­li­tät den­ken höchst kon­ven­tio­nell sein – erkenn­bar, wenn sie etwas als Wahr­heit anse­hen oder “die eine Metho­de” nut­zen. In der New-Work-Sze­­ne ist solch dog­­ma­­tisch-kon­­­ven­­tio­­nel­­les Den­ken ver­brei­tet, aber nie­mand wür­de es kon­ven­tio­nell nen­nen. Aber auch mit dem Sze­ne­buch von Fre­de­ric Laloux “Reinven­ting Orga­niza­ti­ons” und gel­ben oder “teal”-Werten in der Hand kann man aus­ge­spro­chen ein­sei­tig sein und vie­le blin­de Fle­cken haben.

Kurz­um: Es braucht aber eine inne­re Sowohl-als-auch-Hal­­tung um Wider­sprü­che und Ambi­gui­tä­ten, die immer auf­tau­chen, nicht gleich­zu­schal­ten, son­dern pro­duk­tiv zu nutzen.

Foto: YesPho­to­graph­ers ‑Photocase.com

 

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