Vom Re-Teaming zum Hybrid-Lifestyle: 8 Tipps für die Post-Corona-Zeit

Ein Teil der Welt feiert schon jetzt ausgelassen, ein anderer hat die Stubenhockerei kultiviert. Die einen kommen bestens mit dem „Home Office“ klar, die anderen taumeln in die Freiheit. Nie gab es so viele Pole, waren Widersprüche so groß, klafften so tiefe Präferenz- und Meinungsgräben zwischen Menschen. Da stellen sich viele die Frage, wie es weitergehen könnte. Wir haben Ideen.
“Ich werde meine Zoom-Meetings absagen, ich bin damit durch”, zitieren die ARD Nachrichten Jamie Dimon von JP Morgan Chase. Seine Bank habe Aufträge nicht bekommen, weil die Konkurrenz persönlich beim Kunden gewesen sei. Home-Office funktioniere nicht, soll er gesagt haben — andere sind da komplett anderer Meinung. Doch sind es auch diejenigen, die die Entscheidungen auf oberer Ebene treffen? Werden diese mutig genug sein für Hybrid-Konzepte und neue Lösungen?
Wir wissen es nicht, vermuten aber, dass verschiedene Ideen miteinander konkurrieren werden. Und das ist eine Chance für Arbeitgeber, die sich mehr trauen und dem Kulturwandel stellen wollen. Unsere acht Ideen geben Orientierung.
1. Finden Sie Ihre eigene Best Practice
Viele Unternehmen und ihre Führungskräfte sind derzeit unsicher. Wie viel Büro ist nötig, wie viel Home Office sinnvoll? Braucht es Vorgaben, Regeln – oder Wahlfreiheit? Soll die Digitalisierung erhalten bleiben oder droht ein Jo-Jo-Effekt? Das legt die jüngste McKinsey-Umfrage “Digital Sentiment Study” nahe, nach der Deutschland mit aller Kraft zurück in den Offline-Modus strebt — mehr als andere Länder und auch im Bereich Bildung.
Doch es geht nicht nur um die künftige Richtung, sondern auch um ganz gegenwärtige Fragen, etwa: Was tun mit den psychologischen und gruppendynamischen Folgen der Pandemie?
Von kleineren Unternehmen — Digital Sentiment hin oder her — hören wir oft, dass es nach Corona weitergehen könne wie bisher – mit 50–80% Home Office. Einige Unternehmen quellen über vor Ideen, installieren Remote-Hubs und Bindungskonzepte mit Afterwork-Parties und Online-Fitness.
Aber: Eine Kommunikationsagentur mit eher jungen und psychisch weitgehend unbelasteten sowie digital motivierten Mitarbeitern ist nicht mit einem Verwaltungsbetrieb oder einem Konzern zu vergleichen. Und Medien-Fallberichte sind mit Vorsicht zu genießen, denn sie sind eben immer auch PR.
Wie nachhaltig die Pandemie-Schatten auf der Seele kleben, ist derzeit schwer zu beurteilen. Im Podcast „Team A“ von Antonia Götsch und Astrid Meyer berichtete kürzlich Reinhild Fürstenberg vom gleichnamigen Institut, dass ihr EAP (Employer Systems Program) niemals so beansprucht worden sei, wie während der Pandemie. Therapeuten ächzen, Krankenkassen berichten von (noch) mehr Depression. Die Glücklichen gibt es auch, die Resilienten sowieso. Es ist kompliziert — da braucht es Ideen.
Auch deshalb kann es nur individuelle Lösungen geben.
Wir meinen:
Konzepte gibt es nicht von der Stange. Eine Organisation, die junge Digitale für wenige Jahre halten will, kann sich anders verhalten als eine Organisation, die langfristig binden muss und möchte. Wie erfahren sind die Führungskräfte im Remote-Kontext? Welches ist der soziale Hintergrund und die Lebensphase der Mitarbeiter? Wie stark einen gemeinsame Werte (oder wie schwach?)? Stellen Sie sich erst mal nur Fragen, bevor Sie nach Antworten suchen. Was sind die dringendsten Fragen? Suchen Sie dazu Ideen. Versprechen Sie erst gar keine Lösung. Probieren Sie vielmehr aus und werten Sie Erfahrungen aus.
2. Den sozialen Code neu schreiben
Digitales Onboarding ist eine Herausforderung. Die Mitarbeiterinnen, die sich vor der Pandemie kannten, konnten schon ein Gefühl für das Unternehmen entwickeln. Sie haben soziale Codes verinnerlicht. Neue Mitarbeiter, die gar keine oder wenig Büroluft schnuppern konnten, können dagegen noch nicht zwischen diesen nun verblichenen Zeilen lesen.
Es gibt keine belastbaren Zahlen, aber oft hört man, dass das digitale Onboarding nicht so gut klappt — aus menschlichen Gründen, nicht aus technischen. Das Team, das sich bereits aus Vorcoronazeiten kannte, nimmt das neue digitale Mitglied offensichtlich schwerer auf. Das ist ja auch klar: Es kommt ja schon mit einem anderen Code dazu! Und es hat weniger Klebstoff an sich, allein schon weil man sich wirklich nicht riechen kann.
Nichts zeigt so deutlich, wie Räume und Kommunikationen einer Organisation das Sozialverhalten prägen. Die Zwischenräume wie der Weg zur Arbeit auf dem Fahrrad oder die Begegnung an der Bahnstation und in der Küche, gestalten das Arbeitsverhältnis entscheidend mit. Den Digitalen ist das oft weniger wichtig, vielleicht auch weil sie unter anderen Voraussetzungen unterschrieben haben… Damit daraus keine Konflikte und Sozialneid oder Ausgrenzung wachsen, braucht es eine Kultur, die Werte ins Zentrum stellt, die nicht vom Ort abhängig sind, etwa Zusammenarbeit, Leistung oder Kreativität.
Wir meinen:
Corona wird auch die Kultur verändern. Die neuen und die alten Mitarbeiterinnen sind letztendlich auch Vertreter unterschiedlicher Wert-Haltungen. Alle sollten gemeinsam darüber sprechen, wie es vor Corona war, was Corona verändert hat und wie die Büro- und Zusammenarbeitswelt nach Corona aussehen soll.
3. Reteaming für alle
Vertrauen galt schon vor Corona als Schlüssel für effektive Remote Work. Das ist wie eine gute Beziehung: Sie übersteht einige Wochen und Monate den Abstand, aber irgendwann hat man sich trotz Videokonferenzen auseinander gelebt…
Manche Kolleginnen haben sich mehr als ein Jahr nicht mehr gesehen. Klar, gab es spannende Online-Teamentwicklungsmaßnahmen und Veranstaltungen remote. Allerdings konnten Online auch Konflikte (siehe Punkt 5) leichter ausgesessen werden. Und es geht nicht nur um Teambildung und Teamentwicklung, also die besondere Maßnahme, sondern auch um ganz normalen Alltag.
Und trotz aller Online-Check-Ins fehlt da was: Wir gehen seit einem halben Jahr nicht mehr gemeinsam Mittag essen! Es gibt auch deshalb weniger privaten Austausch. Da ist also jetzt ein Schub nötig – Live-Teamevents werden in den nächsten Wochen und Monaten ziemlich sicher boomen.
Wir meinen:
Eigentlich ist jetzt die ideale Zeit, über Teams und Zusammenarbeit nachzudenken. Wann ist ein Team ein Team? Was macht es aus? Wann ist es leistungsfähig, kreativ, effizient oder selbstorganisiert? Und was braucht es dazu? Welche Art von Räumen, welche Art von Zusammenarbeit?
4. Der Hybrid-Lifestyle fordert Pflege
Die Zukunft ist Hybrid – und doch: Hybrid Lifestyle nennen es noch wenige, denn es fühlt sich (noch) fremd an.
So sagten Remote Worker in Hybrid-Unternehmen vor Corona in einer Studie, dass sie sich gegenüber den Kollegen vor Ort im Nachteil fühlten (hier). Sie bekamen schlicht weniger Beachtung. Wir kennen nicht wenige, die vom den Vor-Ort-Teams geradezu vergessen wurden.
Das könnte sich jetzt ändern, denn die Kollegin im anderen Land oder der anderen Stadt ist nun keine Exotin mehr. Ein gutes Hybrid-Team braucht ganz besonders viel Aufmerksamkeit für Kommunikation.
Es gibt, etwa in kreativen Sektoren Teams, die Hybridarbeit seit vielen Jahren gewohnt sind und auch Zeitzonen galant überbrücken. Diese Teams gehen natürlicher mit der Remote-Arbeit um. Neue Hybrid-Teams müssen da kräftig üben und Erfahrungen machen.
Laut einer Erhebung des Leesman Index (https://www.leesmanindex.com) aus dem März 2021 mit 181.000 Teilnehmenden gibt es viele Gründe, Online zu bleiben. Kreative Kollaboration ist laut dieser Umfrage Online genauso möglich wie Offline.
Das Büro vor Ort bringt laut Leesman Index vor allem zwei klare Vorteile:
- Von anderen lernen
- Informelles Socializing
Diese beiden Punkte sollten deshalb besondere Aufmerksamkeit in Hybrid-Konzepten bekommen. Beim Lernen hätten wir da was im Angebot 😉
Wir meinen:
Damit die Onliner nicht vergessen werden, können kreative Ideen wie Online-Live-Tandems helfen. Eine in Präsenz anwesende Person schließt sich z. B. für einen Monat mit einer Onlinerin zusammen. Ganz besonders effektvoll bei Hybrid ist die kleine Teamgröße. Wirkliche Integration klappt nur in überschaubaren Einheiten!
5. Führung muss fürsorglicher werden
Nie waren Krankenversicherte öfter wegen Rückenleiden krankgeschrieben, auch die Anzahl psychischer Erkrankungen stieg, meldeten Techniker Krankenkasse und die AOK – bei einem während der Pandemie durchschnittlich niedrigerem Krankenstand.
Von Firmen hören wir oft, dass gut Zweidrittel der Mitarbeiter nahezu „abgetaucht“ seien, auch bei (technischer) Anwesenheit in Meetings. Die Menschen kommen nicht auf die Führungskräfte zu, sie ziehen sich zurück.
Hat nun die Führungskraft Post-Corona eine Holschuld? Wir meinen „ja“. Eigentlich ist das sogar eine spezielle Aufgabe — People Care. Dazu müssen Führungsgespräche aber Zeit für Gespräche haben und sich bewusst sein, in welcher emotionalen Lage ihre Mitarbeiter sind. Empathie und psychologische Grundkenntnisse helfen, Signale zu deuten. Wir empfehlen unseren Kurs “Psychologie der Veränderung”.
Wir meinen:
Weniger ist immer mehr. Je mehr sich eine Führungskraft auf die eine Sache konzentrieren kann, desto mehr kann sie in dieser bewirken. Man kann sich nicht zugleich um die Digitalisierung und das Wohl der Mitarbeiter sorgen, jedenfalls nicht ohne das eine oder andere nachrangig zu behandeln. Das spricht sehr dafür, Führung nach Corona viel mehr zu verteilen.
6. An- und aufgestaute Konflikte müssen raus
Online ließen sich Konflikte und Streitigkeiten umgehen. Die Feedbacks, so unsere Erfahrung, sind bei aller Online-Direktheit oft weniger engagiert. Man kann die Dinge auch leichter aussitzen, wenn man sich nicht direkt begegnet. Personen in einem Meeting sind einem auch weniger nahe. Unsere These: In einigen Bereichen haben die vielen Online-Begegnungen die Kommunikationsfähigkeiten stark verbessert, in anderen ist das Gegenteil passiert. Manche Menschen mussten sich weniger mit anderen Perspektiven sowie subjektiv „schwierigen“ Menschen und Situationen auseinanderzusetzen. Sie konnten leichter in ihrer Blase leben, erlebten weniger „Kollisionen“.
Wir meinen:
Konflikte verhindern Leistung, wenn sie nicht frühzeitig erkannt und bearbeitet werden. Dabei ist Konflikt nicht gleich Auseinandersetzung. Gerade der stille und erst recht der kalte – unter den Teppich gekehrte – Konflikt, wirken zerstörerisch. Halten Sie also die Augen auf. Durch die Distanz in der Coronazeit konnte so einiges erkalten, was nicht weg ist — sondern nur vorübergehend verstummt. Dies in der Post-Corona-Ära aufzuarbeiten ist wichtig.
7. Wir müssen raus aus schädlichen Kommunikationsmustern
In der Pandemie zeigte sich die ungesunde Tendenz, dass jedes Argument ein Gegenargument auslöst sowie ein grundsätzliches Interesse an der Verteidigung der eigenen Position. Argumente werden lieber gegeneinander in den Ring geschickt.
Weniger gelernt ist die Verheiratung und co-kreative Weiterentwicklung von Ideen und Gedanken. Dies setzt voraus, dass man nicht jede Aussage gleich in Schubladen legt und bewertet. Moralisierende und rechthaberische Zeigefinger werden gern von allen Seiten in die Luft geworfen, Lösungen rücken in weite Ferne — auch bezogen auf Positionen zu Home Office.
Dieses Kommunikationsmuster passt nicht mehr in eine zunehmende Komplexität, denn es zielt auf Vereinfachung und Simplifizierung. Es braucht Kommunikationstrainings, die darauf zielen.
Wir meinen:
Fördern Sie verbindende und bewertungsfreie Kommunikation. Die Phrase „interessant…“ hilft dabei sehr. Es ist interessant, sich selbst dabei zu beobachten, welche Gedanken und Gefühle etwas auslöst – und gesund darüber zu sprechen.
8. Wir brauchen mehr psychologische Angebote
Die Coronapandemie hat bestehende psychologische Tendenzen verstärkt. Es gibt Menschen, die ein Jahr keinen direkten Kontakt zu mehr als ein, zwei Personen hatten — manche haben sogar niemanden außerhalb von Videokacheln gesehen. Für nicht wenige gab es keine körperlichen Berührungen mehr, da nun auch der Handschlag und die Umarmung wegfiel. Andere sind in Extreme abgetaucht, beschäftigten sich tagein tagaus mit Coronazahlen und vermeintlichen Fakten.
Soziale Phobien, Bewegungsmangel, Panikattacken, Essstörungen – die Liste ist lang. Und die Frage, wie Unternehmen und ihre Führungskräfte damit umgehen, wird dringender werden, je weniger Therapieplätze verfügbar sind.
Es ist absehbar, dass Unternehmen da Post-Corona-Angebote machen müssen.
Wir meinen:
Gerade die mittelleichten psychologischen Themen brechen jetzt auf. Dafür braucht es Anlaufstellen und Angebote, nicht nur therapeutische. Eine offene Reflexion in der Gruppe kann ebenso helfen wie ein gutes Achtsamkeitstraining oder ein Working-Out-Loud-Circle.
Artikel Teilen:
Aktuelle Themen, die bewegen.
Sie wollen uns kennenlernen? Erleben, wie wir ticken, wer wir sind? Dann laden wir Sie herzlich ein, unsere Webinare zu besuchen, die zwei Mal im Monat stattfinden. Sie dauern jeweils 30–60 Minuten und beinhalten einen spannenden Vortrag zu einem aktuellen Thema und anschließende Diskussion. Termine geben wir ausschließlich über unseren Newsletter bekannt. Schon deshalb lohnt sich das Abo! Aber nicht nur – im Newsletter erhalten Sie erstklassige Beiträge und Erstveröffentlichungen, zudem neueste Studien.

Was möchten Sie tun?
Jetzt anmelden!
Start der Ausbildung zum Teamgestalter Gruppe Nr. 16 und der Online-Ausbildung
Jetzt anmelden für den Start Präsenz am 23.11.23 sowie Online am 13.12.2023
Sichern Sie sich jetzt einen Platz für 2023! Werden Sie Teamgestalter*in, schaffen Sie Ihre Basis für agiles Coaching, Team- bzw. Organisationsgestaltung. TeamworksPLUS® Ausbildungsgruppe Nr. 16 startet im November 2023, die Online-Ausbildung im Dezember. Wir sind Monate vorher ausgebucht, also sichern Sie sich Ihren Platz jetzt!
Exklusive Events, Vorträge und Webinare
Nur für Newsletter-Abonnenten
Wir bieten unserer Community spezielle Webinare und Vorträge zu aktuellen Themen. Dazu laden wir Alumni und Ausbildungsteilnehmende ein. Unser Newsletter bringt Interessenten Schnupperangebote und Termine frei Haus. Unsere exklusiven Magazin-Berichte, Tipps und Studien haben einen hohen Aktualitätsbezug und bekommen viel Lob.