Datenbasierte Teamentwicklung: Was geht da (noch)?
Softwarelösungen im Test

Kann man Teamerfolg messen und beeinflussen? Hilft uns Software bei der Teamentwicklung. Und wenn ja, in welchen Punkten. Teamworks-Geschäftsführerin Svenja Hofert hat sich neun Lösungen angeschaut, zeigt ein differenziertes Bild und gibt Empfehlungen.
Welche Faktoren beeinflussen den Teamerfolg? Die Wissenschaft liefert immer neue Erkenntnisse. So hat Amy Edmundson beispielsweise den Faktor „psychologische Sicherheit“ untersucht. Immer mehr Organisationen bauen auf ihren Erkenntnissen auf. Auch der Achtsamkeit, Mindfulness, kommt einen guter Ruf zu – ein achtsames Team sei auch ein erfolgreiches, so denken viele. Agilität ohne Achtsamkeit sei nicht möglich — auch das ist eine gängige Einschätzung, die eher Coaches als Manager geben. Aber wie misst man das dann? Und stimmt es überhaupt?
Eingespielt, aber nicht erfolgreich?
Der Zusammenhalt im Team ist wichtig und gefährlich zugleich, darüber haben wir in unserem Beitrag über Gruppendenken geschrieben. Auch ein gut eingespieltes Team garantiert keine Höchstleistung. Wenn die so genannten „weak ties“, die schwachen Verbindungen also, zu kurz kommen, dann leidet Kreativität. Es ist also nicht leicht, Faktoren für ein Hochleistungsteam zu bestimmen. Sonst wäre die Bundesliga auch weniger bunt, manch Erfolg nicht mehr überraschend.
Und überhaupt: Was ist ein Team? Darüber sprechen wir in unserem Juni-Newsletter (jetzt noch abonnieren!) Soviel sei aber verraten: Die Sichtweise ist keineswegs einheitlich. Sie geht auch bei denjenigen auseinander, die datenbasierte Teamentwicklung betreiben.
Komplexität in Messpunkten verdichten
Und so bleibt die Frage: Wie kann man die Komplexität verdichten? Wie kann man etwas messen, was wirkliche Relevanz hat und nicht nur „Pseudo“? Alles andere als einfach. Aber: Je einfacher und fokussierten, desto klarer. Das scheint mir nach Sichtung der Lösungen klar zu sein.
Wir haben uns 9 Softwarelösungen angeschaut, einige etwas genauer, andere waren so nicht einsehbar.
Es zeigen sich verschiedene Typen datenbasierter Teamentwicklung:
- Datenbasierte Teamentwicklung, die mit vorgegebenen Frames auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Daten ermittelt, etwa Teampact. Deren Stärke ist eine oft eindrückliche Grafik. Es wird also eine Art von “Big Five” für Teams gesucht (die es eben nicht gibt).
- Ein weiterer Typ ist jene Datenbasierte Teamentwicklung, die vor allem auf Vergleich unter anderem von Teams einer Branche konzipiert ist, etwa Comparative Agility. Hier sind die Lösungen offener und grafisch nicht ganz so attraktiv. Gleichwohl scheint es eher möglich, diese eben systemischen Aspekte einzubeziehen. Hier habe ich kein weiteres Angebot dieser Art gefunden.
- Und dann gibt es Datenbasierte Teamentwicklung, die erweiterte Umfrage- und Feedbacktools sind, etwa Effectory. Hier sind meist auch 360-Grad-Feedbacks enthalten. Manche unterscheiden sich nicht wirklich von bekannten Karriere- und Talentmanagementtools.
Schwächen
Die Schwäche des verbreiteten Typ 1 liegt darin, dass man sich die Frage stellen muss, inwieweit diese Faktoren wirklich übergreifend relevant sind. Selbst der Hinweis auf wissenschaftliche Begleitung ist da bisweilen schwierig, denn Wissenschaft ist nicht Wissenschaft. Außerdem ist eine solche Verallgemeinerung von Erfolgsfaktoren aus organisationssoziologischer, also systemischer Sicht kritisch zu sehen.
Ein Untertyp von 1( 1b) sind Lösungen zur datenbasierten Teamentwicklung, die Dienstleistungen wie Ausbildung integrieren (möglicherweise auch darüber die Haupteinnahmen generieren): Die umfangreichste ist Fable+, hinter denen Accenture steht. Ein weiterer Untertyp 1c sind Lösungen, die auf die Retrospektive als Lernraum fokussieren.
Wie nützlich sind die Tools für proaktives Handeln?
Die Auswahl der Faktoren und die gewählte Sprache spielen eine große Rolle. Und die Grenze in den Bereich des Gruppendenkens und der sozialen Erwünschtheit ist schnell überschritten. Bleibt genügend Nützlichkeit?

So sieht es bei Teammood aus
Nehmen wir Teammood, die mit Stimmungen arbeiten. Es ist super wichtig in hybriden Teams, dass wir die Gemütslage früh erkennen. Das gibt der Führungskraft die Möglichkeit zu produktivem Handeln.
Aber wird der depressive Mitarbeiter sich wirklich in einer Abstimmung outen? Eher nein. Das heißt die Art der Stimmungen dürften sich auf andere Themen beziehen.
Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass ein solches Tool hilfreich ist, vor allem auch da, wo man nicht offen redet. Ist dies aber nicht zugleich der Ort, wo man Dinge lieber verbirgt?
Umstrittene Grundannahmen der Algorithmen
Umstritten ist, inwieweit man persönliche Motivation oder Zufriedenheit und gar Glück mit Business-Erfolg in Beziehung setzen kann. Klar motivierte Mitarbeiter bleiben eher — aber ist der Leistungsbezug wirklich da? Und überall da?
Eine Grafik wie die hier aus Fable+ ist optisch eindrücklich – aber wie bindet man diese Person, die sich im „Apathiebereich“ befindet, dann wirklich ein? Diese Themen besprechbar machen ist die wahre Kunst und das erklärt auch die vielfach integrierten Diensteleitungsangebote — echte Coaches, wirbt etwa Fable+.
Möglichkeiten und Grenzen
Sprache schafft Wirklichkeit und allein die Tatsache, dass da auf dem Computer diese Begriffe stehen, beeinflusst Stimmung. Wir wissen, dass Software nur das abbilden kann, was Menschen denken können. Algorithmen folgen einem bestimmten menschlichen Denken, sie sind nicht frei.
Genau darin liegen Möglichkeiten und Begrenzungen. Der Anbieter Echometer schreibt: „Viele Agile Coaches & Scrum Master drehen sich im Kreis. Sie beheben oberflächliche Symptome. Es wird Zeit, Psychologie zu nutzen und direkt am Mindset anzusetzen.“
Komplexität geht in Daten oft unter
Ja, gewiss, Psychologie ist gut – aber ein Mindset ist eben ein ganz schön komplexes Thema. Es ist nichts, was sich da im Gehirn finden und dort lokalisieren lässt, Mindset ist überall. Wie es sich zeigt, ist weniger Persönlichkeit- als Konetextbezogen. Was die Werbeaussage schwierig macht.
Jeder Teamentwickler weiß, dass man ein Auftragsgespräch besser nicht zu ernst nimmt: Was da etwa von der Führungskraft gesagt wird, ist oft nicht das, was sich für andere als Problem zeigt. Daten könnten das Ganze auf ein anderes, besseres Fundament stellen. Hierauf sind die Softwarelösungen aber am wenigsten ausgerichtet.
Es ist jedoch eindeutig hilfreich, wenn man weiß, welche Themen für das Team relevant sind und man dies messen kann — etwa fehlende Konfliktbereitschaft (interessanterweise arbeitet allerdings keiner der Anbieter mit Lencionis Dysfunktionen).
Genau hinsehen, was wirklich wirkt
Klar ist aber: Es passiert viel auf dem Markt der Softwarelösungen, doch müssen wir genau hinsehen, wo uns Software wirklich Hilfe leistet – und wo sie letztendlich nur Gruppendenken oder die Schauseite der Organisation unterstützt. Wir dürfen auch nicht unterschätzen, wie wichtig ein gut ausgebildeter Teamcoach oder Teamgestalter ist. Das ist nämlich jemand, der sich freimachen kann von all den Daten — und einfach wahrnimmt, was sich zeigt. Das ist etwas, das keine Software bieten kann. Genau hier liegen unsere menschlichen Stärken. Doch Daten können uns helfen, Ansatzpunkte zu finden. Sie können helfen, menschliche Biasse einzugrenzen.
Wir haben noch zu wenig Daten und Erfahrungsberichte in der Nutzung von Software. Über Haufes Teampact haben wir bereits hier geschrieben.
- Schreiben Sie uns in den Kommentaren, wenn Sie gute oder schlechte Erfahrungen gemacht haben. Gern auch, wenn Sie ein Tool kennen, dass wir in unsere Liste aufnehmen sollten!
Foto von Felicity Tai / Pexels
Was | Hersteller/Link | Beschreibung | Typ | Kosten | Vorteil |
Comparative Agility | ComparativeAgility.com | Datenbasierte Teamentwicklung für agile Teams mit dem Ziel der kontinuierlichen Weiterentwicklung, nur auf Englisch. | 2 | Free für Einzelnutzer, ab 499 Dollar für Unternehmen/Jahr | Frei gestaltbar, Vorteil sind die Vergleichsdaten aus verschiedenen Industrien |
Echometer | Echometerapp.com | Datenbasierte Teamentwicklung. Browserbasiertes Tool um Retros zielgerichtet zu gestalten. Fokus auf Teamgesundheit und Psychologisches Nudging. Demnächst auch 360 Grad Führungskräfteentwicklung. | 1 | Nach kostenlos-Phase ab 8 EUR pro Nutzer und Monat | In Deutschland gehostet |
Effectory | Effectory.com | Feedbacklösung. Über Umfragen zu Ansatzpunkten für Interventionen im Team. | 3 | Nicht einsehbar | Integriert auch für Kundenumfragen |
Fable+ | Fableplus.com von Accenture | Datenbasierte Teamentwicklung. Integriert Psychological Safety, Motivational Factors und Team Effectiveness. Vermittelt auch Coaches. | 1b | Nicht einsehbar | Gute grafische Aufarbeitung . Wissensschaftsbasiert, „backed by the latest scientific findings“, Zusammenarbeit mit Harvard Business School |
Honestly | Honestly.de | Feedbacklösung, bei der Teamaspekt aber im Unterschied zu Effectory schlecht herausgearbeitet ist. | 3 | Nicht einsehbar | Unklar, da nicht von uns getestet. |
Leapsome | Leapsome.com | Integrative Lösung, die verschiedene Aspekte aus Messbarkeits- und Feedbacklösungen integriert. Dabei geht es aber eher im Karrierewege als Teams. Eigenaussage: “The only platform that closes the loop between performance management, employee engagement, and learning.”
|
3 | Nicht einsehbar | Integrativ auf Organisationsebene, viele Lösungen, u.a. auch Onboarding |
Teammind | Awaris.com | Datenbasierte Teamentwicklung, Fokus Achtsamkeit im Team. Verbindet praktische Teamentwicklung mit Daten, Teammind-Programm und Teammind-Training
Zugeschnitten auf hybride Arbeitsumgebung. Bildet auch aus. Lockt mit Wissenschaft aber ohne expliziten Beirat. |
1b | Verschieden | Thema Achtsamkeit, allerdings unklarer Fokus, da hier sehr viel Unterschiedliches um ein Thema (Achtsamkeit) angeboten wird. |
Teammood | Teammood.com | Datenbasierte Teamentwicklung, Fokus Messbarkeit der Teamgesundheit. Macht das an Launen (Moods) fest. Für proaktives Teammanagement. | 1 | Ab 2 EUR / User und Monat | Fokussiert, mit dem Tool lässt sich erkennen, wenn Teammitglieder abgehängt sind |
Teampact | Haufe, teampact.com | Datenbasierte Teamentwicklung durch Messung von Teamfaktoren. Wirbt mit transparenter Team- und Organisationsentwicklung. Hat z.B. auch übergreifendes Teamarbeiten im Fokus. Neu ist eine OKR-Lösung bei der es nicht um Teamentwicklung geht, interessanterweise wird das von Haufe zusammengespielt. | 1 | Nicht einsehbar | Wird weiterentwickelt und komplexer, wissenschaftsbasiert, OKR Lösung auf Enterprise Ebene, Mehrsprachig |
Teamretro | Teamretro.com | Datenbasierte Teamentwicklung, Fokus Retrospektiven-Tool auf Englisch mit Health Check. Arbeitet grafisch mit einem Teamradar. Mit Spotifiy Squad Health Check. | 1 | Ab 25 EUR für ein Team und Monat bis 25 Personen | Aus unserer Sicht sehr auf „soziale Erwünschtheit“ gepolt, im Wording sehr amerikanisch |
Zest | Zestmeup.com | Kombiniert datenbasierte Teamentwicklung mit Umfragen und OKR. Hat drei Themen: Zuhören, Leisten, Teilen | 1+3 | Nicht einsehbar | Die Einteilung in die 3 Themen macht es einfach und übersichtlich |
Artikel Teilen:
Aktuelle Themen, die bewegen.
Sie wollen uns kennenlernen? Erleben, wie wir ticken, wer wir sind? Dann laden wir Sie herzlich ein, unsere Webinare zu besuchen, die zwei Mal im Monat stattfinden. Sie dauern jeweils 30–60 Minuten und beinhalten einen spannenden Vortrag zu einem aktuellen Thema und anschließende Diskussion. Termine geben wir ausschließlich über unseren Newsletter bekannt. Schon deshalb lohnt sich das Abo! Aber nicht nur – im Newsletter erhalten Sie erstklassige Beiträge und Erstveröffentlichungen, zudem neueste Studien.

Was möchten Sie tun?
Jetzt anmelden!
Start der Ausbildung zum Teamgestalter Gruppe Nr. 16 und der Online-Ausbildung
Jetzt anmelden für den Start Präsenz am 23.11.23 sowie Online am 13.12.2023
Sichern Sie sich jetzt einen Platz für 2023! Werden Sie Teamgestalter*in, schaffen Sie Ihre Basis für agiles Coaching, Team- bzw. Organisationsgestaltung. TeamworksPLUS® Ausbildungsgruppe Nr. 16 startet im November 2023, die Online-Ausbildung im Dezember. Wir sind Monate vorher ausgebucht, also sichern Sie sich Ihren Platz jetzt!
Exklusive Events, Vorträge und Webinare
Nur für Newsletter-Abonnenten
Wir bieten unserer Community spezielle Webinare und Vorträge zu aktuellen Themen. Dazu laden wir Alumni und Ausbildungsteilnehmende ein. Unser Newsletter bringt Interessenten Schnupperangebote und Termine frei Haus. Unsere exklusiven Magazin-Berichte, Tipps und Studien haben einen hohen Aktualitätsbezug und bekommen viel Lob.