8 The­sen über Ser­vant Leadership

und war­um es kein Ser­vant Manage­ment ist

Kann Füh­rung die­nend sein? Wel­che Fol­ge hät­te eine ande­re Hal­tung im Füh­rungs­ver­ständ­nis. Und war­um scheint ser­vant lea­der­ship vor allem in den obers­ten Eta­gen der Kon­zer­ne beson­ders schwer zu eta­blie­ren zu sein? 8 The­sen wer­den Ihnen mehr Klar­heit bringen.

Im Kon­text von New Work und Agi­li­tät fällt immer öfter der Begriff Ser­vant Lea­der­ship. Doch was ist das? „Die­nen­de Füh­rung, Von der Gier zum Wir“ lau­te­te der Titel des u.a. von der Per­so­nal­be­ra­tung Rochus Mum­mert und dem Hei­del­ber­ger Insti­tut für sys­te­mi­sche For­schung ver­an­stal­te­ten Sym­po­si­ums, zu dem ich (Sven­ja Hofert) u.a. den Work­shop „Agil in den Abgrund. Orga­ni­sa­tio­nen sta­bil und agil gestal­ten“ bei­steu­er­te. Dies gab mir Gele­gen­heit, noch mal in einem ande­ren Rah­men und kon­kre­ter nach­zu­den­ken. Was bedeu­tet ser­vant lea­der­ship? Und wel­che Rol­le könn­te die­nen­de Füh­rung in der Digi­ta­li­sie­rung spielen?

Ser­vant Lea­der­ship geht zurück auf eine Schrift von Robert K. Green­le­af aus dem Jahr 1970. Green­le­af, jahr­zehn­te­lang Top-Mana­­ger, war tief beein­druckt von Her­mann Hes­ses Mor­gend­land­fahrt (hier hat­te ich im Zusam­men­hang mit late­ra­ler Füh­rung dar­über geschrieben).

In der Inter­pre­ta­ti­on von Green­le­af ist Ser­vant lea­der­ship “a phi­lo­so­phy and set of prac­ti­ces that enri­ches the lives of indi­vi­du­als, builds bet­ter orga­niza­ti­ons and ulti­m­ate­ly crea­tes a more just and caring world. on how we are for each other.” Das bedeu­tet, es zielt auf das Wohl der Gesell­schaft — nicht nur von Men­schen oder einer Organisation.

Die­sen Gedan­ken wol­len wir in acht The­sen weiterdenken:

1. Ser­vant Lea­der­ship ist vor allem eine Haltung

Wel­ches Ser­vice­er­leb­nis haben Sie in guter Erin­ne­rung? Höchst­wahr­schein­lich wur­den Sie ernst genom­men, zuvor­kom­mend bedient, die Wert­schät­zung war in jedem Moment spür­bar. Sie sind kom­pe­tent bera­ten wor­den, viel­leicht auch coa­chend bei Ihren Bedürf­nis­sen abge­holt wor­den. Ihre Rekla­ma­ti­on wur­de ernst­ge­nom­men, Feed­back wirk­lich gewünscht und nicht ein­fach „abge­fragt.“ Haben Sie etwas ver­trau­ens­voll erzählt, so wur­de dies dis­kret behan­delt. Ihr Gegen­über ruh­te in sich und hat­te Selbst­dar­stel­lung und Ver­tei­di­gung nicht nötig, selbst als Sie ein Haar in der Sup­pe fahn­den. Es reagier­te dar­auf auch nicht mit per­sön­li­cher Ver­let­zung. Sie als Emp­fän­ger der Ser­vice­leis­tung hat­ten des­halb auch nie­mals den Ein­druck, da sei jemand unter­wür­fig oder gar skla­visch, son­dern als wür­de er ehr­lich nach Ver­bes­se­rung streben.

2. Ser­vant Lea­der­ship ist Ent­wick­lungs­ori­en­tiert und kein Wohlfühlmanagement

Ser­vant Lea­der leis­ten einen Dienst am Men­schen, der die lang­fris­ti­gen Zie­le im Fokus hat: Dem Kun­den den best­mög­li­chen Ser­vice zu bie­ten und den Mit­ar­bei­tern einen ver­läss­li­chen Arbeits­platz. Es geht also nicht dar­um, zum Feel­good Mana­ger für Mit­ar­bei­ter zu wer­den. Es kann auch nicht das Ziel sein, zum Befehls­emp­fän­ger zu mutie­ren, also den Com­­mand-and-Con­­trol-Spieß unter ande­ren Vor­zei­chen umzu­dre­hen. Guter Ser­vice zielt auch dar­auf, dass Men­schen sich ent­wi­ckeln kön­nen. Dass sie gedeihen.

3. Ser­vant Lea­der­ship bedeu­tet, dass einer mit sei­ner Ent­schei­dung in Ver­ant­wor­tung geht

Die Aus­übung der Rol­le die­nen­der Füh­rung ist kein Ver­dienst, son­dern eine Ehre, die mit Ver­ant­wor­tung ver­bun­den ist: Da ist einer oder eine, der oder die bereit ist, die­se zu neh­men. Da ist einer oder eine, der oder die Ent­schei­dun­gen tref­fen will, mit Kom­pe­tenz, Sorg­falt und dem Bewusst­sein, dass es nicht um ihn selbst, son­dern um die Mit­ar­bei­ter und Siche­rung der Unter­neh­mens­exis­tenz jetzt, mor­gen und in fer­ne­rer Zukunft geht. Das beinhal­tet weit­rei­chen­de Ent­schei­dun­gen, die auch unpo­pu­lär sein können.

Man darf dabei auch nie die Bedin­gun­gen eines Start­ups mit denen eines Fami­li­en­un­ter­neh­mens oder Kon­zerns ver­wech­seln. Die Bereit­schaft zu weit­rei­chen­der, ganz­heit­li­cher Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me ist natur­ge­mäß in Fami­li­en­un­ter­neh­men am größ­ten. Die Hür­den dahin sind sys­tem­be­dingt in Kon­zer­nen am größ­ten. Die Struk­tu­ren beloh­nen oft Gier — und nicht Demut. Die Arbeit an der inte­gren Hal­tung – inklu­si­ve der kon­se­quen­ten auch struk­tu­rel­len Beloh­nung der­sel­ben — ist dem­zu­fol­ge noch mal wichtiger.

4. Ser­vant Lea­der­ship ist Dienst am Men­schen im Sin­ne der Gesell­schaft und nicht nur der Organisation

Die­ne ich den Men­schen, der Orga­ni­sa­ti­on oder der Gesell­schaft? Alles drei muss bejaht sein, damit wir wirk­lich von ser­vant lea­der­ship spre­chen kön­nen. Ser­vant lea­der kön­nen des­halb kei­ne blin­den Gefolgs­leu­te sein, son­dern müs­sen Chan­cen zei­gen und Gren­zen set­zen. Der Dienst liegt dar­in, nicht für sich, son­dern für alle, oder mög­lichst vie­le im Sin­ne des Guten zu wir­ken. Aber was ist das Gute?

In die­ser Posi­ti­on kommt kein Ser­vant Lea­der umhin, auch sei­ne phi­lo­so­phi­sche Hal­tung und ethi­schen Ent­schei­dungs­grund­la­gen zu reflek­tie­ren. Ent­schei­det er oder sie in einer Kri­se uti­li­ta­ris­tisch, also mit Blick auf die Fol­gen einer Hand­lung und das Glück der gro­ßen Zahl? Oder im Sin­ne von Kants kate­go­ri­schen Imperativ,Lüge oder Betrü­ge­rei stets ableh­nend? Allein zwi­schen die­sen bei­den Posi­tio­nen lie­gen Wel­ten. Sie trans­pa­rent und ande­ren zugäng­lich zu machen, ist eine Form von Dienstleistung.

5. Ser­vant Lea­der­ship braucht kei­nen bestimm­ten Führungsstil

Ich hal­te wenig von der Ein­ord­nung nach Füh­rungs­sti­len, da die­se all­zu leicht zum Dog­ma wer­den und blin­de Fle­cken ver­de­cken. Wer von sich selbst behaup­tet, so oder so zu füh­ren, liegt in sei­ner Selbst­ein­schät­zung ziem­lich oft falsch. Wenn Stu­di­en den koope­ra­ti­ven oder trans­for­ma­tio­na­len Füh­rungs­stil als über­le­gen bewer­ten, so hin ich mir oft nicht sicher, wel­ches Kon­strukt dort wirk­lich gemes­sen wird. Ist es nicht viel­mehr eine von Respekt gepräg­te Hal­tung? Kla­re Ansa­gen sind im ser­­vant-lea­­der­­ship-Kon­­­strukt genau­so mög­lich wie par­ti­zi­pa­ti­ve Ein­bin­dung, je nach­dem, was in der jewei­li­gen Situa­ti­on dem Dienst am Men­schen im Sin­ne der Orga­ni­sa­ti­on am meis­ten dient.

6. Ser­vant Lea­der­ship funk­tio­niert nur mit tie­fer Selbstreflexion

Am Ver­hal­ten sieht jeder, wel­cher The­se ein ande­rer folgt, nicht an sei­nen Lip­pen­be­kennt­nis­sen. Ich sage in mei­nen Vor­trä­gen oft „Wer­te sind Wor­te, wenn sie nicht gelebt sind.“ Ein ser­vant lea­der ist nur denk­bar als eine Per­son, die sich selbst reflek­tiert und dadurch Wer­te zeigt. Sie for­dert Feed­back für sich selbst von den Mit­ar­bei­tern und gibt Feed­back als Rück­mel­dung, nicht als bewer­ten­des Urteil.

7. Ser­vant Lea­der­ship ver­langt eine Neu­be­wer­tung des Machtbegriffs.

Macht hat bei uns oft eine nega­ti­ve Kon­no­ta­ti­on. Das Motiv wird in Ver­bin­dung gebracht mit Ego­zen­tris­mus, Sta­tus und oft sogar Rück­sichts­lo­sig­keit. Doch was ist Macht motiv­psy­cho­lo­gisch betrach­tet? Gemein­hin das Stre­ben, die Füh­rung zu über­neh­men und etwas oder jemand zu beein­flus­sen. Für Max Weber ist Macht eine Form der Wil­lens­durch­set­zung. Doch wie und in wel­che Rich­tung, hin zu wel­chen Wer­ten wird etwas beein­flusst? Die Phi­lo­so­phin Han­nah Are­ndt defi­nier­te Macht als das Zusam­men­wir­ken von frei­en Men­schen im poli­ti­schen Raum zuguns­ten des Gemeinwesens.

Der Dienst am Men­schen in einem Wirt­schafts­un­ter­neh­men lie­ße sich durch­aus ana­log ver­ste­hen, und eben­so im Sin­ne der Gesell­schaft leben. Denn wir alle lei­den unter den „Sün­den“ der Kon­zer­ne. Wirt­schaft kann nicht getrennt wer­den, sie muss ein­ge­bun­den sein. Ein posi­ti­ves Macht­ver­ständ­nis muss also erheb­lich wei­ter­ge­hend sein als das, was wir der­zeit haben. Ein ser­vant lea­der braucht des­halb ein erheb­li­ches Macht­be­wusst­sein. 

8. Ser­vant Lea­der­ship bedeu­tet Hin­der­nis­se aus­räu­men und sich über­flüs­sig machen

Teams, die selbst­or­ga­ni­siert arbei­ten, pro­fi­tie­ren von einer Rol­le, die an den Schnitt­stel­len tätig ist und jene Hin­der­nis­se aus­räumt, die die unmit­tel­ba­re Arbeit stö­ren. Im Scrum wäre das der Scrum Mas­ter. Ist er auch ser­vant lea­der? Im engen Ver­ständ­nis eines Scrum Gui­des nicht. An sowas wie „Dienst am Men­schen“ haben die Urhe­ber nicht gedacht. Ist er auch agi­le Coach? Oder hat eine wei­te­re Per­son die­se Rol­le inne? Im late­ra­len Kon­text gibt es der­zeit viel Ver­wir­rung über Begrif­fe. Wich­ti­ger wäre auch hier über die Hal­tung nach­zu­den­ken, die hin­ter den Rol­len steht. Ist sie dienst­leis­tend und in wel­chem Sinn – bezo­gen auf Men­schen, Unter­neh­men oder auch die Gesell­schaft? Je wei­ter der Kreis gezo­gen wird, des­to wich­ti­ger wird Lea­der­ship. Und erst wenn auch das Gemein­wohl ein­be­zo­gen wird, kann von Ser­vant Lea­der­ship die Rede sein – andern­falls ist es Ser­vant Management.

Denkt man es so, braucht man für die­se Rol­len Men­schen mit einem Mind­set im Sin­ne des “self-tran­s­­formings” nach Robert Kegan (hier), einen Meta-Leader.#

Foto: alt­ana­ka : photocase.com

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5 Comments 

  1. […] 8 The­sen über Ser­vant Leadership […]

  2. Ralf Phil­ipp Stern 27. Novem­ber 2019 at 17:23 — Reply

    Das ist eine gute Beschrei­bung. Danke

  3. Mat­thi­as Kraftmayer 1. Janu­ar 2020 at 13:40 — Reply

    Ich fin­de die The­sen toll, um die aktu­el­le Füh­rungs­wirk­lich­keit auf den Prüf­stand zu stel­len. In Vie­lem sehe ich mich bestä­tigt, eini­ges kann ich aber bei mir und mei­nem Umfeld sicher noch bewe­gen. Vie­len Dank.

    • Sven­ja Hofert 1. Janu­ar 2020 at 15:56 — Reply

      dan­ke sehr gern!

  4. […] du mehr erfah­ren lies den Arti­kel 8 The­sen über Ser­vant Lea­der­ship von unse­ren Kol­le­gen der Teamwork […]

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