Cliquenbildung Online: Wenn Grüppchen ihr Süppchen kochen
Strategien für den Umgang mit Cliquen im Büro

Cliquen sind wie ein Rasen voller Disteln. In Zeiten des Home Office und der digitalen Tools bilden sie sich anders und verbreiten ihr Gift oft unbemerkt. Da ist Führung gefragt, die das Thema versteht und angeht. 5 Strategien gegen Cliquen und für gesunde Teamentwicklung.
Neulich habe ich etwas entdeckt, was mir vorher so überhaupt nicht klar war: Systeme wie MS Teams können die Cliquenbildung fördern, wie Räume auch. Aber für Räume, in denen drei Leute heimlich lästern, habe ich eine Aufmerksamkeit. Ich werde aufmerksam, wenn sich da jemand abschottet. Ich merke, da war was, wenn ich reinkomme und alle schweigen. Wenn Leute sich immer in Kanälen tummeln und Organisatoren Personen unbemerkt entfernen, fehlt diese Aufmerksamkeit.
Kanäle sind bestimmte Abschnitte eines Teams in MS Teams. Eine Entfernung kann absichtlich oder versehentlich passieren. Wer das nicht durchschaut, kann sich böse ausgegrenzt fühlen. Doch auch ganz normale Konzentration kann zu einer Sortierung von Personen in Grüppchen führen.
Cliquen im Home Office: Führungskräfte haben es nicht “auf dem Schirm”
Wie gesagt, es war mir nicht bewusst. Und wie soll man auf etwas aufpassen, das man das gar nicht auf dem Schirm hat?
Das hat mich zu einem Thema gebracht, das bisher keine Aufmerksamkeit bekommen hat: Cliquen. Cliquen sind sowas wie das Gruppen-Omega in der Rangdynamik nach Raoul Schindler (Beitrag hier, Video hier). Sie arbeiten gegen das eigentliche Ziel der Gruppe, oft ohne sich dessen selbst bewusst zu sein. Jeder kennt Cliquen aus der Schule. Es gibt die Clique der Coolen und die der Nicht-So-Coolen. Was cool ist, ändert sich mit Zeit, Raum und Trend. Cliquen sticheln, lästern und mobben, z.B. über Menschen, die fleißig sind oder über Faule – je nachdem, wer das gemeinsame Ziel der übergeordneten Gruppe verkörpert, also das Alpha ist.
Die Büro-Gang ist jetzt vom Home Office aus aktiv
Cliquen liegt etwas Ungesundes zugrunde, sie können toxisch für die anderen sein.
”We find that office cliques tend to form most in corporate environments with weak management. They are like office gangs that emerge to fill in the void of leadership”, formulierte Katherine Crowley in einem Forbes-Artikel in der Vor-Home-Office-Zeit.
Wenn diese Office-Gangs nun auch durch virtuelle Räume marschieren, ist Führung erst recht gefragt. Es ist Aufgabe der Führungskraft und ihrer Teamentwicklung, Cliquenbildung zu vermeiden. Führungskräfte müssen deshalb wissen, was „online“ abgeht — und dafür die technologischen Möglichkeiten kennen. Und in diesen Zeiten müssen Sie lernen, was da auch sonst anders ist. Die Intuition ist noch nicht da. Es fehlt uns die Aufmerksamkeit für diese Dinge, weil wir erst langsam lernen, was Home Office, Hybrid Office und diese ganze durch Corona beschleunigte veränderte Arbeitswelt so mitbringt.
„Bei Homeoffice und mobilem Arbeiten müssen wir darauf achten, dass dieses nicht zu Lasten der Beschäftigten geht“, sagte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher kürzlich der WELT.
Ja, und dafür müssen Führungskräfte wissen, was Home Office psychologisch und technologisch bedeutet.
Was also tun?
5 sinnvolle Strategien ein, die ich hier zur Debatte stelle:
1. Neuer Team-Zuschnitt
Lästereien sind dort verbreitet, wo sie auf der Hinterbühne stattfinden dürfen. Es gibt immer noch Unternehmen, die Lästermäuler ganz bewusst tolerieren, weil diese Infos streuen können. Man kann so z.B. informelle Testballons loslassen, was in der Belegschaft so ankommt und was nicht (kennt man im übrigen aus der Politik). Ich finde das schwierig, wenn die Menschen verteilt arbeiten. Dann sind diese Mechanismen nicht mehr so ohne Weiteres Eins-zu-eins übertragbar.
Was hilft, sind kleine Gruppen und Teams, also ein anderer Zuschnitt als bisher. Je mehr Menschen sich auch kommunikativ koordinieren müssen, desto schwieriger Cliquenbildung. In kleinen Gruppen, können glasklare Prinzipien einfacher vereinbart werden. Das sind Prinzipien, die einen eindeutigen Wert adressieren: „Wir reden nur mit anderen, nicht über sie“. Das Team muss reif genug sein, auf die Einhaltung zu achten. Dazu braucht es eine klare und richtungsweisende Führung. Wer mit Prinzipien arbeitet, muss diese auch immer wieder bewusst machen und klarstellen, wenn sie verletzt werden.
Der Umgang mit asynchroner und schriftlicher Kommunikation muss neu gelernt und reflektiert sein – zumal gerade Schriftsprache zu deutlich mehr Missverständnissen führt als mündliche Kommunikation.
2. Strukturen, die an die Wurzel des Übels gehen
Jeder, der einen Garten hat, weiß, was passiert, wenn einmal eine Distel im Rasen ist: Sie vermehrt sich und lässt sich nicht mehr nur rausziehen. Man muss den Rasen wässern, damit die Wurzel fault. Das zeigt, das wirksame Strukturen kluge Strukturen sind, die ein gruppenpsychologisches Grundlagenwissen beinhalten.
Das sagt uns: Je weniger Menschen miteinander eng und persönlich zusammenarbeiten, desto unwahrscheinlicher ist, dass sich giftige Grüppchen bilden. Bei fünf Personen ist die Wahrscheinlichkeit geringer als bei neun und erst recht bei fünfzehn. Die Größe spielt eine wichtige Rolle, siehe 1. Je mehr der Blick aufs Wir gerichtet ist, desto schwerer hat es das Gift sich festzusetzen. Gemeinsame Werte sind wie Kitt im Blick auf das Wir. Aber unterschiedliche Werte spalten: Wenn der eine vom Wert Freiheit und der andere vom Wert Zugehörigkeit angetrieben wird, ist dies ein durchaus grundlegender Wertekonflikt. Kultur spielt also eine Rolle – und kulturelle Passung heißt vor allem auch Passung der Werte.
Daraus ergeben sich praktische Indikationen:
- Persönliches gehört dazu.
- Über Werte sprechen hilft zu verstehen, wo auch Unterschiede liegen.
- Es sollte verhindert werden, dass immer dieselben zwei oder drei Personen zusammenarbeiten oder immer nur diese sich austauschen.
- Da sich die Vorzeichen verändert haben, braucht es Re-Teaming.
Je mehr sich dies wiederum mit Prinzipien der Zusammenarbeit verwoben ist, desto weniger kann sich giftige Kommunikation in Distel-Art verbreiten. Dafür wiederum braucht es Reflexionsräume, in denen über diese Themen auch gesprochen wird.
3. Entscheiden und gemeinsam beschließen
Je mehr Persönliches Menschen übereinander wissen, desto eher vertrauen sie sich. Nun gibt es aktuell spaltende Themen wie Impfpflicht ja/nein, Home Office wieviel/wie wenig/wie frei, Umgang Masken und Abstand, die auch die Büros erreichen und selbst bisherige Vertrauensbastionen erschüttern. An ihnen zeigen sich oft grundlegend unterschiedliche Werthaltungen und tiefverwurzelte Moral foundations (siehe Moral Foundations Theory von Jonathan Haidt).
In einem erwachsenen Team lässt sich darüber sehr gut reden und die Teammitglieder können die jeweils andere Haltung mindestens tolerieren. Manchmal halte ich es aber auch für legitim, die Themen bewusst (und transparent) auszuklammern. Wie auch immer: Es muss beschlossen werden, sonst wabert es durch Online-Räume und feuert Cliquenbildung an.
Ein Re-Teambildung ist dringend nötig, wenn Menschen längere Zeit im Home Office waren und dort letztendlich auch Abstand zu Kollegen gewonnen haben. „Wie wollen wir mit spaltenden Themen umgehen?“ Das kann ein reifes Team auch selbst entscheiden, wahrscheinlich braucht es hier aber Unterstützung von außen.
4. Konflikte angehen und nicht aussitzen
Konflikte verbreiten sich schnell und sie stecken an. Sie sind wie besagte Diesteln und vermehren sich – vor allen und gerade auch, wenn keiner über sie spricht. Nun lassen diese sich, wie oben beschrieben, Online sehr viel leichter verbergen. Man kann dem Übel aus dem Weg gehen, es aussitzen, ins Schriftliche verlagern. Das ist ohnehin eine Tendenz eher zur Konfliktvermeidung neigender Menschen, die letztendlich zum Gegenteil führt – zur Verstärkung.
Führungskräfte brauchen eine scharfe Wahrnehmung, auch und gerade im Online-Raum. Was ist da los? Es braucht zudem viel mehr Einzelgespräche.
Auch Mikrorollen können helfen, etwa den „Konfliktmonitor“, als die Person, die die Aufgabe hat Konflikte wahrzunehmen und zurückzumelden. Denn keine Führungskraft kann die Augen überall haben und gerade in den „Zwischenräumen“ des Internet passieren Dinge unbemerkt, die man in eine Büroraum sofort sehen und spüren würde.
5. Technologie ins Teambilding integrieren
Sie ist nötig und nicht mehr wegzudenken – aber sie wirkt nicht nur auf Arbeitsprozesse, sondern auch auf die Psyche. Beispielsweise erlebe ich viele Menschen, die die durch Technologie teils notwendige, teils übertriebene Strukturorientierung total nervt. Denn derzeit zeigt sich, wie schwierig es ist spontane Kommunikation und digitale Koordination auszubalancieren.
Da sind Menschen, die sich wie früher den Zuruf wünschen, die lieber direkt sprechen wollen. Und andere lieben eine stärker formalisierte Arbeitsweise. Ganze Berufsbilder verändern sich dadurch – und Menschen verabschieden sich von ihrer bisherigen Tätigkeit, weil sie sich mit ihr nicht mehr identifizieren. Andere wiederum könnten neu gewonnen werden.
Tatsache ist, dass wir Technologie nicht mehr ausklammern können. Wir sind eben keine Maschinen – aber die Maschinen sind auch ein „extended mind“, sie verändern die Persönlichkeit — und zeigen neue und andere Potenziale auf. Auch das sind Themen die aktuell viel zu selten auf den Tisch kommen. Sie können mit Fragen nach individuellen Stärken verbunden werden.
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Zum Thema gibt es auch noch ein Video mit mehr auf persönlichen Umgang bezogenen Tipps:
Beitragsfoto: Shutterstock — Russian Federation
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