Agiles Reifegrad-Grid für Leadership und Organisation
Level of Maturity-Grid for agile leadership

Ist Ihr Team reif für agiles und selbstorganisiertes Arbeiten? Oder hemmen Führung und organisationaler Rahmen die Entwicklung. Jedes Team, jede Führungskraft und jede Organisation denkt und handelt auf einer unterschiedlichen Logik der Wahrnehmung von Komplexität. Diese Psychologik, die man auch Mindset oder Haltung nennen könnte, ist nicht angeboren, sondern hat sich in dem jeweiligen Kontext entwickeln und verfestigen können. Verantwortungsvolle Beraterinnen erhalten mit dem Reifegrad-Grid von Svenja Hofert eine Orientierung, wo Führungskraft und Team stehen. Hier nach einer Einführung zum Download.
Reife ist ein durchaus umstrittener Begriff. Allzuleicht sagt man “du bist nicht reif” oder “das Team/die Organisation ist nicht reif”. Diese Art von Bewertung ist heikel. Denn natürlich ist es das Umfeld, das auf die Reife ganz entscheidend wirkt. Es hat einen Grund, warum Mitarbeiter keine Verantwortung übernehmen oder die Führung nicht entscheidet.
Dennoch kann es Sinn machen über Reife zu reflektieren, wenn man sich dieses Zusammenhangs bewusst ist und einbezieht, dass Veränderungen immer strukturelle Veränderungen sein müssen. Jedoch spielt auch die psychologische Seite eine Rolle, denn der Mensch ist eben ein biopsychosoziales System. Er entwickelt sich in einem gegebenen Rahmen, prägt diesen aber auch.
Reife in der Entwicklungs- und Moralpsychologie
Es gibt unterschiedliche Ansätze “Reife” festzustellen. Einen Ansatz liefern die Modelle der Ich-Entwicklung von Piaget und Loevinger aus der Entwicklungspsychologie. Loevinger zeigte in 40 Jahren währender Forschung empirisch, dass sich Menschen auf ähnliche Art und Weise entwickeln. Loevingers Entwicklungsstufen erforschte vor allem Susanne Cook-Greuter weiter, die weitere Entwicklungsverläufe im post-konventionellen Bereich differenzierte. Alle diese Praktiker und Theoretiker begreifen das Ich als Prozess und nicht als Zustand und liefern ein grundlegend konstruktivistisches Verständnis vom Selbst und der Welt.
Einen Filter der Bewertung liefern Normen. Wie auf diese Normen und Werte geblickt wird, ist höchst unterschiedlich. Postkonventionelle Blickwinkel erkennen, dass Normen und Werte nur existieren, weil sie innerhalb der Konventionen geprägt sind.
Moralpsychologie von Kohlberg und Haidt
Auch die Moralpsychologie nach Kohlberg oder Jonathan Haidt liefert Ansätze auf der individuellen Ebene. Eines der einfachsten Modelle ist das Modell der Stanford-Professorin Carol Dweck, die ein fixed und growth Mindset kennt. Mit diesem Modell arbeitete das Unternehmen Microsoft in seinem Kulturwandel. Auf der Einteilung von Loevinger beruhen die Ansätze von Rooke und Torbert, über die ich hier bereits geschrieben habe. Dieses Modell ist auch die Basis der “Level of Leadership Agility” von Bill Joiner und Stephen Josephs.
Haidt mit seinen “Moral Foundations” erweitert Kohlbergs doch recht kognitiven Blick erheblich und lenkt die Aufmerksamkeit noch mehr auf Kontexte und kulturelle Faktoren.
Aspekte der Gruppe
Reife Gruppen entwickeln sich dabei ähnlich wie reife Menschen. So gibt es Studien aus dem therapeutischen Bereich, die belegen, dass ein oder zwei im entwicklungspsychologischen Sinn reifere Menschen in einer Gruppe für diese Entwicklungsimpulse setzen. Der Abstand darf allerdings nicht zu groß sein. Entscheidend, so Thomas Binder in seinem Buch “Ich-Entwicklung für effektives Beraten” ist beispielsweise in Ausbildungsgruppen, dass die Ausbilder eine entsprechend höhere Ich-Entwicklungsstufe mitbringen. Für Berater gilt ähnliches.
Berater setzen Impulse
Nicht wenige Berater sind nach Rooke und Torbert Individualisten (grün nach Spiral Dynamics und Synthetiker nach Cook-Greuter). Das birgt auch ein Risiko: Sie halten Höherentwicklung oft für Besserentwicklung. Sie wollen als Coach alles und jeden “befreien” und glauben als Berater zum Beispiel mit der richtigen Führung, dem passenden Organisationsumbau, Selbstorganisation und der Berücksichtigung von Vielfalt bekäme man überall einen Zugang.
Doch es gibt eine Art “passender Reife” — und es geht nicht per se immer um weiter, höher, schneller, mehr. Weder ist Höherentwicklung erstrebenswert für alle Kontexte, noch lassen sich Entwicklungslevel überspringen.
Transformation und In-Formation
Entwicklung bedeutet immer auch Transformation. Das bedeutet, das bisherige erweitert und verbreitert sich. Es ist also viel mehr als In-Formation. Dazu hier ein Video:
Entwicklungspsychologische und entwicklungskulturelle Modelle zeigen, wie sich dieser Weg ausdrückt. Don Becks und Christopher Gowans Spiral Dynamics, die von Frederic Laloux berühmt gemacht wurden, zeigen den Weg der Entwicklung mit “Memel”, also Bewusstseinseinheiten. Dieser ist allerdings anders als Loevinger und Kohlberg nicht empirisch und statistisch besucht und unterlegt.
Handlungsempfehlungen entsprechend der Reife
Wie sich Menschen und Teams entwickeln, hängt einerseits von ihrer eigenen Reife, andrerseits aber nicht viel mehr von der Reife der Führungskraft und der Organisation ab. Die Organisation ist dabei die wichtigste Komponente, sie gibt den Rahmen und erzeugt für den Kontext funktionales Verhalten.
Auch die Reife der Führungskraft und des Teams müssen zusammenpassen. So sollte die Führung weiter entwickelt sein als der Durchschnitt ihres Teams. Ganz besonders gilt das für die Führung durch Rollen wie Agiler Coach, Scrum Master oder Product Owner: Je mehr sie sich auf der organisationalen Ebene bewegen und je mehr sie mit Gruppen- und Organisationsdynamiken zu tun haben, desto höher der Anspruch an die Fähigkeit, unter Komplexität zu agieren und Ambiguität anzunehmen. Genau das kennzeichnet die Entwicklung im Sinne der Ich-Entwicklung.
Wie arbeiten mit dem agilen Reifegrad-Grid?
Vor einigen Jahren habe ich ein agiles Reifegrad-Grid entwickelt, das Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Kombinationen der Reife des Teams und von Führung gibt. Hier sei noch einmal betont, dass eine hohe Reife nicht das generelle Ziel sein kann, sondern kontextabhängig zu betrachten ist. Die Frage der organisationalen Zielsetzung und der der Abteilung sollte zuerst beantwortet werden.
Aus den unterschiedlichen Zellen des Grid ergeben sich verschiedene Handlungsansätze. Problematisch sind vor allem Kombinationen, in denen Reifegrad von Team und Führung sehr stark auseinanderklaffen. Beispiel: Ein Innendienstteam braucht vor allem Kundenorientierung und ein gutes Miteinander. Es muss und sollte und muss nicht von einem Strategen oder Alchemisten geführt werden. Anders ein Unternehmen, dass sich grundlegend neu aufstellen muss, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu schaffen.
Unser Reifegrad-Grid können Sie sich hier herunterladen Agiles Reifegrad-Grid .
In unseren Kursen erfahren Sie mehr über diese Ansätze und reflektieren sie hinsichtlich des Einsatzes in Ihrem Unternehmen. Das Thema ist weiterhin in Svenja Hofert Bücher, vor allem “Agiler Führen” (bald 3. Auflage), “Das Agile Mindset” und “Führen in die Postagile Zukunft” eingegangen (Bücherseite).
(aktualisiert 4/2021)
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[…] Die agile Reifegradmatrix von Svenja Hofer zeigt agile Reife anhand von Führung und Mitarbeitern (Quelle: Svenja Hofert). […]
Hallo Frau Hofert,
das PDF-Dokument zum Reifegrad-Grid lässt sich leider nicht herunterladen. Könnten Sie es mir per Mail zuschicken? Vielen Dank.
Beste Grüße, Engin Sirma
Hallo Frau Hofert,
ich finde diese Perspektive und das Werkzeug sehr interessant!
Die PDF ist leider nicht mehr verfügbar, können Sie diese erneut bereitstellen?
Danke & Grüße,
Thomas Zimmermann
Organisationsentwicklung
TU Kaiserslautern
Hallo Herr Zimmermann, ich habe es neu verlinkt. Hier ist der Link auch noch mal direkt: https://teamworks-gmbh.de/wp-content/uploads/2016/10/agilesreifegradgrid.pdf
herzliche Grüße Svenja Hofert
[…] haben. Hier möchte ich auf mein Reifegrad-Grid aus dem Buch „Agiler führen“ verweisen, hier zum […]
Guten Tag Frau Hofert
Ich studiere momentan sehr interessiert Ihr agiles Reifegrad-Grid.
Dabei stellt sich mir folgende Frage: Weshalb steht bei “Austausch” der Bereich von “6/1 bis 4/6 “? Falls die erste Zahl die Reife des Mitarbeiters und die zweite die Reife der Führung ist, müsste das dann nicht “6/1 bis 6/4” heissen? Oder mache ich noch einen Denkfehler?
Besten Dank und Viele Grüsse
Marius
richtig, das haben wir auch schon geändert, nur hier noch nicht.