Online-Check-Ins: Virtuelle Einstiegsrunden spannend gestalten und mit emotionalen Situationen entspannt umgehen
speziell auch in der Coronakrise

Wer ein Online-Meetings oder einen Online-Workshop besucht, loggt sich gewöhnlich ein. Für die Gestaltung dieses Check-Ins, manchmal auch Login genannt, ist typischerweise der Moderator zuständig. Im klassischen Workshop nennen wir das bei einer neuen Gruppe „Vorstellungsrunde“. Sind die Gruppen schon länger zusammen, bezeichnen wir es als „morgendliches Abholen“. In diesem Beitrag beschreiben wir, wie beides auch virtuell gelingen kann — und dass Schiefgehen gerade in Coronazeiten nicht immer ein Problem ist.
Seit einiger Zeit lassen wir die Moderation unseres Home-Office-Dailies rotieren. Jeder ist mal dran. Und überlegt sich einen „Check-In“ oder „Login“ für die anderen. Dabei werden wir zunehmend persönlicher. Die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben sind nicht nur bei uns gefallen. Dabei sind die Check-Ins in virtuelle Runden so wie die ersten Sekunden bei einer Begegnung — sie sind der Richtungs- und Taktgeber. Sie zeigen Störungen frühzeitig auf und bieten zugleich auch ein Framing für das, was kommt.
Bei Online-Checkins sollten Sie sich zunächst folgende Fragen stellen:
- Ist es ein Team oder eine Gruppe?
- Ein Team hat gemeinsame mentale Modelle und ist voneinander abhängig. Gruppen sind lose Gefüge — sie werden sich nicht mehr oft wiedersehen. Eine Teambindung ist deshalb intensiver. Der Check-In kann tiefer gehen. Oberfläche kann bei manchen Gruppen auch Konzept sein. 25 fremde Leute lässt man ungern tief in die Seele blicken.
- Ist es eine neue Gruppe/Team oder eine alte?
- Wenn neue Gruppe, dann geht es vor allem um gegenseitiges Kennenlernen. Zu persönliche und emotionale Checkins passen nicht. Also nicht fragen „wie geht es dir?“, sondern z.B. darum bitten, ein persönliches Symbol in den Online-Raum mitzubringen.
- Wenn bestehende Gruppe dann eher mittelpersönliche Fragen. Je größer die Gruppe, desto mehr persönliche Distanz. Resonanzobjekte sind eher Inhalte als Menschen.
- Wenn bestehendes Team gilt: Reflexivität langsam erhöhen, denn diese steigert das Vertrauen, was im Home Office vor allem dann wichtig ist, wenn man intrinsische Motivation und Selbstverantwortung möchte.
- Welches ist meine Rolle?
- Sind Sie Teil des Organisations- und Teamsystems, etwa als Führungskraft oder Scrum Master? Wer mittendrin steht, kann so etwas wie bestehende Werte und Verhaltensnormen weder sehen noch wirksam hinterfragen. Also sollten die Check-Ins an gewissen Grenzen halt machen.
- Sind Sie Teamcoach oder Moderator und stehen außerhalb des Teamsystems? Dann entscheidet auch der eigene Auftrag über die Art des Einstiegs. Wir unterscheiden wir zwischen Teambildung und Teamcoaching. Wenn es also darum geht, ein Team aufzubauen, sind andere Interventionen sinnvoll als wenn es darum geht, ein Team weiter zu entwickeln. Dazu mehr in unseren Kursen „Coaching von virtuellen Teams“ und „Teamcoaching kompakt“, das es bald auch in einer digitalen Variante gibt.
- Was ist das Produkt?
- Geht es um ein einzelnes Online-Meeting oder um ein Meeting-Ritual mit dem Ziel der Teamentwicklung? Je mehr es in Richtung Teamentwicklung geht, desto tiefer kann der Checkin gehen.
- Ist es ein Online-Meeting (etwas wird besprochen) oder ein Online-Workshop (etwas wird ausgearbeitet/entwickelt)? Ein Workshop verlangt mehr gegenseitiges Einlassen und deshalb sollten auch die Check-Ins tiefer gehen.
Risiken und Nebenwirkungen
Ein Online-Check-In ist aber nicht ganz ohne. Wenn Privates und Berufliches verschmilzt, bahnen sich leicht Emotionen Raum. Darin liegt auch eine Gefahr.
Eine „falsche“ Bemerkung, und es können bei dem einen Tränen fließen, während der andere im Hochsicherheits-Schneckenhaus bleibt. Kann der Moderator nicht auffangen, was er angestoßen hat, kann das schwerwiegende Folgen haben – nicht nur bei depressiven Teilnehmerinnen. Wer sich den Umgang mit solchen Situationen nicht zutraut, sollte die Finger von allzu emotionalen Einstiegen lassen. Die beginnen da, wo man nach Gefühlen fragt.
Ein erfahrener Coach und auch Moderator, spürt wenn plötzlich etwas im Raum liegt. Dieses Gespür entsteht auch virtuell, man muss sich jedoch darauf einlassen. Vor allem heißt das, auf die eigene Wahrnehmung zu hören. Und die Dinge direkter ansprechen als wir das in Präsenz gewöhnt sind.
Konzentration auf sich verstellt Intuition für andere
Diese Woche habe ich, Svenja, bei mir selbst erlebt, was ein Check-In auslösen kann – und dass diese Reaktion mit der Situation und dem Kontext untrennbar verschmolzen ist. Moderatorinnen sollten sich das bewusst machen. Nur dann nämlich können sie sich auf diese Situation konzentrieren – und den Umgang damit. Die schnelle Entscheidung, etwas anzusprechen oder nicht, ist besser eine intuitive. Fühlt sich die Moderatorin jedoch schuldig, ist die Intuition sofort verstellt.
Der Umgang mit schwierigen Situationen bleibt somit auch im virtuellen Raum die wichtigste Kompetenz professioneller Moderationen und noch viel mehr Coachings. Das ist etwas, das wir nicht erwarten können, wenn in Teams auch Mitarbeiter Moderationsaufgaben übernehmen. Deshalb sollten die Check-Ins unverfänglicher sein. Oder jemand dabei sein oder geholt werden, der mit schwierigen Themen arbeiten kann.
Emotionen lassen sich nicht berechnen
Was war geschehen? Eigentlich bin ich, Svenja, nur als erste gefragt worden, wie es mir geht. Ich bin als letzte in das Meeting gekommen und war abgelenkt. Moderatoren sollten darauf achten, dass erstmal eine Ruhe entsteht, damit Teilnehmerinnen „ankommen“ können.
In diesem Moment war dieses „wir geht es dir?“ die falsche Frage – und meine Antwort eher eine „Bombe“, der einen inneren Film startete: Ich bekomme langsam einen Lagerkoller. All unsere Online-Erfolge kompensieren nicht das Fehlen persönlicher Begegnungen. Der Verlust von gefühlter Freiheit, diese Ohnmacht, fühlt sich für mich manchmal bedrohlich an. In so einer Grundstimmung, ist eine unvermittelt gestellte Frage wie „wie geht es dir?“ explosiv – in einer anderen harmlos.
Wenn Bomben hochgehen
Auch in Zusammenhängen, in denen ich selbst die Moderatorin oder Coacherin war, sind solche Bomben hochgegangen. Es waren harmlose Fragen oder harmlose Standard-Check-Ins wie
- Wie geht es mir persönlich?
- Mit welchem Gefühl bin ich hier?
- Welches Monster wähle ich? (mit ins Internet übersetzen Gefühlsmonsterkarten und dann wählt mal einer das Monsterchen, das sich unter dem Teppich verkrochen hat)
- Wo stehe ich im Emotiogramm? (ein von uns entwickeltes Tools in Ampelfarben)
- Welche Farbe ist meine Lieblingsfarbe? (verarbeiten Sie mal als Moderator Antworten wie „kackbraun“)
- Welches Tier wäre ich heute gerne?
- Welche Blume ist meine Lieblingsblume?
- Welche Energie habe ich heute?
- Wenn ich eine Batterie wäre, wie geladen bin ich dann?
Tausend Fragen, die Liste könnte noch viel länger sein: All diese Check-Ins sind gut, ebenso wie die Arbeit mit Checkin-Tools wie „Moodmeter“ (danke Design Sprint Coach Kai Tölpel!) oder Emotionskarten.
Aber sie können auch nach hinten losgehen. Die Wahrscheinlichkeit steigt, wenn die Teams länger zusammen sind oder am zweiten oder dritten Tag eines Workshops oder Seminars. Es ist also immer wichtig, neben der Situation in der Teilnehmer sind (nur angenommen etwa, Sie hätten jemand aus New York dabei…) auch den Zeitpunkt mitzudenken.
Neu ist einfach
Die Einstiegsrunden mit neuen Teams oder Gruppen sind fast immer positiv, jedenfalls wenn es um freiwillige Veranstaltungen geht: Die Menschen wollen sich kennenlernen. Sie sind neugierig aufeinander, konzentriert und vorsichtig. Mit dem Kennenlernen differenzieren sich die Teammitglieder aus. Am Anfang finden sie Gemeinsames, im weiteren Verlauf differenzieren sie sich aus. Das ist Teamentwicklung. Und die Förderung des Gemeinsamen am Anfang ist Teil eines normalen Teambildungsprozesses, der virtuell nicht ganz so einfach abbildbar ist.
Es gibt Check-Ins, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass etwas aufbricht geringer ist. Das sind solche, die stärker framen, also stärker in eine (gewünschte) emotionale Richtung prägen. Das geschieht etwa, indem man schöne Erinnerungen wachruft, Ressourcen erweckt, Stärken fokussiert, etwa durch
- Eine kleine Streckübung
- Erinnerung an ein schönes Erlebnis (möglichst offen, die eigene Weltsicht des Moderators hat hier nichts zu suchen).
- Frage nach dem Stärkenden — wie welche Stärke brauchst du heute besonders? (mit unserem StärkenNavigator)
Reife des Teams entsteht durch tiefe der Check-Ins
Doch das schöne Erlebnis kann belastet sein, weil der Zugang zum Meer gerade versperrt ist: Auf der sicheren Seite ist die Moderatorin nie. Auch hier zeigt sich die Reife eines Teams spätestens in einem längeren Prozess wie jetzt in der Corona-Krise.
So sind stärkende Achtsamkeitsübungen hilfreich für Menschen, die Erfahrungen beispielsweise mit Selbsthynose haben. Ist das Loslassen von Gedanken und Einlassen auf sich selbst aber nicht gewohnt, kann es Ängste auslösen.
Aber auch an dieser Stelle zeigt sich: Es ist toll, wenn man Moderationsaufgaben auf verschiedene Schultern verteilen kann. Aber den Profi erkennt man vor allem an seinem Umgang mit heiklen Situationen. Wenn im inneren Gefühlskompass Trauer, Ängste oder Ärger die positiven Emotionen wie Freude, Hoffnung, Interesse überwiegen, dann wird ein positives Framing eben schnell zum unangebrachten Tschaka-Ruf (und fragen Sie mal wie viele Tschaka-Event-Besucher danach in Therapie müssen — anderes Thema….)
Corona-Depressivität steigt
Vergessen wir nicht: In dieser Coronakrise steigt die Depressivität. Mir bekannte Therapeuten berichten von deutlich mehr Anfragen, auch Online.
Einige Fakten sind nachlesbar: Der Alkoholkauf hat laut GFK um 38% zugenommen. Alkoholmischgetränke verkaufen sich jetzt um 87% besser, Korn und Gin um 31% und Bier um 11%. Kauf ist noch kein Konsum, aber jeder mag hier mal kurz einen gedanklichen Rundgang im eigenen Umfeld einlegen… Derzeit sind einfach viele Menschen existenziell bedroht, die Zukunft ist unsicher.
Da kann so etwas wie ein harmloser Checkin die mühsam ausbalancierte innere Waage kippen. Vergessen wir zusätzlich nicht, dass durch reduzierte private Kontakte die Bedeutung der beruflichen steigt. Dass das Selbstbewusstsein sinkt, wenn man merkt, dass bisherige Strategien – die oft auch Lebensbewältigungsstrategien sind — „auflaufen“.
Psychologische Grundkenntnisse sind da hilfreich (und „Psychologie der Veränderung“ im Juni seit 2019 ausgebucht).
Es gilt, die Antennen Online-Raum zu schärfen:
- Eigene Wahrnehmung aussprechen: Ich nehme wahr, dass…
- Warnsignale erkennen: Stille ist ein stärkeres Alarmsignal als mancher Gefühlsausbruch.
- Den geöffneten Raum für Privates beobachten.
- Sorgen um andere aussprechen.
- Hilfe anbieten!
Keine Angst vor Gefühlen
In unserer Ausbildung erleben wir oft, dass Moderatoren und Coaches, sich von solchen Situationen überfordert fühlen. Wer in einer Führungsrolle steckt, steckt damit zudem auch gleich in einem Rollenkonflikt, mitunter ‑dilemma.
Manche möchten deshalb Gefühle im Online-Raum gar vermeiden. Doch das wäre falsch. Denn aufgestaute negative Emotionen sind explosiver als solche, die sich mal Luft machen konnten.
Negative Emotionen gehören auch dazu
Der erste Schritt ist die Erkenntnis, dass negative Emotionen nicht falsch sind. Wer ihnen keinen Raum gibt, der bekommt sie an andere Stelle zu spüren. Wut ist beispielsweise ein Sekundärgefühl, das sich aus der Angst entwickelt. „Angst kocht auch nur mit Wasser“, heißt ein toller Buchtitel, aber das muss man ja erst mal verinnerlichen. Wenn wir Ängste durch übertriebenes Harmoniestreben unterdrücken, kann es sein, dass sie uns als Wut entgegenschleudern.
Über diese Themen sprechen Thorsten und ich einmal die Woche auch bei YouTube.
Beispiel: In einem Team hat ein Mitglied Existenzangst. Der Moderator und das Team machen aber auf gute Laune und sprechen von der tollen Zukunft nach der Coronakrise. Die Teamnormen sind auf „positiv“ und „wir schaffen das“ eingestellt. Das Teammitglied glaubt daran aber nicht, spricht es aufgrund der Normen jedoch nicht aus.
Das Beispiel zeigt übrigens die Bedeutung von Werten, die sich zu informellen Normen manifestieren können. Das muss gar nicht ausgesprochen sein. Welche Werte wirklich gelten, zeigt sich allein am Verhalten. Nichtsdestotrotz ist es absolut wichtig, über Werte zu reflektieren. In eine Teambildungsprozess gehört die Frage „welche Werte sollen bei uns gelten?“ ebenso hinein wie die Reflexion dessen, was sich zeigt oder eben nicht. Der Check-In transportiert Werte wie kaum eine andere Intervention. Stimmen gelebte und „vereinbarte“ Werte nicht überein, kann das im Check-In zum Ausdruck kommen. Etwa wenn „Offenheit“ in Wahrheit Unter-den-Teppich-kehren anderer Meinungen ist.
Sie sehen, was alles in so einem kleinen Check-In stecken kann. Man sollte ihn also nicht unterschätzen… Er ist der Zauber des Anfangs.
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Beitragsfoto: Wayhome Studios — shutterstock.com
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