7 Konflikte in der Transformation — und wie Sie damit umgehen
Krise und Konflikt als Geburtshelfer für Veränderung

Diese Zeit macht auch das Management nachdenklich. So viele Widersprüche, so viele Krisen! Arbeitermangel und Entlassungen: Beides findet gerade statt. Vor allem aber: Die Art der Zusammenarbeit und des Organisierens ändert sich, manche nennen es New-Organizing. Konflikte sind da eine ganz normale, ja eine für Fortschritt nötige Begleiterscheinung. Welche Konflikte in der Transformation auftreten — und wie wir in der Teamentwicklung und Teamgestaltung damit umgehen können.
1. In-Gruppen-Konflikte
Gruppen — wie auch Teams als kleine und besondere Gruppen — haben ein natürliches Bedürfnis nach Abgrenzung, das gelenkt werden kann. In-Gruppen-Konflikte sind Konflikte einer Gruppe gegen die andere. In Gruppen bilden sich leicht informelle Hierarchien aus und ein gruppendynamischer Effekt des „Die anderen sind böse und wir gut”. Dies bezieht sich nicht nur auf formell gegründete Gruppen, sondern und gerade auch auf informell entstandene.
Dafür braucht es seitens der Teamentwicklung ein Bewusstsein, dass es diese Bedürfnisse gibt, sowie die Kenntnis, wie man diese transformiert. Genügend Studien deuten darauf, dass das geht – etwa durch positive Identitätsbildung und Zielbindung. Für Organisationen wichtig ist die Verankerung zentraler Anreize. Die Dynamik lässt sich über eine positive Abgrenzung steuern, etwa über Wettbewerb untereinander. Gleichwohl ist das kein Selbstläufer: Werden etwa die “Neuen” und Modernen” belohnt, die Bewahrer aber sanktioniert, kann das Gleichgewicht kippen, bis hin zur Arbeitsunfähigkeit.
Tipps, wie Sie solche Konflikte bearbeiten
Abgrenzung ist so normal wie das Leben. So heißt Teamentwicklung immer auch, den Wechsel zwischen Ausdifferenzierung des Individuellen und Finden von Gemeinsamkeiten zu unterstützen und zu fördern. Das ist gleichzeitig ein Prozess der Persönlichkeitsentwicklung für alle Mitglieder des Teams. Firmen, die das unterdrücken, unterdrücken und die Gemeinsamkeit normativ betrachten, damit auch gesunde und entwicklungsfördernde Konflikte — sowohl innerhalb als auch außerhalb der Teams. Denn: Das Thema hat auch mit Grenzen zu tun und deren “Management”. Die Frage ist also: Wie agieren wir nach außen? Wie betrachten wir das “Andere”?
2. Chronische Konflikte
Chronische Konflikte sind Konflikte, die bereits vor der aktuellen Krise und der Transformation manifestiert waren. Oft sind es Konflikte zwischen Parteien oder Personen, bei denen die Sachebene lange verschwunden ist. Es ist fast oder nicht mehr möglich, sich ohne emotionales Hochfahren zu begegnen. Folge: Man meidet sich.
Tipps, wie Sie solche Konflikte bearbeiten
Kontaktvermeidungs-Verhalten und passive Aggressionen immer schnell zum Thema machen. Das heißt auch: Konflikte gar nicht erst erkalten und chronisch werden lassen. Manches kann man durchaus aussitzen — und in der Tat verfliegt manch persönliche Muffelei mit etwas Abstand. Nicht zuletzt werden Konflikte von unterschiedlichen Menschen auch unterschiedlich empfunden. Darüber sprechen hilft auch, etwa über die Frage “was lädt mich positiv auf?” Und bei manchen ist es die handfeste Diskussion, bei anderen ist gerade die negativ verwurzelt.
Ist das aber jede Begegnung vergiftet, braucht es Profis, die sich mit Konfliktmoderation und/oder Mediation auskennen. Manche Konflikte brauchen den externen Blick.
3. Rollen-Konflikte
Früher gab es nur eine Führungsrolle: Chef war Chef. Daraus ergaben sich einfache Rollenkonflikte wie „Gestern Mitarbeiter, heute Vorgesetzter“. Die damit verbundenen Herausforderungen sind deutlich leichter zu bewältigen als die, die sich aus verschiedenen und nicht (stark) an Position und Funktion gekoppelten Rollen ergeben.
Führung verteilt sich durch Rollen auf mehreren Schultern und ist somit keine Einpersonen-Aufgabe mehr. Durch diese Flexibilisierung des Rollenverständnisses sind auch frühere Experten darauf angewiesen effektiv und mit Blick auf die Mehrung von gemeinsamen Wissen zu kommunizieren. Sie können es aber oft nicht, sehen die eigene Expertise als eigene Errungenschaft und statisch, also nicht vermehrenswert durch neue Informationen an. Sie bilden oft eigene Experten-Ingruppen, die gegenteilige Meinungen nicht etwa begrüßen, sondern sanktionieren.
Soziale, personale und methodische Kompetenzen werden wichtiger. Das erweitert die Möglichkeiten und Vielfalt. Gleichzeitig erhöht sich der Anspruch an persönliche Reife im Umgang mit Widersprüchen und gegensätzlichen Werthaltungen. Und das ist der Knackpunkt, an dem Sie als Teamentwickler ansetzen sollten.
Tipps, wie Sie einen solchen Konflikt bearbeiten
Beruf, Funktion, Stelle und Rolle unterscheiden. Über Identität sprechen — und den Identitätsverlust in der Transformation. Den Rollenbegriff klären. Klarmachen, dass eine Rolle auch ausgefüllt und gelernt werden muss. Ein überzeugender Schauspieler wird man ja auch nicht, indem man einfach sagt, man spielt jetzt den Gärtner. Besser: Die Rolle fühlen und in sie durch Feedback hineinwachsen. Die richtigen Persönlichkeiten für die Rollen finden. Wer das ist, bestimmen eben auch die anderen! Rollen vorleben. Über das gelebte Rollenverständnis sprechen, kollegiale Beratung einführen.
4. Der Schnittstellen-Konflikt
Wer gehört dazu und wo steht die Führungskraft, würde man sie aufstellen – vorn, mittendrin, hinter dem Team oder an der Seite? Mit wem hat das Team Schnittstellen?
Am gruppendynamischen Ingruppen-Verhalten docken soziale Konflikte, Rollenkonflikte und Interessenkonflikte an. Früher arbeitete man in seinem Bereich — Punkt. Inzwischen gestaltet sich Arbeit immer cross- und transfunktionaler. Dabei knallen unterschiedliche Persönlichkeiten aneinander: Ängstliche und Mutige beispielsweise, offene und weniger offene. Und dann herrscht überall ein völlig unterschiedliches Verständnis der Worte, die durch die Organisation geistern. Was verstehe ich überhaupt unter digitaler Transformation? Was bedeutet das für mich konkret?
Je unklarer Begriffe hinsichtlich der Bedeutung für die eigene Person sind, desto diffuser wird Handeln. Kommunikationsmissverständnisse werden so schnell zu ausgewachsenen Konflikten. Wir verstehen uns eben nicht blind. Dabei wurde in den letzten Jahrzehnten viel Wert auf gewaltfreie Kommunikation gelegt. Wir müssen aber auch Wissenskommunikation neu lernen — und den Umgang mit unterschiedlichen Intelligenzniveaus bei der Wissensverarbeitung. Das war lange ein Tabu.
Tipps, wie Sie einen solchen Konflikt bearbeiten
Begriffe verbreiten einen Zauber, den Zauber der Schwammigkeit. Der ist super am Anfang, denn dadurch kann man sich für Unterschiedliches begeistern und scheint das Gleiche zu meinen.
Konfliktmoderatoren und Teamentwickler brauchen eine ausgeprägte Sprachsensibilität, um Unterschiede im persönlichen Verständnis überhaupt wahrnehmen zu können.
Eine Klärung, was der eine, und was der andere versteht, vermeidet Konflikte. Wie es einst der Philosoph Karl Popper sagte: Wahrheit entsteht nie einsam, sie braucht mindestens eine weitere Person, die diese teilt.
Wer als Führungskraft auch und gerade die Schnittstellen nach außen geschmeidiger gestalten möchte, muss zudem Ausgrenzungen und Abwertungen sanktionieren. Zudem müssen Schnittstellenpositionen mit kommunikationsstarken Personen besetzt sein, die souverän mit Ambiguität umgehen und logisch denken können.
5. Der Verdeckte-Emotionen-Konflikt
Viele soziale Konflikte im agilen Umfeld entstehen, weil Einzel- und Teampersönlichkeiten nicht gelernt haben, sich zu reflektieren und dabei auf Bedürfnis und Emotionen, Kontext und Situation zu schauen — und dies auch alles zu unterscheiden. Wer darin keine Praxis hat, ist oft gefangen in der eigenen Gefühlswelt und kann das Geschehen nicht angemessen von außen betrachten. Da werden Dinge persönlich genommen oder auf sich selbst bezogen. Vor allem aber wird bewertet, was das Zeug hält: gut, richtig, schwarz, weiß.
Tipps, wie Sie einen solchen Konflikt bearbeiten
Wir leiten Schulungsmaßnahmen immer noch aus altem behaviouristischen Überzeugungen und dem Kognitivismus ab. Die Psychologie und die Neurowissenschaften sind da aber schon weiter. Menschen entwickeln sich nur mit und durch Emotionen, auch und gerade die vermeintlich negativen. Also einfach: Emotionen rein. Gern auch Embodiment. Schluss mit dem normativen Blick auf Emotionen, der uns sagt, wie sich etwas anfühlen muss. Gefühle gehören den Menschen. es gilt zu vermitteln, dass Widerspruch und der Gefühlswelt normal und positiv ist.
6. Der Karriere-Konflikt
Wie macht man Karriere? Die Vorzeichen haben sich stark geändert, was Menschen verunsichert. Worauf soll ich Wert legen? Wird mein Engagement fürs Team wirklich belohnt? Aus einem veränderten und derzeit schwer fassbaren Karriereverständnis ergeben sich Konflikte.
So verfolgen immer noch viele Angestellte eine „hidden agenda“, passen sich z.B. der neuen vom Vorstand gewünschten Richtung nach außen an, aber nur um persönlichen Nutzen davon zu haben. Auch das ist eine Form des stillen Widerstands, denn die anderen merken das. Das macht sich vor allem auf den mittleren Führungsebenen deutlich bemerkbar.
Hinzu kommt eine Unklarheit bei der persönlichen Weiterentwicklung: Der Experte brauchte früher vielleicht Präsentationsfähigkeiten, aber mit Gruppendynamik und der Psychologie der Veränderung (Seminartipp) musste er sich nicht auskennen.
Konflikte in der Transformation ergeben sich etwa durch widersprüchliche Belohnungssysteme. So wird kurzfristige Zielerreichung belohnt, das Engagement für die eigenständige Profilschärfung aber nicht, beispielsweise wenn ein Mitarbeiter Weiterbildungen im methodisch-kommunikativen Bereich aus eigener Tasche bezahlt.
Tipps, wie Sie einen solchen Konflikt bearbeiten
Dezentralisieren und individualisieren Sie Weiterbildungsentscheidungen. Sprechen Sie über Widersprüche und stärken Sie den Blick für eine dynamische Sicht auf sich selbst, fördern Sie ein growth mindset. Als Teamentwickler sind Sie eben auch Berater und geben Verantwortlichen Tipps, worauf Sie achten sollten.
Die Hidden Agenda darf am Ende auf keinen Fall belohnt werden — denn dadurch würde sich informell zeigen, welche Werte wirklich gelten. Und nach diesen, unausgesprochenen Werten würde sich dann verhalten, wer weiterkommen will.
7. Der Alte-Zeiten-Neue-Zeiten-Konflikt
Einerseits wissen Ihre Mitarbeiter, dass sie — respektive die Organisation — nur durch Anpassung an die neuen, oft disruptiven Bedingungen überleben kann. Andrerseits geht damit ein erheblichen Status- und damit psychologisch immer auch Selbstwertverlust einher. Jetzt kommt auch noch das Thema Homeoffice dazu: Immer mehr Mitarbeiter haben neue Verträge, die Ihnen Remotework erlauben. Konfliktverstärkend wirken auch Führungskräfte, die für Remote- und erst recht Hybridführung nicht ausgebildet sind.
Früher waren Mitarbeiter zum Beispiel deshalb anerkannt, weil sie so viel wussten. Dieses Wissen ist heute vielfach immer noch wichtig, aber es muss ganz anders kanalisiert werden. Es muss deshalb auch über persönliche Werte gesprochen und diese gegebenenfalls neu gedeutet werden. Früher: “Ich bin wertvoll, weil ich soviel weiß”. Heute: “Ich bin wertvoll, weil ich gemeinsam mit anderen daran arbeiten möchte, geteiltes Wissen zu generieren”.
Tipps, wie Sie einen solchen Konflikt bearbeiten
Kulturwandel ist kein strategischer Akt. Man kann Werte nicht einführen, sie sind da und überdauern. Aber man kann Verhalten sanktionieren oder belohnen. Organisationsentwicklung ist wie eine echte Teamentwicklung immer auch Persönlichkeitsentwicklung. Oder so ausgedrückt: Wenn die Organisation abspecken muss, muss ich das auch, ob ich will oder nicht.
Damit sollte auch die Stärkung von Reflexionskompetenz im Vordergrund stehen. Offen über Konsequenzen von Veränderungsvorhaben und Widersprüche sprechen, diese als normal akzeptieren. Und darauf verzichten, jeden mitnehmen zu wollen. HR wiederum muss akzeptieren, dass jede Entwicklung auch dazu führt, dass Mitarbeiter Unternehmen verlassen — und das Management darüber aufklären.
Denn für manchen ist eben keine Binsenweisheit: Wer anfängt zu reflektieren, reflektiert auch seine Beziehungen und Pläne. Das vermeiden will, vermeidet jedoch auch Entwicklung.
Wir empfehlen hierzu unseren Kurs Konflikte in der Transformation (Seminartipp) sowie unsere Grundausbildung TeamworksPLUS.
Beitragsbild: Pexels.com — Nikola Bart
Artikel Teilen:
Aktuelle Themen, die bewegen.
Sie wollen uns kennenlernen? Erleben, wie wir ticken, wer wir sind? Dann laden wir Sie herzlich ein, unsere Webinare zu besuchen, die zwei Mal im Monat stattfinden. Sie dauern jeweils 30–60 Minuten und beinhalten einen spannenden Vortrag zu einem aktuellen Thema und anschließende Diskussion. Termine geben wir ausschließlich über unseren Newsletter bekannt. Schon deshalb lohnt sich das Abo! Aber nicht nur – im Newsletter erhalten Sie erstklassige Beiträge und Erstveröffentlichungen, zudem neueste Studien.

Was möchten Sie tun?
Jetzt anmelden!
Start der Ausbildung zum Teamgestalter Gruppe Nr. 16 und der Online-Ausbildung
Jetzt anmelden für den Start Präsenz am 23.11.23 sowie Online am 13.12.2023
Sichern Sie sich jetzt einen Platz für 2023! Werden Sie Teamgestalter*in, schaffen Sie Ihre Basis für agiles Coaching, Team- bzw. Organisationsgestaltung. TeamworksPLUS® Ausbildungsgruppe Nr. 16 startet im November 2023, die Online-Ausbildung im Dezember. Wir sind Monate vorher ausgebucht, also sichern Sie sich Ihren Platz jetzt!
Exklusive Events, Vorträge und Webinare
Nur für Newsletter-Abonnenten
Wir bieten unserer Community spezielle Webinare und Vorträge zu aktuellen Themen. Dazu laden wir Alumni und Ausbildungsteilnehmende ein. Unser Newsletter bringt Interessenten Schnupperangebote und Termine frei Haus. Unsere exklusiven Magazin-Berichte, Tipps und Studien haben einen hohen Aktualitätsbezug und bekommen viel Lob.