Wie Nonkonformismus zum Überleben von Organisationen beitragen kann

Wenn Firmen schlecht performen, nimmt Schmeichelei und Konformismus zu. Die Chefs halten dann noch fester an ihren strategischen Plänen fest, anstatt den Kurs zu verändern. Schwache Führungskräfte unterdrücken in schwieriger Lage besonders gern gegensätzliche Meinungen. Studien zeigen allerdings, dass mehr Nonkonformismus zum Erfolg von Teams und Organisationen beitragen — diese sogar retten kann. Wir haben einige Erkenntnisse zu Nonkonformismus aus Studien zusammengetragen.
Führung ist leicht, wenn alles gut läuft. Wenn die Zahlen stimmen, Produkte sich von allein verkaufen und einen die Wellen des Marktes sanft umspielen. Führung ist schwer, wenn all das nicht der Fall ist. Doch gerade dann profitieren Organisationen von produktiv nonkonformistischen Menschen — auf Organisationsebene ganz genauso wie auf der Ebene des Teams. “We learn more from people who challenge our thought process than those who confirm our conclusion”, schreibt Wharton-Professor Adam Grant in seinem Buch “Think again”. Aber dafür müssen wir lernen wollen — es braucht also ein growth Mindset und die Lust am persönlichen Wachstum.
Wir lieben unsere Kritiker nicht
In einem Experiment verlangten kritisierte Personen mehr als vier Mal so häufig nach der Kritik einen neuen Partner. Wenn Angestellte deutliche Feedbacks von Kollegen erhielten, neigten sie überwiegend dazu, diese in der Folge zu meiden (siehe Francesca Gino “We drop people who give us critical Feedback, in HBR, 2016). Gleichzeitig nahm die Performance ab. So wertvoll Kritik also sein könnte — sie verpufft meistens.
Nonkonformisten neigen zu einem kritischeren Blick — sie haben eine Neigung, öfter kritische Rückmeldungen zu geben. Ihre Persönlichkeit ist wettbewerbsorientiert und antagonistisch. Sie riskieren es, anderen auf die Füße zu treten. Zum Beispiel weil sie denken, das sei nötig, weil man sonst nicht vorankommt. Anpassung ist ihnen weniger wichtig. Im Persönlichkeitstest “Big Five” haben sie typischerweise die Eigenschaft “disagreeableness”, Unverträglichkeit. Die können Dinge auch leichter durchsetzen, und natürlich stehen die meisten Unternehmer hier.
Ihnen gegenüber stehen Menschen mit verträglichen Eigenschaftszügen. Sie gelten gemeinhin als angenehme Zeitgenossen. Sie sind konformistisch, freundlich und mitfühlend – haben in Gruppen aber auch die Neigung, sich anzupassen und die Beziehung in den Vordergrund zu stellen. Die Folge: Die Sache gerät in den Hintergrund, Kritik fällt hinten rüber. Dinge durchsetzen strengt eher an. Gegen den Strom zu schwimmen ist sogar emotional belastend — für die Nonkomformisten kann es ein Kick sein.
Unterschätzte Eigenschaft
Psychologieprofessor Adam Grant nennt in seinem neuesten Buch, „Think again“ Belege dafür, dass unverträgliche Leute oft kreativer sind und klügere Entscheidungen treffen. „The ideal members of a challenge team are disagreeable“, schreibt Grant. Solche Menschen beherrschten die Kunst des guten Streitens. Zur Illustration bringt er die Filmfirma Pixar, die den nonkonformistischen Persönlichkeitstyp bewusst rekrutiert und damit sehr erfolgreich ist. Als Teil von Disney gehen Filme wie „Findet Nemo“ oder „Toy Story“ auf Pixars Konto.
Der kritische Blick kann kultiviert werden. Als Beispiel nennt Grant Googles Moonshot Factory. Darüber hinaus helfen konkrete Methoden wie “Murderboards” den kritischen Blick zu schärfen. Murderboards sind Ausschüsse von Fragestellern, die eine Idee, eine Entscheidung oder einen Vorschlag kritisch prüfen sollen. Thinking-Tools in Gruppen, etwa die Vergabe einer kritischen Rolle wie “Advokatus diabolo” versuchen diesen Aspekt oft aufzugreifen, brauchen jedoch einerseits einen vertrauensvollen Rahmen.
Andrerseits auch bestimmte Persönlichkeit mit entsprechenden Kompetenzen: Wenn Menschen nichts Kritisches sehen, ist es für sie nicht da.
Werte und Prinzipien
Psychologische Diversität bringt frische Ideen und sät den gesunden Zweifel. In der Teambildung ist Diversität, eben auch psychologische, vor allem bei Teams nötig, die anspruchsvolle Aufgaben lösen sollen. Jedoch brauchen solche Teams gemeinsame Werte und Prinzipien — erst daraus ergeben sich Ziele. Es sollte also nicht wie früher der Spruch “Ziele sind wie Leitplanken”, sondern “Werte sind wie Leitplanken” gelten.
Rücken wir das Team ins Zentrum der Betrachtungen, lässt noch etwas anderes aufhorchen: Weniger verträgliche Menschen scheuen Aufgabenkonflikte auch weniger. Sie knicken nicht ein, nur um Rücksicht zu nehmen. Sie beißen sich eher an dem fest, wovon sie überzeugt sind.
Aufgabenbezug wiederum macht Teams erfolgreicher und kann sie sogar zu High Performance führen – also überdurchschnittlicher Leistung. Während verträgliche Teams oft um der Harmonie willen auf Dissens verzichten, sind unverträgliche an guten Lösungen interessiert.
Die Beziehung muss stimmen
Allerdings ist es nicht ganz so einfach, wie es sich liest. Es darf keine fundamentalen Beziehungskonflikte geben. Und die These stimmt auch nur für Teams, die ihre eigene Leistung in der Vergangenheit als hoch wahrgenommen haben (siehe z.B. Studie von Guenter, Hannes et al (2016): When Task Conflict Becomes Personal: The Impact of Perceived Team Performance). Es reicht also nicht, lauter Nonkonformisten einzustellen, das Team muss auch zusammenspielen können und wollen. Eine Leistungsorientierung muss da sein.
Das ist möglicherweise auch das Problem bei konformistischen Teams: Die Sache interessiert nicht so, die Beziehung ist wichtiger. Je besser sich die Teammitglieder sich ihrer selbst und der eigenen Dynamiken bewusst sind und je offener darüber kommuniziert werden kann, desto eher lässt sich damit umgehen. Dafür ist allerdings Reflexion nötig. Ein Verhaltenstraining reicht da nicht. Es vermittelt vielleicht, wie man Kritik besser verpackt, geht aber nicht ans Eingemachte der eigenen Grundannahmen.
Dazu gehört auch die Einsicht, dass nicht aus jeder Gruppe ein Team werden kann — und dass es keine eine und überlegene Methode gibt.
Eine gute Ergänzung zu diesem Beitrag ist meine XING-Kolumne über Nonkonformisten.
Teamentwicklung ist ein wichtiger Hebel, um Teams klüger und leistungsfähiger zu machen. Und Menschen, die mit Teams arbeiten, sollten mehr als oberflächliches Methodenwissen haben. Dieses vermitteln wir in unseren Workshops, Seminaren und in der Ausbildung TeamworksPLUS®.
Zum Thema “Werte statt Ziele” auch unser Video:
Bild: Shutterstock
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