Kann man Gruppen und Teams wirklich coachen?
und warum Teamcoaching Zukunft hat

Einige Coachingausbilder und Experten verneinen diese Frage. Sie sagen, Teamcoaching sei zwangsläufig das Coaching von Individuen in der Gruppe. Wir sehen das anders.
Gruppentherapien funktionieren so gut wie Einzeltherapien. Dabei hat man wahlweise den Einzelnen in der Gruppe oder die Gruppe selbst im Fokus.
So gut wie alle Coachingmethoden kommen aus dem Therapeutischen, sind zuhause in der Gestalt- oder kognitiven Verhaltenstherapie, der Gesprächspsychotherapie, der Hypnotherapie, der systemischen Familientherapie oder dem Psychodrama. Die meisten Methoden beziehen sich im Schwerpunkt auf die Arbeit mit Einzelpersonen — nur die beiden letzteren sind auf „Gruppen“ angelegt.
Wunsch und Wirklichkeit: Den Gap schließen
Alle Coachingmethoden sind insofern systemisch, als sie Umwelten einbeziehen und grundsätzlich davon ausgehen, dass es nur eine individuelle Wirklichkeit gibt. Sie setzen vor allem auf der Erfahrung des Einzelnen auf und nutzen vor allem Ressourcen, also alles was stabilisiert und von innen stärkt. Diese Herangehensweise ist auch bei Gruppen sinnvoll. Denn Teamcoaching ist immer dann angebracht, wenn es einen Gap gibt zwischen dem, was ist — und dem was erreicht werden soll. Das ist ja auch der typische Anlass bei einem Business Coaching.
Fluide emotionale Gebilde, die Gestalt annehmen
Allerdings: Die gemeinsame und geteilte Vergangenheit einer Gruppe ist begrenzter, mitunter sind die Ressourcen rar. Da unterscheidet sich ein junges Team kaum von einem Jugendlichen… Andrerseits sind da die Negativerlebnisse auch überschaubarer. Die Prinzipien sind also gar nicht mal so unterschiedlich. Begreift man Teams als ein fluides emotionales Gebilde, setzt es sich in jedem Moment neu zu einer Gestalt zusammen, konstruiert und dekonstruiert sich wieder. Der Teamcoach ist dabei jemand, der sowohl bei Konstruktion als auch Dekonstruktion unterstützt.
Teams wollen „zusammenhängen“
Denn wie der Mensch strebt auch das Team nach Kohärenz. Sie wollen sich „zusammenhängend“ sehen. Die wesentliche Kompetenz eines Coaches ist also die Zusammenhänge herzustellen. Während die Coachin im Einzelkontext indes nur mit den Worten des einen Klienten und somit einer Sprache arbeitet, hat sie es in Teams mit einer sprachlichen Vielfalt zu tun, was den Anspruch aus unserer Sicht deutlich erhöht. Gemeinsame Bilder zu finden wird somit zu einer wichtigen und durchaus herausfordernden Aufgabe. Der Teamcoach, so kann man es auch sagen, muss mehr sprachliche Angebote machen, seine Menükarte muss viele Wortgerichte enthalten.
Bedeutung der Deutung
Der Mensch ist, was er war und gewesen sein möchte. „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit gehabt zu haben“ – ob dies Zitat nun Erich Kästner oder Ruth Cohn zuzuschreiben ist, es beschreibt die Bedeutung der Deutung. Nun sollte ein Teamcoach nicht in der Kindheit der Teammitglieder graben. Aber der Blick in die Vergangenheit kann notwendig sein, um Lösungen möglich zu machen.
Denn auch Gruppen können verbindende traumatische Erlebnisse haben, wie etwa den plötzlichen Tod des Geschäftsinhabers. Dies „aufzuarbeiten“ ist dann „lösungsorientiert“, wenn erst das den Blick frei macht. Bei aller Individualität des Einzelnen teilt die Gruppe, vor allem eben auch die feste kleine Gruppe, das Team also, eine gemeinsam erlebte und bisher zusammen in Küchen- oder sonstigen Gespräche gedeutete Vergangenheit. Wobei traumatische Erlebnisse wie der Verkauf ganzer Geschäftsbereiche oder eine Kündigungswelle auch zu kollektiven Traumata führen kann.
Gruppenphänomene kennen
Deshalb sind wir eben doch manchmal wieder bei der Gruppentherapie, die eben auch viele mit Gruppenphänomenen arbeitet, Gruppendenken etwa. In manchen Ansätzen ist dies wieder die Therapie an sich, etwa bei den Anonymen Alkoholikern. Ein bestimmtes Verhalten ist erwünscht, man unterwirft sich einem Gruppenkodex. Über dessen Inhalte kann man sich streiten – aber Normen sind eben auch Leitplanken. Sie definieren wer in der Gruppe ist und wer draußen.
Kollektives Trauma
Nun sind solche Traumata in organisatorischen Gruppen nur begrenzt gemeinsam bearbeitbar, da Kollektive keine festen Gebilde sind und sich auch in den Beziehungen untereinander laufend erneuern. Letztendlich möchte wohl niemand ein ganzes Unternehmen auf der Couch schicken, denn das ist nicht der Zweck einer Unternehmung. Sie möchte wirtschaftlich überleben, nimmt die Couch also nur dann in Kauf, wenn sie diesem Ziel dient…
Nicht ohne Grund sind auf Gruppen und speziell Teams zugeschnittene Lösungsansätze typischerweise “lösungsorientiert“. Sie zielen darauf ab, dass die Gruppe ihre Ziele erreicht – so wie Business Coaching darauf abzielt, dass berufsbezogene Ziele erreicht werden, beispielsweise ein besserer Umgang mit Prokrastination oder weniger Mikromanagement.
Möglichkeitenraum abstecken
Nur welche Ziele hat das Team? Schon Einzelpersonen fehlt es oft an Klarheit, was sie eigentlich wollen, jedenfalls wenn der Möglichkeitenraum groß gehalten ist. „Ich könnte alles, wenn ich nur wüsste…“ Die charmante Selbstfindung hat in Teams nun mal Grenzen, sowie sie auch im Business Kontext begrenzt werden muss. Und jeder Coach weiß, dass Grenzen überwunden werden, wenn es dem Ziel hinter dem Ziel dient…
In Teams ist das schwieriger. Denn erstens geht es nur so lange um das Individuum in der Gruppe wie dieses dem Teamziel dient. Der Fokus eines Teamcoachs muss deshalb sehr klar gesetzt sein, Ausflüge in individuelle Befindlichkeiten sind erlaubt, aber nur solange dies eben diesem Fokus dient.
Deshalb macht es bei Teamcoaching Sinn, den Möglichkeitenraum abzustecken. Wenn jemand darüber hinaus will – okay, aber das wäre Einzelcoaching.
Agile Werte als Nährboden für Teamcoaching
Im Teamcoaching müssen klare Strukturen her, etwa eindeutige Wert- und Norm-Orientierungen. Deshalb bieten die agilen Werte einen idealen Nährboden für Teamcoaching. Sie schaffen einen Rahmen: Wenn sich ein Team auf den Wert „Commitment“ (auf das Ziel) einigen kann, lässt das individuelle Selbstverwirklichung in diesem Rahmen zu. Beliebigkeit aber verbietet sich.
Wenn Sie wissen wollen, ob man Gruppen oder Teams coachen kann, empfehlen wir neben unserem Kursangebot, speziell Agiles Teamcoaching kompakt, folgende Vorgehensweise:
- Klären Sie, ob die Gruppe ein Team ist. Ein Team hat eine gemeinsame Vergangenheit, eine überschaubare Größe und ein gemeinsames und geteiltes Ziel.
- Stellen Sie sicher, dass das Ziel auch wirklich gemeinsam verfolgt wird – oder Lippenbekenntnisse Dysfunktionalitäten verdecken.
- Verkleinern Sie den Möglichkeitenraum, indem Sie Werte vereinbaren, die geteilt werden.
- Vergrößern Sie den Handlungsraum, indem Sie darauf vertrauen, dass das Team die Lösung kennt…besser als Sie.
Anbei noch eine Abgrenzungstabelle. Zur Abgrenzung von Moderation und Teamcoaching finden Sie hier einen Beitrag.
Foto: Drazen Zigic / Shutterstock.com
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