Weg mit dem Ham­mer! Hum­ble Con­sul­ting als neu­er Bera­tungs­an­satz für die kom­ple­xe, agi­le Welt

Rezen­si­on von Edgar H. Scheins Hum­ble Consulting

Hel­fen ist uncool. Bera­ter und Coachs sind doch kei­ne Hel­fer! Team­­­works-Geschäfts­­­füh­­re­rin Sven­ja Hofert sieht das ganz anders. Und kann sich damit jetzt auf den gro­ßen Edgar H. Schein beru­fen, der dem Hel­fen ein neu­es, coo­les Image ver­pas­sen wird.

Die meis­ten Con­sul­tants sind lau­fend auf der Suche nach Ham­mern und Nägeln. Der Ham­mer ist ihr bevor­zug­tes Tool, oder ihre Tool­box. Die Nägel sind mög­lichst prak­ti­ka­ble Lösun­gen für den Ham­mer. In unse­ren Aus­bil­dun­gen und Work­shops machen wir die Erfah­rung, dass vie­le sich an einen Ham­mer klam­mern, also nach einem ulti­ma­ti­ven Werk­zeug. Doch das steht einem guten Bera­ter nur im Weg. Vor allem in die­sen Zeiten.

Fer­ti­ge Lösun­gen — Schluss damit!

Wer ein­fa­che, fer­ti­ge Lösun­gen von der Stan­ge erwar­tet, hat die Zei­chen der Zeit nicht erkannt. Die Welt ist viel zu kom­plex gewor­den. Kei­ne Füh­rungs­kraft, aber auch kein Bera­ter der Welt kann mehr alles über­schau­en. Bera­ter und Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­ler sind des­halb heu­te kei­ne Dok­to­ren mehr, die hei­len, son­dern Hel­fer, die Unter­neh­men auf blin­de Fle­cke auf­merk­sam machen, Impul­se ein­brin­gen, neue Gedan­ken in Fluss brin­gen – und dabei alle ein­bin­den. Vor allem aber sind es Faci­la­to­ren, die ihren Kun­den hel­fen, sich selbst zu hel­fen. Weg mit den Ham­mern und Nägeln!

Weg von der Lösung hin zu ech­ter Hilfe:

Das for­dert Edgar E. Schein in sei­nem neu­en Buch „Hum­ble Con­sul­ting“, das dem Best­sel­ler „Hum­ble Inquiry“ folgt und auf „Hum­ble Lea­der­ship“ hof­fen lässt. Schein ist dabei sein Lebens­werk zu voll­enden. Schließ­lich ist einer der wich­tigs­ten Grün­der­vä­ter der Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung nun wirk­lich nicht mehr der Jüngs­te. Ich bin schon lan­ge Ed Schein-Fan, weil ich die­sen Mann enorm selbst­re­flek­tiert und reif fin­de. Er ist so, wie ein Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­ter sein soll­te, der sich als Kata­ly­sa­tor ver­steht: Freund­lich, zuge­wandt, klar, sicher und frei von über­trie­be­nem Selbst­dar­stel­lungs­be­dürf­nis. Er will ein­fach nur hel­fen, denkt dabei nicht an sich, sei­ne Posi­ti­on am Markt oder an die Ver­tei­di­gung sei­ner frü­he­ren Kon­zep­te. Er räumt Feh­ler offen ein, ohne etwas zu beschönigen.

Das tut er auch in die­sem Buch. Und das macht es so wert­voll. Könn­ten sich doch die Selbst­dar­stel­ler die­ser Welt ein Stück von der Hal­tung die­ses Man­nes abschau­en! Wert­voll machen das Buch vor allem die zahl­rei­chen und sehr kon­kre­ten Case Stu­dies, die sich als Lern­hil­fe für Bera­ter ein­set­zen las­sen. Schein hat Kun­den­ge­sprä­che teil­wei­se sehr detail­liert nach­ge­stellt, was es ein­fa­cher macht, sei­ne Her­an­ge­hens­wei­se kon­kret nach­zu­voll­zie­hen. Beson­ders wird das Buch auch durch die Sys­te­ma­ti­sie­rung teils frü­her schon von Schein geäu­ßer­ter Gedanken.

Die Level Two Bezie­hung ist nah und persönlich

Der kon­zep­tio­nel­le Kern liegt in der Unter­schei­dung von ver­schie­de­nen Bezie­hungs­ebe­nen, die Schein Level One und Level Two nennt. Level One ist die typi­sche Bezie­hung eines Bera­ters, der mit Herr­schafts­wis­sen und Distanz daher­kommt. Aus die­ser Hal­tung wer­den Lösun­gen vor­ge­dacht, argu­men­tiert und imple­men­tiert. Man könn­te es auch Ham­­mer-Nagel-Modell nen­nen. Die­ses Modell pro­fes­sio­nel­ler Distanz, die auch im Coa­ching­kon­text gern emp­foh­len wird, funk­tio­niert in Zei­ten wach­sen­der Kom­ple­xi­tät jedoch nicht. Statt­des­sen for­dert Schein eine Level Two-Ebe­­ne. Die beinhal­tet einen frü­hen Auf­bau von Nähe zwi­schen Bera­ter und Kun­de, der auch ins Per­sön­li­che geht. So lädt Schein sei­ne Kun­den auch mal zum Kaf­fee­trin­ken ein.

Mein Name ist Bera­ter und ich weiß von nichts

Es gibt per­sön­li­che Fra­gen und wäre Schein ein Deut­scher wür­de er ver­mut­lich auch das „Du“ in der Kun­den­be­zie­hung nicht ableh­nen. Nähe ist das eine Merk­mal die­ses Bera­tungs­kon­zepts, das zum Ziel hat „to pro­vi­de real help fas­ter“, wie der Unter­ti­tel lau­tet. Unab­ding­bar ist auch eine Hal­tung, die eben „hum­ble“, also demü­tig ist. Der Bera­ter bil­det sich nicht ein, alles zu wis­sen, son­dern am bes­ten gar nichts. Mein Name ist Bera­ter und ich weiß nichts. Sie Kun­de sind der Exper­te. Mit dem Wunsch, ech­te Hil­fe zu geben, wid­met sich der Level-Two-Bera­­ter sei­nem Pro­jekt mit Neu­gier­de und Fra­gen, die dar­auf aus­ge­rich­tet sind, nicht ein Pro­blem zu iden­ti­fi­zie­ren, son­dern her­aus­zu­fin­den, wor­über das Unter­neh­men besorgt ist („worried about“). Die­sen Gedan­ken fin­de ich ganz beson­ders wich­tig. Die meis­ten Bera­ter sind auf der Suche nach Pro­ble­men und klop­fen in die­sem Sin­ne stän­dig die Wand ab.

Ein sol­cher Bera­tungs­an­satz ver­langt eine star­ke Persönlichkeit

Doch in unse­rer kom­ple­xen Welt gibt es nicht das eine Pro­blem, son­dern Anlie­gen, die jeman­den dazu füh­ren, einen Bera­ter anzu­fra­gen. Hin­ter die­sen Anlie­gen kön­nen sich meh­re­re Aspek­te ver­ber­gen, so wie auch hin­ter der Lösung. Nicht nur das Umfeld muss also Kom­ple­xi­tät und die damit ver­bun­de­ne Not­we­nig­keit, Nicht­wis­sen und auch Ambi­gui­tät zuzu­las­sen, auch der Bera­ter selbst. Doch um auf die­se Wei­se agie­ren und bera­ten zu kön­nen, brau­chen Bera­ter ein hohes Ich-Ent­­wick­­lungs­­­le­­vel. Die­ses beinhal­tet, dass sie vie­le Aspek­te sehen und in ihr Den­ken ein­be­zie­hen kön­nen. Sie müs­sen sich außer­dem voll auf den Kun­den ein­las­sen kön­nen, was eine Selbst­si­cher­heit und inne­re Klar­heit fordert.

Sys­te­misch den­ken ver­langt mehr als ein sys­tem­theo­re­ti­sches Wissen

Die meis­ten Coa­ching-Aus­­­bil­­dun­­gen und Bera­ter­qua­li­fi­ka­tio­nen sind jedoch nicht dar­auf aus­ge­rich­tet, Refle­xi­on und Rei­fe zu för­dern, viel­mehr wer­den oft ein­fach nur Tools ver­mit­telt. Teil­neh­mer erhal­ten also einen Ham­mer und sol­len Nägel in die Wand schla­gen. Das ist der Grund, aus dem wir in unse­rem Kon­zept eben­so kon­se­quent auf das Ich der Team­­en­t­­wick­­ler-Per­sön­­lich­keit schau­en. Das ist der Grund, aus dem ich immer wie­der beto­ne „Natür­lich ist unse­re Aus­bil­dung sys­tem­theo­re­tisch unter­mau­ert, uns geht es jedoch dar­um, dass Sie auch sys­te­misch den­ken und han­deln kön­nen. Das ist nicht dasselbe!“

Tools, die auf Theo­rien beru­hen, sind für sich genom­men ja auch nichts ande­res als Kon­struk­te. Das zu begrei­fen ist ein extrem wich­ti­ger Schritt. Wer das inha­liert, kann nicht mehr den MBTI® (oder wahl­wei­se ande­re Tools) als All­hilfs­mit­tel begrei­fen und immer und über­all ein­set­zen. Wer das ver­stan­den hat, kann sich auf ech­te Dia­lo­ge ein­las­sen, die mit­un­ter auch völ­lig frei von Tools sind. Tools sind eine Über­gangs­hil­fe in eine fle­xi­ble­re Nut­zung und ein irgend­wann sogar tool­frei­es Agie­ren. Auch das soll­ten Bera­ter ver­ste­hen. Dazu muss man aber erst­mal anneh­men, dass es auch in der Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung  — wie über­all sonst auch — kein Tool für alle Fäl­le gibt, son­dern dass ein­zig und allein das Bedürf­nis, dem Kun­den zu hel­fen, im Mit­tel­punkt ste­hen soll­te. Die­ses ist immer gekop­pelt an eine gro­ße Neu­gier und ein ehr­li­ches Inter­es­se sowie die Bereit­schaft, auf die Bestä­ti­gung eige­ner Hypo­the­sen zu ver­zich­ten. Hier stellt Schein auch kla­re Anfor­de­run­gen an eine Beraterpersönlichkeit.

Fazit: Die­ses Buch ist ein gran­dio­ses Buch für erfah­re­ne Con­sul­tants, die Unter­neh­men in einer kom­ple­xen Welt unprä­ten­ti­ös und ehr­lich hel­fen wol­len. Ich fra­ge mich nur, was pas­siert, wenn man ver­sucht die­ses Kon­zept in Trai­nings­form wei­ter­zu­ver­mit­teln. Es könn­te zum Ham­mer werden.

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One Comment 

  1. Back­haus Barbara 16. April 2018 at 15:11 — Reply

    Lie­be Sven­ja Hofert
    heu­te in ich auf Ihren Blog zum The­ma “Hum­ble Con­sul­ting” gestos­sen und haben ihn hoch­er­freut gele­sen und genos­sen. Lei­der sind die ers­ten Ham­mer schon unter­wegs. Sie­he: https://fh-hwz.ch/content/uploads/2016/11/Factsheet-Seminar-Humble-Consulting.pdf
    Mein Name ist Bar­ba­ra Back­haus und ich bin seit eini­gen Jah­ren — immer wie­der suchend und in Anpas­sungs­be­we­gun­gen — zum The­ma “Hum­ble Con­sul­ting” unter­wegs. Edgar Scheins Buch «Hum­ble Con­sul­ting» habe ich erst vor ein paar Wochen gele­sen und es wird mir zur Zeit ein wenig zum “Leit­stern”.
    Es wür­de mir Freu­de machen, mich mit Ihnen aus­tau­schen, wel­che Erfah­run­gen Sie mit die­sen Ansatz im Arbeits­all­tag haben. Bit­te geben Sie doch ein kur­zes Feed­back, ob dies in iHrem Inter­es­se sein könnte.

    Herz­li­che Grüs­se aus Bern
    Bar­ba­ra Backhaus
    Krea­ti­ve Lösungs­we­ge Bern GmbH

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