Warum Design Thinking Kreativität verhindern kann – und andere Erkenntnisse rund um Kreativität
Design Thinking Paradox

Organisation und Kreativität stehen sich komplementär entgegen: Organisation ist Regelung und Konvention, Kreativität dagegen Regelbruch und unkonventionelles Denken und Handeln. Organisationen brauchen aber Kreativität, in diesen Zeiten mehr denn je. Wie bekommen sie sie?
Kreativität ist nicht mit Regeln und Planung oder über Struktur herstellbar. Doch sie wird dringend gebraucht: Auf der Liste der gefragtesten Skills stehen die kreativen immer an erster Stelle — bei Linkedin etwa seit 2018 jedes Jahr neu.
Organisationen brauchen gerade in der Transformation Kreativität mehr als je zuvor. In der Folge suchen sie oft nach möglichst einfachen Lösungen. Eine scheint im Methodenkoffer Design Thinking zu liegen (Seminar Design Thinking Organisationsentwicklung).
Eine Methode fürs Kreativsein anwenden — einfach paradox
Allerdings ist die Anwendung von Design Thinking® selbst paradox. Denn es sucht mit Strukturen, Kreativität herzustellen, wo diese sie doch behindern. So lohnt sich ein vielschichtigerer Blick auf Kreativität, um festuzustellen, dass es gewisse Formen von Kreativität gibt, die in einem solchen Prozess leichter freigesetzt werden können — und andere nicht.
Mit einer Differenzierung des kreativen Wesenskern verstehen wir, welche Kreativität im engen Rahmen einer Organisation eher möglich ist — und welche einen anderen Rahmen verlangt.
Was ist denn nun der kreative Wesenskern?
Kreativität bedeutet zu biegen, zu brechen und zu verbinden. Wir biegen, wenn wir etwas völlig anders betrachten und dem bisherigen Zweck entheben. Wir brechen, wenn wir mit dem Bisherigen brechen. Wir verbinden, wenn wir Bisheriges neu kombinieren. Diese drei Techniken sind immer gegenwärtig, allein und zusammen. In meinem persönlichen Blog werden sie näher beschrieben.
Das radikale Brechen
Am radikalsten ist das Brechen, es ist die Kreativtechnik der Jugend. Es ist der Bruch mit den gesellschaftlichen Normen und Regeln und bisherigen Standards, ob in Wissenschaft oder Kunst. Diese Technik ist am schwersten in Organisationen freizusetzen, denn Brechen ist immer auch Revolution.
Bruce A. Weinberg und David W. Galenson beschäftigten sich etwa mit der Frage, woran sich Kreativität von Nobelpreisträgern in den Wirtschaftswissenschaften zeigte (Studie hier). Sie haben dabei herausgefunden, dass diese bis zum Alter von etwa 30 Jahren mit einer bisher vorherrschenden Richtung brechen, um dann ab etwa 55 Jahre die Dinge auf kreative Weise zu verbinden. Ein Beispiel ist Daniel Kahnemann über dessen co-kreatives Buch “Noise” ich hier geschrieben habe.
Das sanfte Verbinden
Dann aber statt mit jugendlichem Sturm und Drang mit der Weisheit des Alters. Sanfter ist das Biegen, die neue Perspektive auf etwas, das andere Licht. Und am sanftesten das Verbinden, das kreative Zusammenfügen von Ideen, Gedanken, Teilen. Ein Methodenkoffer wie Design Thinking® dient nicht dem Brechen. Es hilft beim Biegen und Verbinden. Schon allein die Ausrichtung am Kunden würde „stören“ — denn freies Denken muss frei sein von Richtungen.
Doch was macht Kreativität aus?
Um Kreativität freizulassen braucht es Erlaubnis und psychologische Sicherheit — in einem angstbesetzten Umfeld entsteht sie nicht oder nur in Subkulturen, die sich verstecken.
Studien nennen die folgende kreativen Fähigkeiten:
- Originalität: Wir sind fähig, Gedanken zu denken, die andere bisher nicht hatten.
- Umherschweifen der Gedanken: Wir sind zu Mind-Wandering in der Lage, also zu Gedankenspaziergängen.
- Intuition: Wir füllen unsere Wahrnehmung immer neu auf.
- Flexibilität im Denken: Wir hängen nicht fest an bestimmten Gedanken.
- Offenheit für Erfahrungen: Wir sind offen für neue Erfahrungen.
- Offenheit für Sinneseindrücke: Wir nehmen auf verschiedenen Ebenen wahr.
- Hohes Abstraktionsvermögen: Wir sehen das große Ganze.
- Ambition und Durchhaltevermögen: Wir bleiben dran.
- Mittelhohe Intelligenz: Studien zeigen einen Zusammenhang von Kreativität und Intelligenz bis zu einem IQ von etwa 120, darüber nicht mehr.
- Höhere Selbstwirksamkeitserwartung: Wir glauben, dass wir wirksam sind.
Und diese Tätigkeiten begünstigen kreatives Denken:
- Wissen und Erfahrung: Wir tanken uns immer wieder auf.
- Mustererkennung: Wir üben das Vermögen, Zusammenhänge herzustellen.
- Heuristiken: Wir nutzen Faustregeln, wie man mit etwas umgeht.
- Langsames Denken und „Slowdown“: Wir nehmen uns Zeit.
- Vielschichtige Interessen: Wir interessieren uns für viele Dinge.
- Starke Interessen: Eine Sache verfolgen wir tiefer.
- Leidenschaft: Wir haben Spaß dabei.
- Optimistisches Umfeld: Wir dürfen!
Weitere Studien & Infos:
- Design Thinking Paradox bei LinkedIn
- Paradoxes in Design Thinking
- Kreativität und Alter
- Kreativität und Transformation: Zukunftsinstitut Trendstudie (Mai 2020): Free Creativity
- Zusammenhang Intelligenz und Kreativität
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Kreativität setzt im Sinne der PSI-Theorie von Julius Kuhl einen gelingenden Selbstzugang voraus.
Das ermöglicht den intuitiven, assoziativen Zugriff auf vorhandenes Wissen und bisherige Erfahrungen. So können neue Perspektiven entstehen.
Der Prozess des Design Thinkings aktiviert mit seiner hohen Zielorientierung das Absichtgedächtnis, dem genau die für Kreativität so wichtigen Funktionen fehlen.
Wenn Kreativität in Organisationen die Entwicklung unterstützen soll, braucht man einen mehrfachen Wechsel zwischen offener Suche und Abgleich mit der Kundenperspektive.
Das entspricht dem Pendeln zwischen den beiden für gute Entscheidungen wichtigen innerpsychischen Systemen ‘Kopf & Bauch’ — diese gilt es zu synchronisieren.
Auch dieser Aspekt findet im Design Thinking meist keine Beachtung.
Gern möchte ich noch ergänzen, dass Kreativität auch von vielen “glücklichen Momenten & Begegnungen” gefördert wird. Für mich sind Gespräche mit anderen Menschen, oft zufällig getroffen (Zug, Coworking-Space) eine wundervolle Quelle für neue Entdeckungen und Gedanken. Und: Spaziergehen. Die Stimulation aus der Natur und die leichte Bewegung sind für mich ein Treiber von Ideen.