Die Psychologie der Gruppe — und wie Gruppen die Regel des Individuums aussetzen
Geschichte der Teamarbeit (Teil 3)

In Folge 1 unserer Geschichte der Teamarbeit lernten wir, dass den Menschen Teamarbeit näher liegt als manchen anderen Lebewesen. In Folge 2 erlebten wir das dunkle Industriezeitalter mit Scientific Management und Fordismus — und den ersten Lichtblick durch die Hawthorne Studien. Jetzt reisen wir weiter und sehen uns die negative Aspekte der Gruppen und ihrer Dynamiken an.
Negative Aspekte der Gruppe
Seit den Hawthorne-Studien geriet die Gruppe mehr und mehr in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Die Disziplin, die sich damit beschäftigte, war und ist die Sozialpsychologie. Eine Teildisziplin davon begründete der 1931 verstorbene Gustav Le Bon mit seiner „Psychologie der Massen“. Stark durch persönliche Erlebnisse beeinflusst, stellt er die Gruppe als Gebilde dar, dem es an eigener Intelligenz fehle: „Zusammen sind wir dumm“ lautet auch ein Beitrag bei Spiegel Online, der diesen Gedanken aufgreift. Menschen, die sich einem charismatischen Führer anschließen, werden in Le Bons Augen zu dummen Schafen. Erst nach den 1960er Jahren drang diese Ansicht in das öffentliche Bewusstsein. Psychologische Untersuchungen zum Groupthink, in den 1970er Jahren durch Irving Janis vorangetrieben, bestätigten sie später zum Teil. In der Gruppe können tatsächlich schlechtere Entscheidungen getroffen werden als von einer Person allein. Weiterhin neigt eine Gruppe zu extremeren Verhalten als Einzelpersonen, oft sind diese risikohafter. Und sie neigt dazu, das Wissen nicht zu teilen bzw. neues Wissen zu ignorieren. Besonders geschieht das, wenn Personen eine besondere Machtrolle zugeschrieben werden. Dann neigen Gruppenmitglieder dazu, sich gehorsam zu verhalten. Dies zeigen eindrücklich auch die Milton-Experimente aus den 1960er Jahren. In unseren Videoseiten finden Sie unter anderem einen Link auf dieses Experiment.
Von Le Bon zu Wilfried Bion
Ein zweiter großer Name in Bezug auf Gruppenpsychologie und Gruppenphänomene in der Nachkriegszeit war Wilfried Bion, ein Psychiater, der für die britische Armee arbeitete und durch seine Experimente mit Teams berühmt wurde. Mit Le Bon hat er nichts zu tun, denn die Blickwinkel sind vollkommen unterschiedlich, wenn man aus den wissenschaftlichen Disziplinen daraus schaut.
Bion legte 1962 “Learning from Experience” und 1963 “Elements of Psycho-Analysis” vor. Er bewies vor allem, dass Struktur in einer Gruppe zur Reduktion von Spannungen führt — während das Laissez-faire und die freie Entfaltung von Gruppenmechanismen die Gruppenneurosen verstärkt. Bion bezieht sich auf Freud und Melanie Klein. In der Gruppe lösen sich die Ich-Grenzen auf, was zu einer Depersonalisierung führt. Eine Arbeitsgruppe war für Bion eine differenzierte Gruppe, die durch Kooperation funktioniert und soziale Fähigkeiten erfordert. Interessant, dass diese Erkenntnisse aus den 1960er Jahren heute wieder belebt werden…
Bion, der bei der Psychoanalytikerin Melanie Klein lernte, schildert einen Hass auf das Erfahrungslernen (learning from experience), das verhindert, das die Gruppe sich weiterentwickelt. Gleichzeitig ist nur in der Gruppe Veränderung möglich, nicht auf der Ebene des Einzelnen — ein Arbeitsfeld für alle Gruppendynamiker. Bion hat verschiedene Grundannahmen: Die Grundannahme der Abhängigkeit, der Paarbildung (Pairing) und die Grundannahme der Kampf- und Fluchtgruppe. Die letzte Grundannahme beinhaltet, dass die Gruppe einen Führer braucht, der über Kampf oder Flucht entscheidet. Hier finden sich Anklänge an politische Führung. Wen das Thema interessiert, hier eine recht ausführliche Beschreibung von Bions Konzept und Arbeit.
Menschenbild nach McGregor
Einen weiteren interessanten Blick auf die Gruppe lieferte die Managementtheorie von Douglas McGregor aus den 1960er Jahren (im Grunde mehr Konzept als Theorie, da es keine wissenschaftliche Untermauerung gibt), die derzeit von den Vertretern der New Work wieder gern zitiert wird, vor allem auch von der “intrinsify me”-Bewegung. McGregor geht von zwei Menschenbildern aus, dem X- und dem Y‑Menschen. Während der X‑Mensch von Natur aus arbeitsscheu ist, ist der Y‑Mensch aus sich heraus motiviert. Menschen mit einem X‑Bild halten ihre Mitarbeiter durch Autorität klein und motivieren sie zum Beispiel mit Geld oder dem Management by Objectives. Manager mit einem Y‑Bild übertragen dagegen Verantwortung und Partizipation.
Der Begriff “Team” kam in diesen Jahren außerhalb des Sports nicht vor. In der Wissenschaft wurde der Begriff erstmals von Maschak verwendet, der 1955 den Begriff “Teamtheorie” begründete. Er bezog diesen auf Unternehmen insgesamt. Danach verfolgen Teams das gemeinsame Interesse der Gewinnmaximierung. Um dieses festzulegen werden verschiedene Entscheidungsvariablen festgelegt, die auf unterschiedliche Köpfe verteilt werden. Weiterhin betont Marschak den für die Entscheidung notwendigen Informationsaustausch des Teams. Dieser Teambegriff unterscheidet sich jedoch noch erheblich von dem Verständnis, das wir heute haben… Dazu mehr im vierten Teil.
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