Studien: Warum agile Coaches oft nichts mit Agilität zu tun haben

Agiles Coaching schneidet in Studien stets gut ab — es trägt positiv zur Transformation bei. Deshalb ist die Nachfrage nach agilen Coaches ungebrochen. Schon fragen einige: Löst agiles Coaching gar die klassische Unternehmensberatung ab? Zwei Studien enthüllen eine Problematik der Rolle “Agiler Coach”.
Trotz vieler Fortschritte gilt: Es ist noch viel zu tun: Laut der Bearingpoint Pulse 2020 Studie bewegt sich Agilität immer noch vor allem auf Teamebene (81%), nur bei 26% ist sie auch im Management angekommen – und das ist eine Selbstauskunft. Das Einsatzgebiet der agilen Coaches ist also oft nicht da, wo es sein sollte: Dort, wo zentrale Hebel für die Transformation gestellt werden.
Führungskräfte als agile Coaches?
Zahlreiche Führungskräfte scheinen sich selbst als agile Coaches zu sehen, die den Wandel treiben (insgesamt 24% sagen zu der Frage, ob sie sich als agile Coaches sehen „trifft sehr“ oder „eher zu“). Dabei sind gleichzeitig nur in 14% der Fälle Rollen und disziplinarische Funktion getrennt. Dass die Einschätzungen über den Fortschritt von Agilität weit auseinanderklaffen, zeigt sich etwa daran, dass 50% der Führungskräfte meinen, die Prozesse seien am Kunden ausgerichtet, aber nur 32% der Mitarbeiter…
Bleibt die Frage, welche Agilität überhaupt gemeint ist, denn oft geht es offensichtlich vor allem um Methoden, die Studienautoren auch besonders gern abfragen. Die Kernidee und Existenzberechtigung, der Purpose der Agilität sozusagen, über den wir bereits in dem viel geteilten und gelikten Biontech-Artitel geschrieben haben, ist jedoch die Kundenzentriertheit. Und die zentrale Methode nicht etwa Scrum oder Kanban, sondern das empirische Arbeiten mit Blick auf den Bezugspunkt, etwa Kunde oder Gesellschaft.
Markante Abweichung zum Ursprungsgedanken von Agilität
Das haben Organisationen aber oft nicht im Sinn, wenn sie ihre Agilität betrachten. “Die sehr schwach ausgeprägte Forderung nach einer Fokussierung auf den Mehrwert der Kunden (2,99 %) stellt eine markante Abweichung zum Ursprungsgedanken von Agilität dar“, formulieren Prof. Dr. Karin Marchand (FOM Hochschule für Oekonomie und Management) und Sebastian Lindken in ihrer Studie mit dem Namen „Der agile Coach: Rolle und Anforderungen aus der Unternehmensperspektive“ (hier nachzulesen).
Untersucht haben die Autoren die Nachfrageseite über 134 Stellenanzeigen im Erhebungszeitraum 16.04.–15.05.2018 auf den reichweitenstarken Portalen xing.com, stepstone.de, indeed.com und monster.de. Nun sind Stelleninserate ein Spiegel der Zeit und ändern sich schnell. Inzwischen sehe ich mehr Differenzierung – die Tendenz des agilen Coaches als „Supermethodenberater“ bleibt aber bestehen.
Mikroebene ist einfacher und der Schuldige schneller gefunden
Dabei wird nicht überraschend meist auf Methoden fokussiert, vor allem Scrum, Kanban, Less oder SAFe. „Mutmaßen lässt sich nur, dass der Einsatz von agilen Methoden auf der Mikroebene transparenter ist und es einfacher ist, die Arbeit eines agilen Coaches sichtbar zu machen und seinen direkten Wert erklären zu können.“ Und weiter schreiben die Autoren: „Es lassen sich in diesem Zusammenhang einfacher Key Performance Indicators (KPI) für den Wert seiner Arbeit generieren und messen als etwa bei organisationalen Transformationsprozessen und Aufgaben im Kulturwandel.“
Das spricht ein Kernproblem der Rolle agiler Coach an: Denn natürlich ist der Erfolg eines Kulturwandels nicht der Erfolg einer Rolle, sondern es spielen sehr viele Variablen hinein, die kaum voneinander zu trennen sind. So wird auch hier oft eine Kausalität vorgespiegelt, die so nur in Milchmädchenrechnungen vorkommen kann.
Empathie war in den Stelleninseraten kaum gefordert, dagegen Kommunikationsfähigkeit und generell psychosoziale Skills. Viele setzten immer noch ein Informatikstudium voraus. Das erklärt die Verbindung mit der Teamebene: Darüber hinaus wäre durch Schnittstellendisziplinen geprägtes Denken sicher oft hilfreicher.
Agile Coaches sollten sich hier von zu viel Erwartungsdruck emanzipieren. Letztendlich können diese nur Prozess- und Reisebegleiter sein, Weichen stellen Top-Management oder Inhaber.
Foto: Shutterstock — Jakob Lund
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