Echte Teams: Warum sie in der Organisation oft unentdeckt bleiben
Wetten, dass Sie so noch nicht darauf gesehen haben?

Teams gestalten unsere Zukunft. Sie erneuern, verbessern, verändern. Anders als eine Gruppe hat ein Team einen gemeinsamen Fokuspunkt. Es bündelt Kräfte auf ein Ziel aus, welches nur zusammen erreichbar ist. Das muss nicht in Abteilungsgrenzen geschehen. In diesem Beitrag verraten wir, was Teams wirklich ausmacht. Außerdem verraten wir drei wesentliche Rahmenbedingungen, die Teams brauchen.
Lassen Sie uns mit der Teamdefinition beginnen. Es ist wichtig für das weitere Verständnis dieses Beitrags. Denn es ist oft nicht Team drin, wo Team draufsteht. “Entwickeln Sie doch mal unser Team!” Wenn so eine Anforderung kommt, fragen wir zunächst, wie groß denn die als Team bezeichnete Gruppe ist. Allein die Antwort “35 Personen” gibt dann schon eine wichtige Information.
Für uns heißt das: Hier geht es nicht um ein Team, es geht um eine Gruppe. Das ist ein entscheidender Unterschied. Gruppen lassen sich zwar auch weiter entwickeln. Sie können reifen, indem sie reflektieren. Sie können sogar zusammenhalten. Aber sie werden sich nicht mit aller Kraft auf das Tor oder diese eine Sache stürzen, die einen Unterschied für alle macht.
Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die Mechanismen von Zielerreichen und (Be-) Siegen verwandt sind. Lesen Sie dazu unseren Bericht über das gruppendynamische Modell Rangdynamik.
Teams haben ein Verfallsdatum
Teams haben ein Verfallsdatum. In dem Moment, wo das Ziel erreicht, der Sieg errungen ist, geht es mit hoher Wahrscheinlichkeit auseinander. Das muss man nicht bedauern, sondern den Wert darin erkennen: Alle konnten auch persönlich wachsen. Das wiederum führt dazu, dass sich neue Unterschiede ausbilden. Weiteres Wachstum braucht dann ein neues Umfeld. Ein Team ist somit eine Verbindung auf Zeit. Es muss so sein, denn wäre es nicht so, würde der schöpferische Akt verloren gehen — oder müsste mitunter künstlich reproduziert werden. Was vor allem Willenskraft fordert, die intrinsischer Motivation entgegensteht.
Eine Gruppe dagegen kann lange und länger bestehen bleiben. Sie definiert sich mehr als das Team auch durch organisationale Grenzen. Da das Gemeinsame zwar vorhanden, aber viel weniger bindend und verbindend ist, braucht eine Gruppe mehr Ordnung und profitiert von Fremdorganisation.
Wenn dagegen drei Leute die Welt retten wollen — oder auch drei Nummern kleiner anfangen -, sind die Aktivitäten so sehr vom Ziel getragen, dass alles andere sich diesem unterordnet. Es ist deshalb überflüssig von Hochleistungsteams zu sprechen. Teams in diesem Sinn, denn Teams sind immer leistungsorientiert.
Über die Teamgrenzen bestimmt das Team selbst
Das gemeinsame Buch, der Film, der sportliche Sieg, die politische Initiative, die Innovation, die Lösung für relevante Fragen: Das Team braucht EINEN guten Grund, zusammen zu kommen. Über Grenzen und “in” und “out” bestimmt damit nicht die Organisation, sondern das Team selbst. Die Liebe eines Teammitglieds gehört auch nicht (nur) den jeweils anderen, sondern der Sache. Nicht selten sind es informelle Bereiche, die Teams produzieren, etwa in Form von Graswurzelbewegungen. Oder es gibt Teams in einer Abteilung. Hier muss man aufpassen, dass diese nicht zur berüchtigten Clique werden, deren Ziele kontraproduktiv für die Organisation sind. Cliquen sind anders als Teams Machtzentren. Es geht in ihnen nicht oder nur vorgeschoben um die Sache. Das ist nicht immer leicht zu unterscheiden.
Autonome und autogene Selbstorganisation
Es lohnt der Blick auf die formale und informale Seite der Organisation. Ob Teams sich überhaupt formal installieren lassen bleibt dabei eine offene Frage wie die, ob sich agile Rollen “ausrollen” lassen. Kann es formale Organisation geben? Zu unterscheiden sind autonome und autogene Selbstorganisation. Autonome Selbstorganisation heißt, dass ein Team den Rahmen bekommt, um sich eigenverantwortlich zu organisieren.
Der autogenen Selbstorganisation liegt kein bewusster Gestaltungsakt zugrunde. Sie entsteht aus der Eigendynamik. Wenn Sie sich also nach dem Meeting mit zwei Kollegen zusammentun und sich entscheiden, gemeinsam ein Forum “kultureller Wandel” aufzubauen, dann ist das autogen.
So entstehen Teams, die keiner als solche auf dem Zettel hat. Die autonome Selbstorganisation liegt vor, wenn Ordnung selbstbestimmt entsteht. Dazu kann Führung einen Rahmen bieten. Allerdings bleibt immer unklar, ob wirklich ein Team entsteht. Lassen Sie uns nun darauf schauen, was gute Bedingungen schafft.
Drei Bedingungen, unter denen Teams entstehen können
Es gibt drei wesentliche Aspekte, die stark beeinflussen, ob sich ein Team bilden kann — und auf die will ich mich im Folgenden konzentrieren.
1. Attraktive Ziele
Teams baut man also nicht, indem man Menschen verbindet, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie entstehen da, wo es etwas zu schaffen gibt, dasseinen Sog erzeugt.
Diesen Prozess können Führungskräfte bewusst anstoßen, indem sie sich fragen:
- Was ist für alle ähnlich attraktiv?
- Was ist für jedes Teammitglied attraktiver als etwas anderes (z.B. Karriereziele verfolgen)?
- Was ist so attraktiv, dass alle über die Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit gehen?
Zudem muss man ein weiteres starkes Band berücksichtigen. Das sind die höheren Werte, die die Teammitglieder antreiben. Eine weitere Frage lautet also:
- Was sind die höheren Werte, also Werte im Umfeld von “Zukunft gestalten”, “besseres Leben ermöglichen”, “Die Welt verbessern”, “einen wesentlichen Beitrag leisten”, “besser oder schneller sein”, “der/die ersten sein” usw.
Zur Kategorisierung von Werten in einer Wertehierarchie und über Werte erster und zweiter Ordnung habe ich in meinem persönlichen Blog geschrieben.
2. Die richtige Team-Größe
Wenn wir auf soziale Einheiten schauen, unterscheiden wir Kollektive, große Gruppen, kleine Gruppen (bis 25 Personen) — und eben Teams.
Die Pizza-Regel
Größe entscheidet. Jeff Bezos gibt für Amazon-Meetings nicht ohne Grund die Zwei-Pizza-Regel aus: Jedes Meeting darf nicht mehr als acht Personen umfassen. Die könnten sich eben jene zwei Pizzen teilen. Meetings dienen der Zielverfolgung im Kleinen. Erst recht muss die Pizza-Regel also für die gemeinsame Entwicklung gelten — sei es von Software, optimierten Prozessen oder Kulturinitiativen. Und natürlich profitieren auch Gruppen von dieser Regel, nicht nur Teams im hier definierten Sinn.
Das Buch “Team Genius” nennt die Zahlen 2 und 3 für Gründungs- und Führungsteams sowie 7 für Umsetzungseinheiten. Nach Bundeswehr-Definition besteht ein Team (genannt Trupp) aus zwei bis acht Menschen, ab neun Menschen spricht man von einer Gruppe. Die angloamerikanischen Streitkräfte bezeichnen Einheiten von bis zu acht Personen als Team, darüber sind es Team of Teams. Teams of Teams sind miteinander verzahnt, wie Organismen. Es sind also dezentrale Einheiten, die eine ganze Organisation abbilden.
Kognitive Grenzen
Der Anthroposoph Robin Dunbar definiert in seinen Werken kognitive Grenzen, die auch andere ähnlich erkannt haben. Eine von uns zitierte Studie benannte die optimale Teamgröße mit 4,7. Das alles ist auch aus Sicht der Kognitionswissenschaften nachvollziehbar: Menschen können sich beispielsweise nicht mehr als 5 +/- 2 Items merken. Dass sie sich auch nicht auf mehr als 5+/-2 Kollegen konzentrieren können, liegt nahe. Koordination wird umso schwieriger, desto mehr Menschen beteiligt sind. Mit drei Leuten sprechen wir noch relativ offen, mit 10 nicht mehr.
3. Angemessene Belohnungen für Team UND Individuum
Ziele werden durch die Belohnung attraktiv. Belohnung darf man nicht mit Anreizen verwechseln. Es mag für den einen reizvoll sein, sich für 10.000 EUR ins Zeug zu legen — für den anderen nicht. Hinzu kommt die immer währende Abwägung von Individual- und Kollektiv- oder besser Teamnutzen. Da verweise ich auf das Nash-Gleichgewicht aus der Spieltheorie: Die Teammitglieder müssen ein Verhalten wählen, aus dem sich auch im Nachhinein ein Nutzen ergibt.
Schauen Sie sich dafür die Einsätze, die Belohnung und den Nutzen auf der jeweiligen Spielerebene an. Ist die Belohnung z.B. ein Karriereschritt, den A gehen will, B aber nicht, würde sich A ins Zeug legen. Ist die Belohnung eine wissenschaftliche Erkenntnis auf deren Basis, A und B weiter aufbauen können, würden beide Dampf geben. Es lohnt sich Teamkonstellationen mit der Spieltheorie zu betrachten.
Einen simpleren Blickwinkel liefert die Sozialpsychologie mit ihrem Gedanken des “social loafing”. Wenn sich der eine sehr ins Zeug legt, schaltet der andere einen Gang niedriger. In jedem Fall gilt: Teamarbeit entsteht dann, wenn auch jeder Einzelne einen Vorteil davon hat, sich engagieren. Alles andere sind Gruppennormen.
Was lohnt sich für alle Beteiligten, wenn man ein Team “schneidet”? Darüber sollten Führungskräfte — dazu zähle ich auch agile Coaches — sich Gedanken machen. Framing und Kommunikation spielen jetzt eine zentrale Rolle, neben der psychologischen Sicherheit, die ohnehin Basis für alles ist.
Weiterhin müssen Einzelinteressen im Blick bleiben. Auch deshalb sind gute Führungskräfte solche, die den Blick auf das Gemeinsame schärfen, aber das Individuum und auch sein persönliches Wachstum sehen. Sie müssen an der richtigen Stelle loslassen und Menschen ziehen lassen können, für die im bisherigen Team Grenzen erreicht sind. Wer das nicht tut, würde die Gruppennormen über die individuelle Entwicklung setzen.
Mehr zum Thema lesen Sie in unserem Buch “Teams und Teamentwicklung”, das in Co-Kreation von Vahlen und Co-Creare entstanden ist. In unseren Ausbildungen arbeiten wir praktisch mit diesen Themen.
Beitragsbild: Rodnae Productions / Pexels.com
Artikel Teilen:
Aktuelle Themen, die bewegen.
Sie wollen uns kennenlernen? Erleben, wie wir ticken, wer wir sind? Dann laden wir Sie herzlich ein, unsere Webinare zu besuchen, die zwei Mal im Monat stattfinden. Sie dauern jeweils 30–60 Minuten und beinhalten einen spannenden Vortrag zu einem aktuellen Thema und anschließende Diskussion. Termine geben wir ausschließlich über unseren Newsletter bekannt. Schon deshalb lohnt sich das Abo! Aber nicht nur – im Newsletter erhalten Sie erstklassige Beiträge und Erstveröffentlichungen, zudem neueste Studien.

Was möchten Sie tun?
Jetzt anmelden!
Start der Ausbildung zum Teamgestalter Gruppe Nr. 16 und der Online-Ausbildung
Jetzt anmelden für den Start Präsenz am 23.11.23 sowie Online am 13.12.2023
Sichern Sie sich jetzt einen Platz für 2023! Werden Sie Teamgestalter*in, schaffen Sie Ihre Basis für agiles Coaching, Team- bzw. Organisationsgestaltung. TeamworksPLUS® Ausbildungsgruppe Nr. 16 startet im November 2023, die Online-Ausbildung im Dezember. Wir sind Monate vorher ausgebucht, also sichern Sie sich Ihren Platz jetzt!
Exklusive Events, Vorträge und Webinare
Nur für Newsletter-Abonnenten
Wir bieten unserer Community spezielle Webinare und Vorträge zu aktuellen Themen. Dazu laden wir Alumni und Ausbildungsteilnehmende ein. Unser Newsletter bringt Interessenten Schnupperangebote und Termine frei Haus. Unsere exklusiven Magazin-Berichte, Tipps und Studien haben einen hohen Aktualitätsbezug und bekommen viel Lob.