Der große Weiterbildungsstau und Lernen 2022
Aktuelle Studien und ein Ausblick auf Future Skills

Viele Organisationen haben Weiterbildungen in den letzten zwei Jahren gestoppt, heruntergefahren oder Online übersetzt. Doch relevante Future Skills blieben auf der Strecke, transformierende Impulse verpufften in einer schlechten Lernkultur. Am Ende war die Lernkurve durch die Coronapandemie weniger steil als gedacht. Wir haben aktuelle Studien zur Weiterbildung in der Pandemie gesichtet und geben einen Ausblick auf das Lernen 2022.
Nach fast zwei Jahren hat sich der Account Manager Hans-Werner an sein gemütliches Homeoffice gewöhnt. Seine Kunden betreut er über die Videokonferenz genauso wie zuvor in Präsenz — nur eben aus dem Homeoffice. Immer öfter bemerkt er in der letzten Zeit, dass seine potenziellen Kunden sich während seiner Präsentation parallel mit anderen Dingen beschäftigen, gähnen oder das Video immer mal wieder “ausmachen”.
Wenn Hans die wichtigsten Punkte seines Angebots mit dem Online-Stift einkreist, sieht oft kaum noch jemand hin…
Nicht alles lässt sich Online bearbeiten

Das geht gut — laut McKinsey
Der Weiterbildungsstau erklärt sich auch dadurch, dass Organisationen überfordert sind bei der Frage, was sie Online und ins Homeoffice übersetzten können.
Ende 2020 brachte Mc Kinsey einen Report heraus, indem die Unternehmensberatung 2.000 Aufgaben nach ihrer Remote-Tauglichkeit untersuchte. Sales à la Hans-Werner schnitt nicht besonders gut ab (siehe Bild). Die Liste führte “Update Knowledge and Learning an”.
Und in der Tat ist Online-Lernen einfach und bequem. Aber: Es braucht einige Voraussetzungen, die wir unten noch mal zusammenfassen. Wesentlich ist Commitment, also “ich will Lernen”. Weiterhin braucht es deutlich kleinere Gruppen, selbst beim Spanischkurs eher acht als zwanzig. Persönliche Themen haben Online weniger Raum. “Training, teaching and developing others” kommt entsprechen schlecht rüber. Den ganzen Report finden Sie hier.

Das geht weniger gut…
Lösung: Hybrid erfordert Experimente
Um den Weiterbildungsstau zu lösen braucht es Bewusstsein für diese Problematik. Und eine Erkenntnis: Die Lösung liegt beim Sales, beim Training und bei einigen Themen in einer Mischung — also Hybrid. Wobei wichtig ist zu erwähnen, dass Hybrid nicht gleich Blendet Learning ist. Es kann auch sein, dass ein Teil nur in Präsenz stattfindet, ein anderer nur Online.
Fehlende Vergleichbarkeit
Nun ist Hybrid immer experimentell und entzieht sich im Weiterbildungsbereich weitgehend bisher seitens das Einkaufs üblichen Anbietervergleichen. Wie etwa berechnet man eine Online-Werkstatt zur Führungskräfteentwicklung über mehrere Termine? Und wie vergleicht man das mit einem Standardtraining. Einkaufsabteilungen, die nach wie vor nach Tages- oder Stundensätzen agieren, sind hier überfordert. Kreative Angebote fallen allein mangels Vergleichbarkeit raus — das haben wir selbst schon erlebt.
Eine Ursache ist fehlendes Problembewusstsein. Dass viele Themen, ob Sales oder Führungskräfteentwicklung, per Videokonferenz anders aufgebaut sein müssten wie vor Ort ist nicht nur Hans-Werners‘ Arbeitgeber noch nicht richtig bewusst. Eine wesentlicher Punkt ist neben der erwähnten mangelnden Vergleichbarkeit auch fehlende Best Practice.
Hybrid schraubt die Ansprüche hoch
Online ist anders als Präsenz: Es reicht einfach nicht, dass was man in Präsenz tut, einfach zu übersetzen.
Hybrid schraubt den Anspruch höher: Es kann nur experimentell sein, erfordert eine Metaperspektive auf das Lernen selbst und die Bereitschaft für Experimente. Studien dazu gibt es nicht — alle bisherigen beziehen sich auf ein E‑Learning oder Blended Learning VOR der Pandemie, im wesentlichen also auf Videokurse, Online-Tutorials und Webinare. Online-Live-Workshops in kombinierter Nutzung mit Kollaborationssoftware war noch nie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt.
Im Zweifel lieber gar keine Weiterbildung
Im Zweifel lieber gar nichts machen als experimentelles Lernen, scheint vielen ein Ausweg aus dem Dilemma — das Ergebnis ist der Weiterbildungsstau. Viele wurstelten sich mit “learning by doing” durch die Krise oder erhielten eine “quick and dirty”-Schulung, doch wie man die bisherigen Dienstleistungen wirklich adäquat online übersetzt — diese Frage nahm kaum jemand in Angriff.
So ist nach 2020 auch 2021 auch der Weiterbildungsumsatz, u.a. laut der deutschen KFW und dem Schweizerischen Verband für Weiterbildung gesunken, so der online verfügbare Branchenmonitor. Und das nicht gerade zugunsten von Qualität: Fast die Hälfte der Anbieter des Schweizer Monitors sieht auch die Qualität gesunken.
Unsere persönlichen Erfahrungen
Unsere persönlichen Erfahrungen unterstreichen das: Während das Commitment bei unseren Ausbildungen wie TeamworksPLUS® Online Pro hoch ist und der Lernerfolg vergleichbar mir Präsenz, sehen wir bei Inhouse-Schulungen oft zu viele Teilnehmende und sich überlappenden Termine bei den Teilnehmenden. Auch in unseren offenen Online-Kursen gab es 2021 mehr Unterbrecher als 2020. In einigen wenigen Kursen gab es Teilnehmende, die nur wegen des Zertifikats dabei waren. Das ist uns vorher nie passiert.
Online ist es leichter, weitere Aufgaben zu erledigen, die Beziehungen zu den anderen Teilnehmenden wurden 2021 weniger aktiv gepflegt als noch 2020, wo Small Talk und Verabredungen in den Pausen häufiger waren.
Lernkultur für mehr Nachhaltigkeit
Dass E‑Learning weniger nachhaltig ist, zeigten Studien schon vor Corona, wobei der Effekt der während Corona aufkommenden Videokonferenzssysteme unseres Wissens nach eben noch nicht untersucht wurde.
Auch dass positiver Affekt und Motivation direkt auf den Trainingserfolg einzahlen, wurde bereits vor Corona in verschiedenen Studien untersucht. Hier dürften aber weniger das Online-Medium selbst als vielmehr Kontextfaktoren des Lernens eine Rolle spielen. Und so deutete unter anderem schon Nicolas Schaper vor 10 Jahren auf der Bedeutung der Lernkultur. Studien zu dem Thema finden Sie bei Reseachgate.
Kaum noch Vergleichbarkeit
Dennoch: Corona brachte nicht nur den Durchbruch einer bis dahin wenig genutzten Technologie wie dem Videokonferenztool sowie Kollaborationssystemen wie Mural und Miro. Es brachte auch mit dem Online-Workshop, der gewöhnlich Videokonferenz und Kollaborationssofteare verbindet, eine neue Lernform, deren Nutzen und Nachhaltigkeit im Vergleich zu Präsenz nicht untersucht ist.
Best Practice existiert nur in den Unternehmen selbst. Personalabteilungen leiden unter den Vorgaben der IT. Während die Mehrzahl der Trainer Zoom und Mural oder Miro nutzt und auf diesen Plattformen umfangreiche Materialien erstellt und angelegt hat, ist deren Nutzung gerade in den großen Organisationen oft tabu. Die Nutzung des jeweils zulässigen Unternehmenstools stellt zudem auch für Trainer eine Hürde dar.
Future Skills für Trainer
Apropos Kompetenz: Gerade in den Soft Skills sind oft dieselben Trainer im Einsatz wie vor der Pandemie. Doch ob die “alte Trainergarde” wirklich geeignet ist, die neue digitale Kompetenzwelt zu gestalten? Ist jemand, der aus dem Präsenzkontext kommt und beispielsweise Führungskräfte seit 20 Jahren entwickelt ohne eigenen Erfahrungshintergrund in der Lage “Führung online” vermitteln? Kann jemand, der selbst nie in einem agilen Team gearbeitet hat, agile Skills vermitteln?
Es stellen sich diese und viele weitere Fragen, etwa ob die bisherige “Ein-Trainer-Lösung” Online wirklich sinnvoll ist. Unsere Erfahrung jedenfalls ist, dass es für viele Themen zwei Trainer braucht, einen davon als technische Moderation.
Weiterbildungsstau und psychologische Themen
Mal ganz abgesehen von den technischen Herausforderungen — und Fragen.
“The future of workplace mental health demands culture change — with more vulnerability, compassion, and sustainable ways of working.”
Dieses Zitat stammt aus “It´s a new era for metal health ar work” vom Harvard Business Manager hier. Die Autorinnen Kelly Greenwood und Julia Anas fanden schon vor der Pandemie heraus, dass viele Arbeitsumgebungen negativ auf die psychische Gesundheit wirken. Die Effekte der Pandemie dürften noch einmal extrem verstärkend wirken.
Darauf deutet unter anderem die OECD-Studie “Tackling the mental health Impact of the Covid-19 crisis” (hier) hin, die ein extrem wachsendes Potential für Ängstlichkeit und Depression in der Covid-Pandemie feststellt. Psychologisches Know-how wie wir es etwa in “Psychologie der Veränderung” vermitteln, wird damit wichtiger.
Und Kulturwandel verlangt eben auch Know-how über das, was Veränderung mit Menschen macht.
Effizienz und Gesundheit im Einklang
Gleichzeitig stehen Organisationen vor den Herausforderungen des Struzkturwandels und müssen ihre Organisationen umgestalten — ein Stressfaktor für die Angestellten, vor allem wenn die Steigerung der Effizienz im Vordergrund steht.
Die Anforderungen an die Future Skills setzen Angestellte zusätzlich unter Druck: Es braucht laut Gartner vier Kompetenzgruppen:
- digitale,
- höhere kognitive,
- soziale und
- emotionale Fähigkeiten inklusive Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit — Residenz.
Das alles sind auch Themen für das Online-Lernen, doch davor steht die Lernkultur.
McKinsey empfiehlt, dass die Unternehmen ihre Budgets für die Mitarbeiterschulung nicht kürzen sollten. Und stellt fest: Die aktuelle Krise erfordert einen größeren Qualifikationswandel als die Finanzkrise 2008.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
- Weiterbildungsbudgets wurden 2020 und 2021 gekürzt
- Verschieben von wichtigen Inhalten: Wenn Weiterbildung stattfand, so handelte es sich oft um mehr oder weniger gute “Übersetzungen” von alten Inhalten oder um Technikschulungen. Das bisherige Präsenz-Setting wurde auch aus Kostengründen meist 1:1 auf Online übertragen.
- Commitment sank: Durchgeführte Weiterbildungen fanden oft aus dem Homeoffice statt, wobei das Commitment der Teilnehmenden in Inhouse-Kursen oft niedriger ausfiel, was vor allem im 2. Pandemiejahr auffiel.
- Hybrides Lernen ist vielfach die Lösung: Doch es erfordert neue Konzepte und die Bereitschaft zum Experimentieren, Vergleichbarkeit ist nicht gegeben, was vor allem den Einkauf überfordert.
- Hybrid ist mehr: Dabei ist Hybrid nicht nur die Kombination von Online- und Präsenzeinheiten. sondern auch die Entscheidung, was besser Online und was in Präsenz stattfindet.
- Technologische Anforderungen aus der IT legen den Fokus auf Technik, wobei der Inhalt nachrangig ist, was Personalabteilungen stresst.
- Die Future Skills müssten sich in zahlreichen Themen, etwa in Führung und Teamwork spiegeln. Doch viele bisherige Trainer bringen weder die Erfahrung mit noch haben sie ein Gespür für diese Themen.
- Die ohnehin schon angeschlagene Mental Health ist durch Corona weiter geschädigt worden. Vor allem Depressionen und Angststörungen nahmen und nehmen zu. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für die Unternehmen und Anforderungen an die Weiterbildung für Führungskräfte.
- Psychologischer Druck nimmt zu: Die Corona-Pandemie fällt zusammen mit dem Strukturwandel und erhöht den psychologischen Druck auf Arbeitnehmende. Auch Führungskräfte sind davon betroffen, sollen aber zugleich die Probleme ihrer Mitarbeitenden Lösungen — eine Quadratur des Kreises.
- Innere und äußere Konflikte nehmen zu: Und gilt sowohl für die inneren als auch für die äußeren. Vor allem psychologisch schwierige Situationen lassen sich Online schlechter bewältigen, wobei eine Online-Konfliktlösung zwischen psychisch gesunden Parteien problemlos möglich ist.
- Kulturwandel ist notwendiger als je zuvor, erfordert aber die Einbindung psychologischer Faktoren.
Weitere im Beitrag verwendete Studien:
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