Redesigning Office Work: Arbeit neu erfinden
Wie Sie Sie Ihre Organisation hybrid transformieren

New Work ist kein Kicker, sondern ein Gamechanger. Damit der Neuanfang nach dem Auslaufen der Homeofficepflicht gelingt, müssen wir die bisherige Arbeitswelt gnadenlos auseinandernehmen. Eine Professorin der London Business School, Lynda Gratton, hilft uns mit einem Framework.
Wir haben seltsam holzschnittartige Vorstellungen von der Zukunft der Arbeit, die ja längst angefangen hat. Viele dieser Stereotypen offenbaren sich in den Bilddatenbanken des Internets. New Work ist ein Kicker, Homeoffice ein Schreibtisch mit Macbook, Remote-Zusammenarbeit repräsentieren Zoom-Kacheln und Leadership kommt nach wie vor vor allem in Kostüm oder Anzug daher. Vor allem aber: Als Einzelperson, nie als Team.
Es gibt keine Vorbilder — also macht es neu!
Holzschnitt-Vorstellungen prägen — und sie schränken uns ein. Denn sie formen unsere Vorstellungen von der Zukunft der Arbeit, von diesem formlosen Buzzword New Work. Es gibt keine Vorbilder in diesen Bildwelten, keine Idee — und das macht es uns schwer. Dabei bräuchte es jene drei kreativen Kerntechniken, die Erwachsene so oft verlernt haben: Das Biegen, Brechen und Verbinden. Wie sagt der Torrence Test of Creativity? Nur noch 4% der Erwachsenen sind so kreativ wie Kindergartenkinder.
Dekonstruktion: Erst mal zerstören
„Redesigning Work“ heißt der Titel des neuesten Werks von Lynda Gratton, Professorin an der London Business School und eine Art New-Work-Ikone. Auf dem Buchtitel: Kein Homeoffice, kein Laptop, kein Anzug — sondern bunte, grafische Elemente. Es erinnert an Reinventing von Laloux, über das Problem sprach keiner: Re-Imaging ist genauso schwer, ja bisweilen unmöglich wie Re-Inventing. Es ist immer Imaging — oder Inventing.
Holzschnitt also, Idee — Fehlanzeige. Denn wer denkt, zwischen den Buchdeckeln stecke eine einfache Lösung für die Zeit nach der Homeoffice-Pflicht, wird enttäuscht sein. Gratton bietet vielmehr ein Framework an, das hilft, genauer hinzusehen und eigene Lösungsansätze zu entwickeln.
Redesign im PDCA

Redesigning-Work-Zyklus
Denn Organisationen sind zu unterschiedlich, Branchen zu verschieden für allgemeingültige Konzepte. Individualisierung ist auch hier gefragt. Das Ergebnis des Nachdenkens in einem PDCA-nachempfundenen Vier-Schritt ist keine Lösung, sondern ein Versuch, der getestet und aus dem gelernt werden muss. Wissenschaftliches Arbeiten eben.
4 Elemente der Produktivität

Elemente der Produktivität
Der erste Schritt ist dabei das „Untersuchen“ der eigenen Jobprofile. Dabei helfen die fünf Elemente der Produktivität:
- Energie
- Fokus
- Koordination
- Kooperation
Jobprofile haben meist Anteile aus allen fünf Elementen, aber es gibt Schwerpunkte. Wodurch entsteht der größte Gewinn für die Organisation? Was gibt dem Mitarbeiter den entscheidenden Kick?
Jedes Element hat eine positive und eine negative Seite. Ein Jobelement kann beispielsweise auf der positiven Seite energetisch und impulsgebend oder auf der negativen langweilig und ermüdend. Jedes Jobelement lässt sich daraufhin betrachten, wie und wann es sich im Homeoffice oder im Büro zeigt.
Dabei können sich alle fünf Elemente sowohl im Homeoffice als auch im Büro positiv auf die Produktivität auswirken. Energie kann entstehen, wenn man sich mit Nachbarn austauscht, anderen Mietern im Workingspace oder auch im Büro. An allen diesen Stellen kann sie aber auch verloren gehen. Ein Konzept schreibt es sich womöglich im Büro schlechter, aber die entscheidende Idee für dessen Gestaltung entsteht durch den Austausch im Workingspace.
Dabei ist Büro nicht gleich Büro. Gratton differenziert zwischen verschiedenen Büroformen:
- Klassisches Zentralbüro: Alle an einem Platz
- Hub-Büro: Schnittstelle, über die wichtige Verbindungen laufen
- Satelliten-Büro: Büro am Wohnort einige Mitarbeiter, kann auch ein Workspace sein
In Verbindung mit den fünf Elementen ergeben sich dadurch einige Denkansätze.
Beispiele:
Peter ist IT-Mitarbeiter in einer Versicherung. Einmal in der Woche muss er ins Büro kommen, um dort dasselbe zu tun wie zuhause: Die Berechtigungen in SAP aufsetzen und verwalten. Er wird an genauer und zuverlässiger Arbeit gemessen. Seine wichtigsten Produktivitätselemente sind Fokus und Koordination. Die lebt er im Homeoffice besser als im Büro.
Susanne ist Innendienstmitarbeiterin. Ihre zentralen Produktivitätselemente sind Energie und Kooperation. Sie wird an der Kundenzufriedenheit gemessen, die ihr auch sehr am Herzen liegt. Sie lernt sehr viel, indem sie die Kolleginnen beobachtet und ihnen beim Telefonieren zuhört. Das fällt ihr vor Ort am leichtesten.
„When thinking about jobs and tasks, consider how key productivity drivers—energy, focus, coordination, and cooperation—will be affected by changes in working arrangements“, schreibt Lynda Gratton im Harvard Business Manager.
Dabei ist auch immer die Frage, wie bestimmte Tätigkeiten – etwa Vertrieb oder Führung – neu gedacht werden können. Denn es ist eine schlechte Idee, bisherige Tätigkeiten einszueins Online zu übersetzen.
Starke und schwache Verbindungen balancieren

Ausbalancierte Verbindungen: Lynda Gratton, Redesigning Work 2022
Homeoffice ist nicht neu. Die Firma Yahoo ließ 2013 alle Mitarbeiter wegen sinkender Produktivität zurückkommen. Eine Folge nachlassender Bindung und eingeschlafenem Engagements: Der Produktivitätsfaktor Energie hängt eben auch mit den anderen Faktoren zusammen.
Grenzen zwischen Zuhause und Arbeit managenEnergie entsteht durch Lernimpulse und Bindungen. Starke als auch schwache Verbindungen sind eine wichtige Energiezufuhr. Sie haben einen starken Effekt auf die Generierung, Verteilung und vor allem auch Weiterentwicklung von Wissen und Gruppenintelligenz. So geht es immer wieder darum, aus den gemachten Erfahrungen zu lernen.
Zum Lernen gehört auch, die Wechselwirkungen im Blick zu halten: Wer im Homeoffice ist, ist weniger sichtbar in den typischen informellen Karrierenetzwerken, was typischerweise Frauen zum Nachteil gereichen kann. Erst recht dann, wen die neue Arbeitswelt nicht redesignt wird, sondern einfach nur von Präsenz auf Online kopiert.
Arbeitnehmer haben mehr und mehr die Aufgabe, die Grenzen zu ziehen und zu managen. Was bedeutet Arbeiten Zuhause Homeoffice, was die Arbeit im Büro? Dabei wird laut Gratton der Homeoffice-Arbeit immer mehr eine ideosynkratische Funktion zukommen. Die Ausstattung dort ist persönlich und eigenwillig: Der eine hat lange Bücherwände, der nächste einen Loungebereich — was gegen einige Tendenzen spricht, die Büros einheitlich ausstatten zu lassen. Wichtig ist hingegen die zeitliche und räumliche Regulierung und die individuell gesetzten Zeichen: Hier ist kein Privatbereich, hier ist Arbeit.
Was aber wenn Zuhause räumliche Grenzen hat? Co-Working wird immer kreativer. Viele, die übergangsweise in einem arbeiteten, bewerten das als “gute Zeit”. Warum also nur übergangsweise? Es gibt viele Ideen: Hotels mit integriertem Co-Working etwa oder Co-Working abroad in einer gemeinsam gemieteten Villa. Das verlangt flexiblere Arbeitsverträge. Auch hier ist Bewegung: Manche Unternehmen bieten jetzt auch die Möglichkeit, drei Monate im Ausland zu arbeiten.
Das Unternehmen als soziale Plastik
Aber auch das kann man ganz neu denken. “Brauchen Unternehmen Orte” lautet der Titel der aktuellen brandeins. Der Wirtschaftswissenschaftler und Autor Stephan A. Janssen gibt bei der Frage zu bedenken, dass ein Unternehmen eine soziale Plastik ist und sich die Bedürfnisse innerhalb der Generationen stark unterscheiden. Auch das ist eine große Herausforderungen. So plastisch Gratton fünf Elemente sind: Es wird im selben Jobprofil unterschiedliche Antworten geben. Der Begriff Plastik sagt aber auch, worauf es ankommt: Es ist eine Kunst, so ein Gebilde zu bauen, aber auch zu erhalten.
Den Kopf auslüften und anders mit Zeit umgehen
Essayist Wolf Lotter blickt in derselben Ausgabe in seinem Dossier in die Geschichte: War es nicht einst so, dass die Inspiration in Clubs und Kaffeehäusern entstand — und der Arbeitstag nicht etwa chronologisch, sondern nach der inneren Uhr organisiert war?
“Bevor alle ins Zentralbüro mussten, waren Menschen, die mit ihrem Wissen ihr Geld verdienten, bei Weitem nicht so gebunden wie heute. Sie arbeiteten oft in eigenen kleinen Büros in ihrer Wohnung, nicht selten aber auch in Kaffeehäusern und Bibliotheken, um nur zwei zentrale Orte der Wissensarbeit von früher zu nennen. Das taten nicht nur Autoren, Journalisten, Künstler, sondern auch Physiker, Naturwissenschaftler und Unternehmer.”
“Den Kopf auslüften” nannte man es, wenn jemand sich Inspiration draußen holte. Dazu passe wenig, dass gerade auch Unternehmen, die sich New Work auf die Fahne geschrieben haben sich Mitarbeiter zurück in imposante Büros hole.
Klar, dass es unklar ist
Die Wahrheit ist aber eben auch, dass nicht jeder die richtige Balance zwischen Auslüften und Produktivsein so ohne weiteres findet. Die Ursachen sind vielfältig: Unser Bildungssystem, die Berufsorientierung, Persönlichkeitsentwicklung und die Jobs an sich. Arbeit ist nach wie vor ein Ort der Sozialisierung, der Anpassung an Normen. Dies ist auch das gängige Führungsverständnis, das eine Art elterliche Fürsorgepflicht enthält. So lange das so ist, bleibt die freie und selbstbestimmte Arbeit ein schwieriger Balanceakt. Der Weg in die Zukunft der Arbeit bleibt also ein Weg voller Widersprüche.
Es bleibt: nicht eindeutig. Nur das ist sicher: Absolute Lösungen, die festlegen, wie es sein soll, passen nicht mehr in unsere Zeit. Sie werden ihrer Komplexität und Dynamik nicht mehr gerecht. Also besser mal anhalten und nachdenken, bevor es jetzt wieder zurück in die Büros geht.
Das machen wir beispielsweise in unseren Seminaren zu Organisationsentwicklung oder agilem Kulturwandel. Termine.
Das Buch:
Lynda Grattons bei Penguin London auf Englisch erschienenes Buch ist leicht verständlich und mit vielen anschaulichen Beispielen geschrieben. Ihren PDCA-inspirierten Zyklus dekliniert sie durch alle Seiten und bricht ihn auf seine Bestandteile herunter. So heißen die Kapitel Understand, Reimagine, Model & Test sowie Act & Create. Dazu kommen Beispiele und Cases großer Firmen und Konzerne, die Herausforderungen beim Onboarding etwa mit (teurem) Virtual Reality lösen. Reimagine beinhaltet außerdem ein häufiges Problem: Ähnlich wie Laloux “Reinventing” geht es davon aus, dass Organisationen sich aus sich selbst heraus ändern können. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die wahren Impulse für die Zukunft aus neuen Gründungen entstehen. Das “Rekonstruieren” fällt sehr schwer, wenn das Bedürfnis ist, die Organisation zusammenzuhalten.
Die Frage, wie kleinere Unternehmen mit solchen Herausforderungen umgehen, wird nicht beleuchtet. Auch auf das komplexe Generationen-Thema geht Gratton nicht ein.
Das Buch: Lynda Gratton, Redesigning Work
Beitragsfoto: Trang Down, Pexels.com
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